2022 soll in Deutschland der letzte Atommeiler vom Netz gehen. Zugleich soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von derzeit 20 Prozent auf mindestens 80 Prozent im Jahr 2050 steigen. So sieht es das Energiekonzept der Bundesregierung vor.
Zugpferd der Energiewende sind nach wie vor die erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse. Ihr Anteil am gesamten Endenergieverbrauch hat sich seit der Jahrtausendwende mehr als verdreifacht. 2012 lag der Anteil bei 12,6 Prozent.
Der Zuwachs der erneuerbaren Energien am Strommix bringt auch Herausforderungen mit sich: Produziert wird der klimafreundliche Strom hauptsächlich im Norden – allen voran durch Windkraft. Der Bedarf ist aber in den industriellen Ballungsgebieten in Süddeutschland am höchsten. Um den Strom bedarfsgerecht nach Süden transportieren zu können, müssen die häufig überlasteten Übertragungsnetze ausgebaut werden. Zudem sollen neue Erzeugungsanlagen vor allem dort entstehen, wo der Verbrauch am höchsten ist. Die Verteilung der Standorte ist aber politisch umstritten.
"Smart Grids" und Energiespeicher
Die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien soll künftig auch durch so genannte "Smart Grids" beherrschbarer werden. Mithilfe solcher "intelligenten Netze" soll das Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch besser koordiniert werden können.
Eine weitere Hoffnung der künftigen Stromversorgung verbindet sich mit Stromspeichern. Denn im Gegensatz zu fossilen oder nuklearen Kraftwerken speisen Solar- und Windkraftanlagen sehr unregelmäßig Strom in die Netze ein – doch in Spitzenzeiten oftmals mehr als diese abnehmen können. Der überschüssige Strom soll deshalb gespeichert werden, um ihn bei Bedarf wieder freisetzen zu können.
In Zukunft werden dazu größere Speicherkapazitäten erforderlich sein. Derzeit werden vor allem Pumpspeicherwerke als Stromspeicher genutzt, doch auch unterirdische Gasspeicher sind erfolgversprechend. In Spitzenangebotszeiten kann Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert werden. Die gespeicherte Energie könnte dann beispielsweise für den Mobilitätssektor genutzt werden.
Umstritten: Kohlekraftwerke
Alle neun in Deutschland noch betriebenen Atomkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Zusammen verfügen sie über rund zwölf Gigawatt elektrische Leistung. Um den nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie zu kompensieren und eine stabile Stromversorgung aufrecht zu erhalten, setzt die Bundesregierung neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin auf konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke. Bis 2020 will sie die Gesamtleistung fossiler Kraftwerke um bis zu zehn Gigawatt ausbauen. Der Anteil von Kohle an der Stromerzeugung könnte von derzeit über 40 auf etwa 50 Prozent steigen – eine Tatsache, an der sich vor allem Umweltverbände stören.
Laut Greenpeace waren Ende 2012 17 Kohlekraftwerke in Planung oder befanden sich im Bau, nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sank die Zahl bis April 2013 auf knapp über zehn. Die Umweltverbände kritisieren, dass Kohlekraftwerke deutlich mehr klimagefährdende Treibhausgase als andere Energieträger produzieren und ein gesundheitliches Risiko darstellen.
Sachverständigenrat: Fracking ist keine Lösung
Als Alternative befürworten Experten emissionsarme Gaskraftwerke. Da sich Gasanlagen flexibel hoch- und runterfahren lassen, ließen sie sich besser auf Schwankungen bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien einstellen. Allerdings sind die Gaspreise in Deutschland derzeit noch vergleichsweise hoch.
In diesem Zusammenhang wird auch das so genannte Fracking zur Öl- und Gasförderung kontrovers diskutiert. Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck tief ins Erdreich gepresst, um Öl oder Gas aus den Gesteinsschichten zu lösen. Umweltexperten befürchten bei Anwendung der Methode eine Verseuchung des Grundwassers und auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung zum Thema Fracking berät, kam jüngst zu dem Urteil, dass die Methode keine Vorteile für die Energiewende mit sich bringen würde.
Ebenfalls in der Kritik: Energiegewinnung aus Biomasse
Auch um den Energieträger Biomasse ist es leiser geworden. Biomasse-Anlagen gewinnen Energie aus der Verbrennung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Pflanzen (z.B. Mais, Raps, Zuckerrohr) und landwirtschaftlichen Abfallprodukten (z.B. Gülle). Angesicht steigender Lebensmittelpreise und Rohstoff-Spekulationen am Weltmarkt ist diese Form der Energiegewinnung verstärkt in die Kritik geraten. 2012 veröffentlichte die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, eine Studie zum Thema Bioenergie. Sie kam zu dem Fazit, dass Biomasse als Energiequelle für Deutschland keinen nachhaltigen Beitrag zur Energiewende leisten könne: Im Vergleich zu anderen Arten der klimafreundlichen Stromerzeugung wie der Photovoltaik, der Solarthermie und der Windenergie verbrauche Bioenergie mehr Fläche und sei häufig mit höheren Treibhausgasemissionen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden.
Energieeffizienz und -einsparung
Neben dem Ausbau klimafreundlicher Technologien ist auch die Energieeffizienz und -einsparung ein wesentlicher Pfeiler der Energiewende. Insgesamt ist der Energieverbrauch seit 2006 stetig gesunken: im Jahr 2011 lag er rund fünf Prozent unter dem Niveau des Vorjahres, 2012 stagnierte der Wert.
Bis 2020 soll der Primärenergieverbrauch um 20 Prozent gegenüber 2008 sinken, bis 2050 sogar halbiert werden. Zu diesem Ziel sollen unter anderem energetische Gebäudesanierungen, der Einsatz von Energiesparlampen in Haushalten und neue energieeffiziente Technologien in der Industrie beitragen.
Susanne Böhler-Baedeker, Florian Mersmann: Ein Ziel, viele Strategien - Klimapolitik in Deutschland
Interner Link: Claudia Kemfert: Die Energiewende birgt enorme Chancen