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Die umkämpfte Zukunft Libyens

Redaktion

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Verfeindete Milizen liefern sich schwere Gefechte in Libyen. Deutschland und andere Staaten haben wegen der eskalierenden Gewalt ihre Diplomaten abgezogen. Welche Bedeutung dem neu gewählten Parlament zukommen wird, ist derzeit nicht absehbar.

Luftangriff auf das Lager einer islamistischen Miliz in Bengasi Anfang August. (© picture-alliance/AP)

Die Gewalt in Libyen eskaliert. Bewaffnete Gruppen, von denen viele 2011 am Sturz des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafis beteiligt waren, liefern sich heftige Gefechte um die Kontrolle von Städten und Landesteilen, seit Mai 2014 mit zunehmender Härte. Anfang Juli haben die Kämpfe die Hauptstadt Tripolis erreicht. Dort kämpfen rivalisierende Milizen um die Kontrollle des Flughafens. Laut Berichten von Nachrichtenagenturen starben in den letzten Wochen landesweit mehr als 200 Menschen durch die Kampfhandlungen, tausende Libyer flüchteten in das benachbarte Tunesien. Deutschland hat, wie auch die USA und weitere europäische Staaten, seine Diplomaten abgezogen und alle Deutschen zur sofortigen Ausreise aufgerufen. Der Ausgang der Parlamentswahlen vom 25. Juni ist durch die Kämpfe in den Hintergrund gerückt.

Verzögerte Neuwahlen

Eigentlich hätte das neue Parlament bereits Ende 2013 gewählt werden sollen. Die Abgeordneten des 2012 zum Übergangsparlament gewählten Nationalkongresses verlängerten ihre Legislaturperiode jedoch eigenmächtig. Die Neuwahl des Parlamentes war im Mai schließlich von der libyschen Wahlkommission unter dem Eindruck der eskalierenden Kämpfe angesetzt worden. Bei der Parlamentswahl am 25. Juni waren keine Parteien zugelassen. Stattdessen konnten die Libyer zwischen 1.628 Einzelkandidaten wählen. 32 der 200 zu vergebenden Parlamentssitze wurden für Frauen reserviert.

Nur wenige Libyer gingen zu den Wahlurnen: Von 3,4 Millionen Wahlberechtigten ließen sich knapp 1,5 Millionen für die Parlamentswaghl registrieren; davon wiederum stimmten nur 630.000 tatsächlich ab – die Wahlbeteiligung lag damit bei knapp 20 Prozent. Zu den Interner Link: ersten freien Parlamentswahlen in Libyen 2012 hatten sich noch 2,7 Millionen Libyer registrieren lassen; 1,6 Millionen waren zur Wahl gegangen.

Unsicherer Wahlausgang

Seit dem 21. Juli liegen die Endergebnisse der Parlamentswahl 2014 vor, wobei in zwölf Wahlkreisen aus Sicherheitsgründen nicht gewählt wurde. Wegen der Vielzahl von Kandidaten und fehlender Parteilisten gestaltet sich die Interpretation der Ergebnisse jedoch schwierig. 158 Parlamentarier kamen am Montag (4. August) zu einer ersten offiziellen Sitzung in Tobruk zusammen. Aus Protest gegen die Verlegung des Treffens in die ostlybische Stadt – offiziell wegen schwerer Kämpfe in Bengasi und Tripolis – boykottierten pro-islamistische Abgeordnete die Sitzung.

Nach Berichten von Nachrichtenagenturen haben die anwesenden Abgeordneten in der Nacht zum Dienstag den parteilosen Juristen Akila Saleh Issa zum Parlamentspräsidenten gewählt. Welche politischen Gruppierungen wie stark im Parlament vertreten sind, wird sich erst zeigen, wenn die Abgeordneten Fraktionen gebildet haben. Nach Medienberichten zeichnet sich allerdings eine Niederlage der pro-islamistischen Kräfte ab.

Libyen

Geografische Lage: Libyen liegt zentral in Nordafrika und grenzt an Tunesien, Algerien, Niger, Tschad, Sudan, Ägypten und das Mittelmeer. Zwischen der Hauptstadt Tripolis und Malta liegen gerade einmal 360 Kilometer, zwischen der Küstenstadt Darna und der griechischen Insel Kreta nur 340 Kilometer. Viele afrikanische Flüchtlinge werden auf dem Weg nach Europa in Libyen abgefangen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte zuletzt den Umgang Libyens mit Flüchtlingen stark kritisiert.

Königreich Libyen: Von 1951 bis 1969 war Libyen eine konstitutionelle Monarchie mit König Idris als Staatsoberhaupt. Muammar al-Gaddafi rief nach seinem Putsch 1969 die Libysche Arabische Republik aus. Auch nach dem Sturz Gaddafis blieb Libyen eine Republik. Innerhalb der Verfassungsgebenden Versammlung Libyens, die im Februar 2014 gewählt wurde und eine neue Verfassung ausarbeiten soll, gibt es Tendenzen, zur Verfassung des Königreichs zurückzukehren.

Ethnische Minderheiten: Der libysche Bürgerkrieg war auch durch Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen im Land geprägt. Besonders bei den Berbern (den Imazighen) hatte sich durch Unterdrückung und Marginalisierung jahrzehntelang Unmut angestaut. Bis heute fordern sie Gleichberechtigung mit der arabischen Bevölkerung. In ihrem Kampf um mehr Rechte werden sie von einer weiteren Minderheit, den Tebu, unterstützt, die in der historischen Provinz Fezzan leben. Die dritte wichtige Gruppe sind die in der Sahara lebenden Tuareg, denen ein ehemals enges Verhältnis zu Gaddafi nachgesagt wird.

Zentralstaat ohne Macht

Seit dem Bürgerkrieg im Jahr 2011 und dem Ende des Gaddafi-Regimes hatte Libyen bereits fünf verschiedene Ministerpräsidenten. Die unklaren Machtverhältnisse im bisherigen Nationalkongress Interner Link: spiegelten die politische Zersplitterung des Landes wider. Verschiedene Milizen haben die politische und militärische Kontrolle über mehrere Landesteile und Städte übernommen. Der libysche Staat und seine Institutionen können ihre politischen Entscheidungen nicht mehr landesweit durchsetzen – auch wenn viele Milizen offiziell der Regierung unterstehen.

Konkurrierende Gebiets- und Machtansprüche der bewaffneten Gruppen haben seit dem Sturz Gaddafis immer wieder lokale Konflikte ausbrechen lassen. Zu den besonders umkämpften Gebieten zählen heute neben Tripolis vor allem die strategisch wichtige Hafenstadt Bengasi und die östlichen Ölverladehäfen. Während sich in der Haupstadt vor allem Milizen aus den Städten Misrata und Al-Sitan gegenüber stehen, kämpfen in Ostlibyen abtrünnige libysche Soldaten gegen radikal-islamische Gruppen.

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