Islands Minderheitsregierung aus sozialdemokratischer Allianz (Samfylkingin) um Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir und der Links-Grünen Bewegung (Vinstrihreyfingin – grænt framboð) könnten von den Fortschrittspartei und der Unabhängigkeitspartei abgelöst werden, die bis 2009 jahrelang regiert hatten. Meinungsumfragen sehen Sigmundur David Gunnlaugssons liberale Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn) mit etwa 28 Prozent vorne, gefolgt von der Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkur), die auf etwa 24 Prozent kommt. Sie ist die nach Mitgliederzahlen größte Partei Islands, an ihrer Spitze steht Bjarni Benediktsson. Bis Sigurðardóttirs Antritt hatte sie in Koalition mit der Fortschrittspartei 18 Jahre Island regiert und den Ministerpräsidenten gestellt.
Die "alten" Regierungsparteien stehen wieder in den Startlöchern
Nachdem die beiden Parteien bei der vorgezogenen Neuwahl 2009 große Stimmverluste hinnehmen mussten, könnten sie nun wieder eine Mehrheit im Parlament erreichen. Die Sozialdemokraten liegen den Umfragen zufolge mit rund 12 Prozent auf dem dritten Platz, die Grünen können mit etwa 9 Prozent rechnen. Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir tritt nicht erneut als Spitzenkandidatin an. Sie hatte verkündet, sich nach dem Ende ihrer Amtszeit aus der Politik zurückzuziehen. Insgesamt treten 15 Parteien zur Wahl an.
Islands Wahlsystem
Das isländische Parlament (Althing) besteht aus 63 Mitgliedern, die in sechs Mehrpersonenwahlkreisen nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Pro Wahlkreis werden acht bis zehn Abgeordnete gewählt, insgesamt sind es 54. Die restlichen neun Sitze dienen als Kompensationssitze für die Parteien, damit die Abgeordnetenzahl pro Partei in etwa proportional zur landesweiten Stimmenzahl der Partei ist. Hierfür werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der Stimmen erhalten haben. Bei den letzten Wahlen am 25. April 2009 schafften fünf Parteien den Einzug ins Parlament: Sozialdemokratische Allianz/Samfylkingin (19 Sitze), Linksgrüne Bewegung/Vinstrihreyfingin – grænt framboð (12 Sitze), Unabhängigkeitspartei/Sjálfstæðisflokkur (16 Sitze), Fortschrittspartei/Framsóknarflokkurinn (neun Sitze) und die im Zuge der Proteste wegen der Finanzkrise entstandene Bürgerbewegung/Borgarahreyfingin (drei Sitze). Vier Parlamentarier sind fraktionslos.
Das Althing geht bis ins Jahr 930 zurück und ist das älteste bestehende Parlament Europas.
Opposition kündigt Referendum zum EU-Beitritt an
Das Wahlergebnis hat auch Auswirkungen auf die EU-Beitrittsverhandlungen, die seit 2009 laufen. Die Regierung um Premierministerin Sigurðardóttir strebt den EU-Beitritt an, innenpolitisch ist er aber umstritten. Bis zur Wahl hat Island die Verhandlungen ausgesetzt und die jetzige Opposition plant, im Falle eines Wahlsieges die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen über eine Volksabstimmung erneut zur Disposition zu stellen. 2009 hatten die Isländer an einen EU-Beitritt und die Einführung des Euro die Hoffnung auf größere wirtschaftliche Stabilität geknüpft. Inzwischen aber hat sich ihre EU-Begeisterung aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage in Island und der Krise des Euro stark abgeschwächt. Mittlerweile spricht sich in den Umfragen eine Mehrheit gegen den Beitritt aus.
Die Folgen der wirtschaftlichen Krise dominieren noch immer den Wahlkampf
Die vergangenen Jahre wurden durch den Reformkurs der Regierung bestimmt. Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise stand Island 2009 bei Antritt der jetzigen Regierungskoalition kurz vor dem Staatsbankrott und noch immer sind viele Privathaushalte hoch verschuldet. Neben einer Bankenreform initiierte Premierministerin Sigurðardóttir ein umfassendes Stabilisierungs- und Reformprogramm, das vom einem Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der skandinavischen Länder flankiert wurde.
Inzwischen hat sich Island wirtschaftlich erholt und verzeichnete 2011 zum ersten Mal nach der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder ein reales Wachstum. Die Arbeitslosigkeit sinkt und das Land konnte sogar einen Teil Seiner Schulden beim IFW zurückzahlen. Trotz der positiven Entwicklungen hat das Vertrauen der isländischen Bevölkerung in ihre Regierung abgenommen. Grund ist vor allem der wegen des Sparprogramms gesunkene Lebensstandard. Auch der Umweltkurs der Regierung stößt auf Kritik, so wird der Koalition vorgeworfen den Ausbau der Energie- und Schwerindustrie blockiert zu haben. David Gunnlaugssons Fortschrittspartei griff die hohe Verschuldung der Privathaushalte im Wahlkampf auf. Er trifft mit der Idee eines Schuldennachlasses von 20 Prozent für die immer noch hoch verschuldeten Privathaushalte den Nerv der Isländer.