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Parlamentswahlen in Bulgarien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlamentswahlen in Bulgarien

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Bei der Parlamentswahl am Sonntag (12.5.) scheint die konservative Partei von Ex-Premier Bojko Borissow die meisten Stimmen erhalten zu haben. Zweitstärkste Kraft wurde die Sozialistische Partei. Manipulationsvorwürfe und ein Abhörskandal überschatteten den Urnengang.

(© picture-alliance/dpa)

Erst im Februar war Premierminister Bojko Borissow zurückgetreten und hatte damit vorgezogene Neuwahlen ermöglicht. Nun deutet alles darauf hin, dass er an die Macht zurückkehrt. Seine Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (GERB) hat laut vorläufigem amtlichen Endergebnis mit rund 31 Prozent die Wahl gewonnen. Die oppositionelle "Bulgarische Sozialistische Partei" (BSP) um ihren Vorsitzenden Sergei Stanischew kommt demnach auf etwa 27 Prozent. Mit etwa neun Prozent wird die "Bewegung für Rechte und Freiheiten" ins Parlament einziehen. Deren Wählerschaft setzt sich vorwiegend aus der türkischen Minderheit zusammen. Die rechtsextreme Partei Ataka wird mit rund acht Prozent vertreten sein. Insgesamt stellten sich 45 Parteien bzw. Bündnisse zur Wahl – 20 Parteien mehr im Vergleich zur Parlamentswahl 2009. Die absolute Mehrheit hat die GERB damit verfehlt und ist künftig auf einen Koalitionspartner angewiesen. Alternativ könnte sie ihren Kurs der vergangenen vier Jahre fortsetzen und als Minderheitsregierung die Geschicke Bulgariens in die Hand nehmen. Die Sozialistische Partei will einen erneuten Wahlsieg der konservativen GERB nicht anerkennen und spricht von Wahlbetrug, ebenso die bulgarische Staatsanwaltschaft: Am Vortag der Wahl hatte die Polizei 350.000 gefälschte Wahlzettel beschlagnahmt. In Sofia kam es unterdessen zu Protesten gegen eine Neuauflage der Regierung Borissow.

Bulgariens größte Protestbewegung seit 1989

Bulgarien steht damit vor einer schwierigen Regierungsbildung. Dies könnte die ohnehin angespannte Situation im ärmsten EU-Land noch einmal verschärfen. Anfang des Jahres hatten viele Bulgaren ihren Unmut über die wirtschaftliche Lage und gegenüber der politischen Elite bei Demonstrationen zum Ausdruck gebracht. Es kam zu Massenprotesten – den größten seit der Wende 1989. Die Protestbewegung kritisierte insbesondere die hohen Strompreise, die viele Menschen von ihren niedrigen Gehältern kaum bezahlen können. Während der Demonstrationen kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, im Umfeld der Proteste sogar zu Selbstverbrennungen. Als Reaktion auf die Gewalt verkündete Borissow im Februar seinen Rücktritt. Seither wird Bulgarien von einem "Expertenkabinett" regiert, das von dem Diplomaten Marin Rajkow geleitet wird.

Viele politische Beobachter werteten den Rücktritt des Premiers als taktischen Zug, denn die Popularitätswerte für Borissow und die GERB nahmen zu diesem Zeitpunkt deutlich ab. Borissow hatte Bulgarien einem strengen Sparkurs unterzogen, was ihm Lob aus Brüssel einbrachte: Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit des Landes sind niedrig. Mit einer Verschuldung von 16,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (2011, Eurostat) erfüllt das Land die Maastricht-Kriterien und liegt EU-weit an zweiter Stelle hinter Estland. Die Kehrseite: das Wirtschaftswachstum ist vergleichsweise gering, der Sparkurs hat die soziale Lage vieler Bulgaren weiter verschlechtert. 52 Prozent der bulgarischen Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Das Durchschnittseinkommen liegt bei knapp 400 Euro, die Renten sogar nur bei 100 Euro. Hinzu kommt, dass fast 30 Prozent der Jugendlichen unter 25 Jahren ohne Arbeit sind.

Bulgariens Watergate

In den vergangenen Wochen geriet Borissows ehemalige Regierung noch von anderer Seite unter Druck: Der frühere Innenminister und aktuelle Wahlkampfchef Zwetan Zwetanow soll jahrelang führende Politiker abgehört haben. Eine Untersuchungskommission der Staatsanwaltschaft bestätigte mittlerweile einen Großteil der Vorwürfe. Selbst von Borissow existiert ein Abhörprotokoll: Bulgarische Medien veröffentlichten die Aufnahme eines Gesprächs, in dem er mit dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Miroslaw Naidenow und dem Leiter der Sofiaer Staatsanwaltschaft Nikolaj Kokinow Möglichkeiten diskutiert, wie ein Korruptionsverfahren gegen Naidenow verhindert werden könne. Kokinow reichte daraufhin seinen Rücktritt ein. Und auch gegenüber Zwetanow wächst der Druck. Borissow selbst spielt die Vorwürfe gegen seine damalige Regierung herunter: Bei der Affäre handele es sich um eine Verleumdungskampagne gegen seine Partei. Nichtregierungsorganisationen und EU-Kommission hatten Bulgariens Regierung seit 2009 immer wieder mangelnden Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz vorgeworfen und Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit sowie im Kampf gegen Korruption kritisiert. Diese Kritik war einer der Gründe für den erneuten Aufschub des Beitritts Bulgariens in den Schengenraum.

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