Am 25. Juni 1953 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein neues Bundeswahlgesetz und führte unter anderem die Fünf-Prozent-Hürde für Bundestagswahlen ein (§ 6 Abs. 6 BWG). Seitdem müssen Parteien mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erhalten, um ins Parlament einzuziehen. Eine Ausnahme bilden Parteien, die die fünf Prozent verpassen, aber Interner Link: Direktmandate - also die meisten Erststimmen - in drei verschiedenen Wahlkreisen gewinnen. Sie dürfen ins Parlament einziehen und ihre Abgeordnetenzahl entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses aufstocken (Grundmandatsklausel).
Ausdrücklich ausgenommen von der Sperrklausel sind die Parteien nationaler Minderheiten. Das betrifft u.a. den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) der dänischen nationalen Minderheit in Schleswig-Holstein sowie die Parteien der sorbischen Minderheit in Brandenburg und Sachsen und der friesischen Minderheit in Niedersachsen.
Bei der ersten Bundestagswahl 1949 galt die Fünf-Prozent-Hürde noch getrennt für jedes Bundesland. Mit der neuen bundesweiten Regelung, wollte man verhindern, dass sehr kleine Parteien im Parlament vertreten sind. Stattdessen sollten stabile, regierungsfähige Mehrheiten gefördert werden. Hintergrund waren die Erfahrungen aus der Weimarer Republik, in der eine konstruktive Zusammenarbeit des Parlamentes durch die zersplitterte Parteienlandschaft massiv behindert worden war.
Die Fünf-Prozent-Hürde auf Landes- und Kommunalebene
Auch die meisten Landtagswahlverfahren in Deutschland orientieren sich am Bundestagswahlrecht und damit an der Fünf-Prozent-Hürde. Auf kommunaler Ebene hat die Fünf-Prozent-Hürde an Bedeutung verloren, fast alle Bundesländer (außer Berlin und Bremen) haben entsprechende Regelungen abgeschafft.
Geringere Hürde bei Europawahlen
Bei Interner Link: Europawahlen galt bis 2011 eine Fünf-Prozent-Hürde. Im kommenden Jahr müssen deutsche Parteien, die sich für das Europäische Parlament bewerben, nur noch eine Drei-Prozent-Hürde überwinden. Dies hat der Bundestag Mitte Juni beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2011 die Regelung mit der Begründung kippte, dass diese nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Die Sperrklausel bedürfe aus verfassungsrechtlicher Sicht eines "zwingenden" Grundes und müsse stets den aktuellen Verhältnissen angepasst werden. Im Falle des europäischen Parlaments argumentierten die Richter, dass die Funktionsfähigkeit des Parlaments mit dem Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde nicht beeinträchtigt würde. Einen signifikanten Anstieg der Parteienanzahl hätte es aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes nicht gegeben. Zudem sei die Zusammenarbeit mehrerer Parteien auf Fraktionsebene üblich.
Sperrklausel versus Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit
Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit bei der Verhältniswahl gilt auch für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Dieser besagt, dass jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben muss. Im Sinn der Chancengleichheit sollen Parteien grundsätzlich die gleichen Chancen bei der Verteilung der Sitze haben. Insofern bedeutet die Sperrklausel eine Einschränkung dieses demokratischen Grundsatzes: Wählerstimmen, die für Parteien abgegeben werden, die an der Sperrklausel scheitern, fallen unter den Tisch.
Kritik an der Sperrklausel
In ihrer 60-jährigen Geschichte wurden zahlreiche Klagen gegen die Sperrklausel vorgebracht. Zu ihren Gunsten wurde in mehreren Urteilen die Funktionsfähigkeit des Parlaments als ein höheres Gut eingestuft als die exakte Widerspiegelung des politischen Willens der Wähler.
Die Kritiker sind der Ansicht, die Sperrklausel begünstige etablierte Parteien und erschwere kleineren und neuen politischen Bewegungen den Weg in die Parlamente. Zudem werde das Wahlergebnis verzerrt, da die abgegebenen Stimmen für Parteien, die an der Sperrklausel scheitern, wegfallen.
Die Sperrklausel bei Parlamentswahlen existiert nicht nur in Deutschland. Dabei sind die Zugangsbarrieren international sehr unterschiedlich. Beispielsweise in den Niederlanden liegt die Hürde bei einem Einhundertfünfzigstel aller abgegebenen Stimmen und damit bei rund 0,67 Prozent, was eine starke Zersplitterung des Parteiensystems und häufig wechselnde Regierungskoalitionen zur Folge hat. In der Türkei müssen Parteien hingegen mindestens zehn Prozent der Stimmen erreichen, um ins Parlament einzuziehen.
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