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Die Schüsse von Sarajevo

Redaktion

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Vor 100 Jahren ermorden Attentäter den habsburgischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajevo. Damit beginnt eine politische Krise, die schließlich im Ersten Weltkrieg mündet.

Kurz vor dem Attentat: Franz Ferdinand und seine Frau Sophie verlassen das Rathaus von Sarajevo. (© picture-alliance/AP)

Attentate waren in der politisch angespannten Atmosphäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches. So kamen um die Jahrhundertwende Staatsmänner und gekrönte Häupter in Italien, Österreich-Ungarn, Serbien und Griechenland sowie in Frankreich und den USA bei Anschlägen ums Leben. Das Interner Link: Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajevo war in der historischen Rückschau aber von besonderer Tragweite.

Streit um Bosnien und Herzegowina

Erzherzog Franz Ferdinand hatte an den beiden Tagen vor dem Attentat an einem Manöver in Bosnien und Herzegowina teilgenommen. Nach dem Russisch-Osmanischen Krieg 1877/78 waren Bosnien und Herzegowina unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt worden, sie standen formell aber noch unter osmanischer Herrschaft; das Habsburgerreich annektierte die Gebiete schließlich im Jahr 1908.

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet. Das Bild zeigt die Verhaftung des Mittäters Chabrinovic.

Die Annexion löste eine politische Krise in der Region aus, da vor allem das neu geschaffene Königreich Serbien seine Pläne gefährdet sah, ein großserbisches Reich zu errichten, das u.a. auch die in Bosnien und Herzegowina lebenden Serben mit einschloss.

Mit der Errichtung des serbischen Königreichs 1882 trachtete die serbische Elite in Politik, Gesellschaft und Militär nach Sicherung ihrer Unabhängigkeit und territorialer Ausdehnung ihres Staates. Nachdem Serbien gestärkt aus den Interner Link: Balkankriegen 1912 und 1913 hervorgegangen war, kam es immer wieder zu Spannungen mit Österreich-Ungarn.

Das Attentat

Der Tag des Besuches Franz Ferdinands in Sarajevo war wohl zufällig – und schlecht – gewählt: am Sankt-Veits-Tag (Vidovdan) gedachten die Serben traditionell dem Kampf gegen die osmanische Fremdherrschaft und besonders der Interner Link: Schlacht auf dem Amselfeld am 28. Juni 1389. Franz Ferdinand und Sophie fuhren mit ihrem offenen Automobil durch die Straßen Sarajevos, um auf dem Weg zum Rathaus der jubelnden Menge zuzuwinken. An der Strecke hatten sich insgesamt sieben Attentäter postiert - allesamt Mitglieder der Organisation Mlada Bosna ("Junges Bosnien"): Die ersten beiden griffen nicht ins Geschehen ein, der dritte zündete eine kleine Bombe oder Handgranate, die allerdings nicht das Auto des Thronfolgers traf, sondern einen Oberst im folgenden Wagen und einige Passanten leicht verletzte. Der Konvoi setzte seinen Weg zum Rathaus fort. Dort änderte Franz Ferdinand den Plan und wollte den verletzten Oberst im Krankenhaus besuchen. Durch die Änderung der Route und ein Wendemanöver des Chauffeurs hielt der Wagen Franz Ferdinands für einige Sekunden direkt vor einem Café – in diesem saß der vierte Attentäter, Gavrilo Princip. Er zögerte nicht lange, trat aus dem Café und erschoss den Thronfolger und seine Frau.

Das Attentat vom 28. Juni 1914

Franz Ferdinand: Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Oeste, geboren am 18.12.1863 in Graz, war der Neffe des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. und nach dem Selbstmord von dessen Sohn Rudolf Thronfolger. Verheiratet war er mit Sophie Gräfin Chotek, die am Hof der Habsburger als nicht ebenbürtig angesehen wurde. Der Kaiser und sein Thronfolger standen sich politisch nicht besonders nah.

Kaiserliche und königliche Monarchie Österreich-Ungarn: Die Monarchie Österreich-Ungarn, oft auch als k.u.k.-Doppelmonarchie bezeichnet, war der Gesamtstaat des Habsburgerreiches zwischen 1867 und 1918. Er umfasste die heutigen Staatsgebiete Österreichs, Ungarns, der Slowakei, Sloweniens, Kroatiens, Bosnien und Herzegowinas und den größten Teil Tschechiens sowie Teile Rumäniens, Montenegros, Polens, der Ukraine, Italiens und Serbiens. Er wurde von der Habsburgerdynastie regiert, zuletzt von Karl I. (bis 1918).

Mlada Bosna/Crna Ruka: Mlada Bosna ("Junges Bosnien") war eine Vereinigung serbisch-nationalistischer Studenten, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Bosnien und Herzegowina agierte und eng mit der serbischen Geheimorganisation Crna Ruka ("Schwarze Hand") verknüpft war, die innerhalb der serbischen politischen und militärischen Führung sehr gut vernetzt war. Vorrangige Ziele waren die Stärkung des serbischen Nationalbewusstseins, die Befreiung von der österreichisch-ungarischen Herrschaft und ein panslawistischer Zusammenschluss mit Serbien und Montenegro. Der Attentäter Gavrilo Princip und seine Mitstreiter gehörten allesamt der Mlada Bosna an.

Die Julikrise

Was in der Folge des Attentats auf und hinter der politischen Bühne in Europa geschah, wird als "Julikrise" bezeichnet. Interner Link: Ihre Deutung ist bis heute stark umstritten. Die Ereignisse strapazierten die damals in Europa bestehende Bündniskonstellation zwischen der Triple Entente aus Frankreich, Russland und Großbritannien auf der einen und dem Dreibund aus dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Italien auf der anderen Seite. Bislang war es den beiden Lagern gelungen, Krisen auf diplomatischem Wege zu lösen.

Österreich-Ungarn war entschlossen, das Attentat mit einem sofortigen und energischen Vorgehen gegen Serbien zu beantworten. Das Deutsche Reich, das mit Österreich 1879 den Zweibundvertrag geschlossen hatte, sagte der österreichischen Regierung am 6. Juli seine volle Unterstützung zu. Diese Beistandserklärung wurde später als "Blankoscheck" kritisiert. Russland stand seinerseits an der Seite Serbiens.

Am 23. Juli stellte Österreich-Ungarn als Reaktion auf das Attentat ein 48-Stunden-Ultimatum an Serbien und erklärte am 25. Juli Serbiens Antwort für unbefriedigend. Österreich-Ungarn erklärte Serbien am 28. Juli 1914, den Krieg. In Russland verfügte der Zar am 30. Juli die Generalmobilmachung, die bereits vor Ablauf des österreichischen Ultimatums vorbereitet worden war. Deutschland erklärte am 1. August Russland, am 3. August Frankreich den Krieg. Zwei Tage später trat Großbritannien in den militärischen Konflikt ein, aus dem der Erste Weltkrieg geworden war.

100 Jahre Kriegsausbruch

Seit Beginn des Ersten Weltkriegs wird über die Frage debattiert, wer die Hauptverantwortung für den Interner Link: Ausbruch des Krieges trägt – aber auch, welche diplomatischen Fehler und konkurrierenden Interessen der europäischen Staaten und Bündnisse die politische Krise begünstigt haben. Lloyd George, während des Krieges britischer Premier, prägte 1933 die Sichtweise, Europa sei in den Krieg "hineingeschlittert". Nicht die expansiven Bestrebungen einer Großmacht wie Deutschland hätten den Krieg ausbrechen lassen, sondern vielmehr das Versagen des alten Bündnissystems. Diese These fand in Deutschland großen Anklang, nachdem die Siegermächte im Friedensvertrag von Versailles 1919 allein Deutschland und seinen Verbündeten die Alleinschuld am Kriegsausbruch gegeben hatten.

In den 1960er Jahren versuchte der Historiker Fritz Fischer mit seiner Publikation "Griff nach der Weltmacht" die sogenannte „Schlitterthese“ zu widerlegen. Er argumentierte, das Deutsche Reich habe den Krieg bewusst herbeigeführt, um Hegemonie in Europa zu erlangen. Fischers These wurde kontrovers diskutiert, „aber es war doch mehr oder weniger unumstritten, dass Deutschland den Hauptteil der Verantwortung für den Kriegsbeginn zu tragen hatte (...)“, Interner Link: urteilt die Historikerin Annika Mombauer. Die Debatte um die Auslösung des Krieges wurde jüngst wieder entfacht durch Christopher Clarks Buch "Die Schlafwandler". Clark lehnt die Suche nach Schuldigen ab und stellt stattdessen die Interner Link: Kriegsbereitschaft in ganz Europa im Vorfeld des Krieges und die mangelnde Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Staaten untereinander in der Julikrise heraus. Auch Clarks These ist umstritten. Kritiker werfen ihm vor, eine deutsche Verantwortung für den Kriegsausbruch zu relativieren.

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