Laut ersten offiziellen Ergebnissen kommen Stammesvertreter und königstreue Kandidaten auf etwa 90 Prozent der 150 Sitze im Unterhaus. Etwa 1.400 Kandidaten hatten sich um einen Sitz im Unterhaus des jordanischen Parlaments beworben. Allerdings hat die größte Partei des Landes, die von der oppositionellen Muslimbruderschaft gegründete Islamische Aktionsfront (IAF), sowie verschiedene kleinere linke und liberale Gruppierungen nicht an der Wahl teilgenommen. Sie begründeten ihren Boykott damit, dass sie durch das Wahlgesetz benachteiligt würden. Auch viele Palästinenser, die etwa 50 Prozent der jordanischen Bevölkerung ausmachen, beteiligten sich nicht an der Wahl. Im Vorfeld hatten sich 2,3 Millionen Jordanier für die Wahl registrieren lassen, das sind gut zwei Drittel der insgesamt etwa 3 Millionen Wahlberechtigten. Nach Angaben der Regierung lag die Wahlbeteiligung bei 56,5 Prozent, der höchste Stand seit 1989 - trotz des Boykotts der Opposition.
Neues Wahlrecht
Die vorgezogenen Neuwahlen waren ein wichtiger Bestandteil der Reformen des haschemitischen Königs Abdullah II. Als Reaktion auf den Arabischen Frühling hatte dieser im Sommer 2011 eine Reihe von Reformen angestoßen: Ein Verfassungsgericht wurde ins Leben gerufen; die Kompetenzen der Sicherheitsgerichte, die in jüngerer Vergangenheit gegen Oppositionelle eingesetzt worden waren, eingeschränkt und eine unabhängige Wahlbeobachtung eingesetzt. Auch eine Reform des stark umstrittenen Wahlgesetzes wurde im Juli 2012 auf den Weg gebracht. Bislang hatten die Wähler nur eine Erststimme. Dieses Wahlsystem bevorzugte die königstreuen Kandidaten der lokalen Stämme.
Nach dem reformierten Wahlgesetz hatte bei der jetzigen Abstimmung nun jeder Wähler zwei Stimmen: eine Erststimme für einen Kandidaten des Wahlbezirkes und eine Zweitstimme für einen Kandidaten einer Parteiliste. Allerdings wurden nur 27 der 150 Sitze über die Zweitstimme nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt. 15 Sitze sind weiblichen Kandidaten vorbehalten. Aufgrund der fehlenden Wahlbeteiligung der Islamisten und weiterer Oppositioneller ist die Zusammensetzung des neuen Parlaments jedoch wenig repräsentativ.
Mehr Einfluss für das Parlament
Auf eine wesentliche Forderung der Opposition ging Abdullah II. wenige Tage vor der Wahl ein: Künftig sollen die Abgeordneten die Minister und den Regierungschef bestimmen dürfen - bisher war dieses Recht dem Monarchen vorbehalten. Allerdings soll sich das Parlament dafür mit dem Staatsoberhaupt abstimmen. Dies stößt bei der Oppositionellen auf Kritik. Sie fordern unter anderem einen Zeitplan, der regelt, wie und wann der König seine Macht schrittweise an das Parlament abgibt. Ferner kritisiert die Opposition, dass die prozentuale Verteilung der Sitze im Parlament nach wie vor die großen Stämme bevorteile.
Auch die vorangegangenen Wahlen im Jahr 2010 hatte die Muslimbruderschaft boykottiert - aus ähnlichen Gründen wie bei der jetzigen Wahl. Seit den 1990er-Jahren wurde die Macht der Islamisten sukzessive eingeschränkt, so dass sie jahrelang von der politischen Teilhabe gleichsam ausgeschlossen waren. Erst bei den Parlamentswahlen im Juni 2003 unter König Abdullah II. errangen die Islamisten wieder Sitze im Parlament. In den Folgejahren spitzte sich die Konfrontation zwischen Regime und islamistischer Opposition aber weiter zu.
Monarchie bisher nicht in Frage gestellt
Wie in weiten Teilen der arabischen Welt kam es auch in Jordanien im Zuge des Arabischen Frühlings zu einer Protestbewegung. Aber anders als in Tunesien, Ägypten, Libyen und dem Jemen, wo die Proteste zu einem Sturz der bisherigen Machthaber führten, verliefen die Demonstrationen vergleichsweise friedlich. Die Monarchie wurde bislang nicht in Frage gestellt. Dies liegt auch daran, dass das Königshaus von Beginn an auf Kooperation setzte und so den Konflikt entschärfte: Die Löhne im öffentlichen Sektor wurden erhöht und bereits beschlossene Subventionskürzungen wieder rückgängig gemacht. Als weitere Konzession an die Protestbewegung entließ Abdullah II. im Februar 2011 den als korrupt geltenden Premierminister Samir Rifai.
Bürgerkrieg in Syrien gefährdet Stabilität in Jordanien
Konfliktpotential droht noch von anderer Seite: Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien kamen nach UN-Angaben über 200.000 syrische Flüchtlingen nach Jordanien. Schon jetzt besteht etwa die Hälfte der 6,5 Millionen Jordanier aus palästinensischen Flüchtlingen aus Israel und dem Westjordanland. Auch Tausende Iraker leben in Jordanien. Sollten sich nun auch syrische Vertriebene auf lange Sicht in Jordanien niederlassen, könnte dies die Stabilität im Land weiter gefährden.