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Präsidentschaftswahl in Iran | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Iran

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Am Freitag (14. Juni) findet in Iran die Präsidentschaftswahl statt. Der amtierende Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die Kandidaten für seine Nachfolge wurden von Revolutionsführer Chamenei handverlesen. Proteste, wie nach der Wahl 2009, sollen dadurch vermieden werden.

Anhänger des iranischen Präsidentschaftskandidaten Hassan Rohani bei einer Wahlkampfveranstaltung. (© picture alliance / dpa )

Bewerber und Auslese

Seit 34 Jahren existiert die islamische Republik Iran, zum elften Mal wird ein Staatspräsident gewählt. Kandidieren dürfen ausschließlich Männer.

Beinahe 700 Bewerber hatten sich um eine Kandidatur beworben, nur acht wurden vom Wächterrat zugelassen. Der Wächterrat – ein islamisch-geistliches Kontrollgremium für Rechtsfragen – wird direkt von Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei ernannt. Chamenei ist nicht nur geistliches Oberhaupt des Iran, sondern auch militärischer Oberbefehlshaber. Eine Funktion, die in Iran nicht durch den Präsidenten wahrgenommen wird. Der Ajatollah gilt zudem als mächtigste politische Instanz des Landes. Seinem Einfluss wird sich auch der neu zu wählende Präsident ausgesetzt sehen.

Zwei der genehmigten Kandidaten – Hassan Rohani und Mohammed Reza Aref – gelten als eher moderat, der Rest als streng konservativ. Aref verkündete am 11. Juni, seine Kandidatur zugunsten des Geistlichen Rohanis zurückzuziehen. Damit verbleibt dieser als einziger gemäßigter Reformer. Am 10. Juni hatte bereits der frühere Parlamentssprecher Gholam Ali Haddad-Adel seine Kandidatur aufgegeben. Somit sind derzeit noch sechs Kandidaten im Rennen. Umfragen iranischer Medien sehen den konservativen Teheraner Bürgermeister Mohammed-Baker Kalibaf in Führung.

Bilanz von Ahmadinedschads Amtszeiten

2005 wurde Ahmadinedschad mit großer Mehrheit erstmals zum Staatspräsidenten gewählt. Er wurde Nachfolger des Reformers Mohammed Chatami. Ahmadinedschads Politik orientierte sich ursprünglich stark an Revolutionsführer Chamenei. In den letzten Jahren kam es jedoch zu einem internen Machtkampf, der sich häufig an Personalien entzündete. Ahmadinedschad verlor in der Folge innenpolitisch den Rückhalt Chameneis.

Prägend für die Ära Ahmadinedschad waren dessen häufige Provokationen gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Er lancierte mehrere verbale Angriffe gegen Israel und die USA, unter anderem, indem er den Holocaust leugnete und Israel das Existenzrecht absprach.

Atomprogramm und Sanktionen

Besonders stark förderte Ahmadinedschad das iranische Atomprogramm. Anfang Juni 2013 hatte seine Regierung verkündet, dass ein neuer Atomreaktor in der Stadt Arak im nächsten Jahr seinen Betrieb aufnehmen werde.

Irans Atomprogramm wird seit Jahren von der internationalen Gemeinschaft kritisch beobachtet. Die USA und ihre Verbündeten befürchten, dass das Land angereichertes Plutonium zum Bau von Atomwaffen verwenden will. Die zehn Verhandlungsrunden mit Iran in den vergangenen Jahren hätten keinen Fortschritt gebracht, so der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) Yukiya Amano Anfang Juni.

Der Iran sieht sich deshalb seit 2006 massiven wirtschaftlichen Sanktionen seitens der internationalen Gemeinschaft ausgesetzt. Erst Anfang Juni hatte die US-Regierung zusätzliche Sanktionen gegen den Iran verhängt, unter anderem erneut gegen die Währung des Landes. Ausländische Banken, die ab Juli 2013 Überweisungen in der iranischen Währung "Rial" tätigen, müssen mit Strafen rechnen.

Themen im Wahlkampf

Zentrales Wahlkampfthema ist die schlechte wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit. Die iranische Volkswirtschaft und die Bevölkerung haben die Sanktionen des Westens empfindlich getroffen. Von 75 Millionen Iranerinnen und Iranern sind über 70 Prozent jünger als 35 Jahre, 250.000 Menschen verlassen jährlich das Land. Die Preise für Nahrungsmittel sind um ein Vielfaches gestiegen, die Kaufkraft sinkt. Die Inflationsrate liegt offiziell bei rund 30 Prozent. Die Automobilindustrie, einer der wichtigsten Zweige der iranischen Wirtschaft, hat einen Produktionsrückgang von beinahe zwei Dritteln zu verzeichnen.

Der iranische Rial verlor durch die Sanktionen seit 2012 um zwei Drittel an Wert. Durch ein seit Juni 2012 bestehendes Öl-Embargo seitens der EU sind zudem die Ölexporte um mehr als die Hälfte gesunken. Beobachter innerhalb des Landes sehen den Grund für die brachliegende Wirtschaft neben den Sanktionen aber auch im Missmanagement der Regierung.

Der moderate Präsidentschaftskandidat Rohani fordert ein Ende des staatlichen Interventionismus und prangert die große wirtschaftliche Macht der paramilitärischen Revolutionswächter an. In einer Fernsehdebatte kritisierte er zudem die strikten gesellschaftlichen Verhaltensregeln und die stets präsente Zensur.

Kurz vor der Wahl

Jede Stimme bei der Wahl sei eine Stimme für die islamische Republik, sagte Revolutionsführer Chamenei in der vergangenen Woche. Auch wenn ein Reformer den Sieg bei der Wahl erringen sollte, gilt es als wahrscheinlich, dass die konservative Elite um Chamenei Reformen verhindern wird. Experten halten es durchaus für möglich, dass keiner der Kandidaten in einer ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen erhält, und so eine zweite Runde der Wahl nötig sein wird.

Massenproteste nach der letzten Wahl 2009

Ohne Freiheit und freie Wahlen seien alle anderen Werte sinnlos, sagte Ahmadinedschad kürzlich bei einem öffentlichen Auftritt. Dass die letzte Präsidentschaftswahl im Jahr 2009 frei und ohne Manipulationen verlief, wird jedoch von vielen Iranern bezweifelt. 2009 trat der Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi gegen Amtsinhaber Ahmadinedschad an – unterstützt von einer breiten Koalition aus moderaten Islamisten, progressiven Reformern und offenen Gegnern des Regimes.

Nach dem Wahlsieg Ahmadinedschads mit offiziell über 62 Prozent der Stimmen gingen hunderttausende Iranerinnen und Iraner auf die Straße, um gegen das ihrer Meinung nach manipulierte Ergebnis zu protestieren. Mussawi warf dem Regime Betrug vor und forderte eine Annullierung der Wahl. Monatelang hielten die Unruhen an. Die Sicherheitskräfte der Regierung gingen brutal gegen die Demonstranten vor. Nach offizieller staatlicher Zählung starben während der Proteste über 30 Menschen. Die Oppositionsbewegung zählte mehr als 70 Todesopfer.

Die Oppositionsführer von 2009, Mussawi und Mehdi Karubi (ein weiterer Reformkandidat), stehen bis heute unter Hausarrest. Viele andere Aktivisten und Reformer sind inhaftiert.

Ein "Internet" nur für den Iran?

Schon zu Ahmadinedschads erster Amtszeit plante die Regierung die Entwicklung eines nationalen Internet-Netzwerkes. Dieses Projekt steht laut Beobachtern kurz vor der Fertigstellung. Nach offiziellen Angaben will die Regierung die Geschwindigkeit und Datensicherheit erhöhen. Kritiker befürchten allerdings, dass das "Nationale Informationsnetzwerk" der digitalen Abriegelung des Landes dient. Theoretisch bestehe bald die Möglichkeit, Internetnutzer in Iran vom weltweiten Netz abzuschneiden und ihnen nur noch den Zugang zu iranischen Webseiten zu gestatten.

Schon mehrmals hat der iranische Staat den Internetzugang seiner Bürger selektiv blockiert, z.B. zu internationalen Medien. Bei den Protesten im Jahr 2009 hatten sich das Internet und Social-Media-Dienste als wirkungsvolle Vernetzungs- und Dokumentationsmöglichkeiten für die oppositionellen Aktivisten erwiesen.

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