In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herrschen in Italien ähnliche politische Verhältnisse
Die wirtschaftliche und soziale Krise wird bald zu einer politischen - die alte Führungsschicht ist nicht in der Lage, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Auch die Opposition, die Sozialisten, sind gespalten und politisch gelähmt - sie verbindet lediglich ihre ablehnende Haltung gegenüber dem bürgerlichen Staat.
Gründungsversammlung der faschistischen Kampfverbände
In diesem Klima politischer und wirtschaftlicher Instabilität gründen sich landesweit nationalistische Gruppierungen, die politisch sehr heterogen sind. Unter Beteiligung Benito Mussolinis finden sich diese Splittergruppen am 23. März 1919 zur Gründungsversammlung der faschistischen Kampfverbände ("fasci di combattimento") ein. Die rechtsgerichteten Verbände von Kriegsteilnehmern eint die Forderung nach einer autoritären Ordnung und einer Revision der Friedensverträge zugunsten Italiens. Aus den Kampfverbänden wird später Mussolinis National-Faschistische Partei (ital.: Partito Nazionale Fascista, PNF) hervorgehen.
Der langsame Machtaufstieg der Faschisten
Die Faschisten sind zu Beginn - aber auch in späteren Jahren - politisch sehr heterogen, der frühe Faschismus ist eher "Glaube denn Programm", wie der Historiker Sven Reichardt feststellt: "Es war weder eine gemeinsame ökonomische Interessenlage noch eine in sich konsistente Ideologie, sondern vor allem eine im Gefühl begründete Einheit." Ihren Erfolg verdanken die Faschisten mehreren Faktoren: Anfangs leben sie vor allem von dem Terror ihrer Kampfverbände, den Squadren (Schwarzhemden), die auf Seiten der Landbesitzer gegen die Sozialisten kämpfen. Schon bald bringen die Faschisten ganze Regionen Italiens unter ihre Kontrolle und erproben dort ihre totalitäre Ordnung.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist auch Mussolini selbst. Er fungiert als Klammer des heterogenen Parteienspektrums, indem er die verschiedenen Interessen zu binden vermag. Im Laufe der Jahre wird der Personenkult um den "Duce", der vor dem 1. Weltkrieg noch Mitglied der Sozialistischen Partei Italiens (PSI) war, professionalisiert. Gezielt werden auch die Massenmedien als Propagandainstrument eingesetzt, um den Mythos und die Verherrlichung der Person Mussolinis zu inszenieren.
Politisch versteht es der ehemalige Journalist und Grundschullehrer, die bürgerlichen Parteien nicht gegen die Faschisten aufzubringen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die liberal-konservativen Parteien und die Faschisten einen gemeinsamen politischen Gegner haben: die Sozialisten. Am 15. Mai 1921 schaffen die Faschisten bei den Wahlen erstmals den Einzug ins Parlament, wo sie nun mit 35 Abgeordneten vertreten sind. Ermöglicht hat ihnen dies der damalige Ministerpräsident Giovanni Giolitti durch die Aufnahme der faschistischen Kandidaten in die Regierungsliste - Giolitti hofft dadurch, die "verlorenen Söhne" ins bürgerliche Lager zu integrieren. Seitdem werden die Faschisten immer erfolgreicher. Mussolini ist mittlerweile zum führenden Politiker der Faschisten aufgestiegen und wandelt die "fasci" in die National-Faschistische Partei um. Insgesamt vollzieht er eine deutliche Verschiebung nach rechts.
Der "Marsch auf Rom"
Im Sommer 1922 rufen die Sozialisten mit einem Generalstreik zur Abwehr des Faschismus auf, der jedoch scheitert. Viele sehen in den Faschisten das kleinere Übel, im Vergleich zu der "roten" Gefahr der Sozialisten. Mussolini nutzt diese ideologisch aufgeladenen Stimmung und droht mit einer Machtübernahme, die als "Marsch auf Rom" in die Geschichtsbücher eingeht: "Entweder wird uns die Regierung übertragen, oder wir nehmen sie uns durch einen Angriff auf Rom: Es ist jetzt die Sache von Tagen, vielleicht von Stunden", so Mussolini. Am 27. Oktober mobilisiert er seine Schwarzhemden und kündigt an, die italienische Regierung notfalls auch gewaltsam zu übernehmen. Die amtierende Regierung will Mussolini und seine Squadren aufhalten. Doch König Viktor Emanuel III. hält die Aufnahme der Faschisten in die Regierung für notwendig, um keinen Bürgerkrieg zu riskieren. Am Abend des 29. Oktober 1922 bestellt er Mussolini nach Rom ein, um ihn zum Ministerpräsidenten zu berufen. Bereits einen Tag später präsentiert Mussolini seine Regierung.
Der legendäre "Marsch auf Rom" hat somit niemals stattgefunden. Mussolinis Truppen sind vor der Stadt in Stellung gegangen und haben keinen einzigen Schuss abgegeben. Und der "Duce" ist erst am Morgen des 30. Oktober 1922 mit dem Nachtzug aus Mailand in Rom eingetroffen.
Italien auf dem Weg in die Diktatur
In den folgenden Jahren radikalisiert sich die Faschistische Partei und errichtet mit Mussolini an der Spitze eine totalitäre Diktatur. Wichtige Etappe auf diesem Weg ist die Schaffung des faschistischen Großrates im Dezember 1922. Das Gremium, an dessen Spitze Mussolini steht, definiert die Richtlinien der Politik und untergräbt damit langfristig das parlamentarische System. Im Juli 1923 wird das sogenannte Acerbo-Wahlgesetz verabschiedet: Demnach kann die stimmenstärkste Partei nun zwei Drittel der Parlamentssitze für sich in Anspruch nehmen. Das Gesetz kommt erstmals bei den Wahlen 1924 zum Tragen - die Faschisten erreichen die Zweidrittel-Mehrheit. 1926 beginnt eine weitere Etappe der Radikalisierung, die Italien endgültig in eine Diktatur verwandelt: alle Parteien mit Ausnahme der Faschisten werden verboten, Wahlen werden dementsprechend zur reinen Formsache. Die Pressefreiheit wird eingeschränkt und politische Gegner, allen voran Sozialisten und Kommunisten, werden verfolgt - flankiert durch den Terror der Squadren.
Den "Marsch auf Rom" und die anschließende Machtergreifung Mussolinis sieht der Historiker Hans Woller als Wendepunkt: "Er beendet die Ära des liberalen Italien, das vor allem seit der Jahrhundertwende große Fortschritte gemacht hatte und in puncto Industrialisierung, Modernisierung und Demokratisierung näher an West- und Mitteleuropa herangerückt war."
Annäherung an das nationalsozialistische Deutschland und Kriegseintritt Italiens
Mit
Mit der Landung alliierter Truppen auf Sizilien am 10. Juli 1943 wird das Ende der faschistischen Herrschaft eingeleitet. Mussolini wird wenige Wochen später vom "Großen Faschistischen Rat" abgesetzt und am 11. Juli 1943 auf Befehl von König Viktor Emanuel III. verhaftet. Neuer italienischer Ministerpräsident wird Pietro Badoglio, der die faschistische Partei auflöst. Deutsche Fallschirmtruppen befreien Mussolini aus seiner Gefangenschaft und bringen ihn zu Hitlers Hauptquartier "Wolfsschanze". Mit deutscher Hilfe versucht Mussolini ein letztes Mal die Herrschaft in Nord- und Mittelitalien an sich zu reißen: In einer Rundfunkansprache in München ruft er die "Soziale Republik Italien" im norditalienischen Salò aus. Als Folge erklärt die süditalienische Regierung unter Badoglio am 13. Oktober dem Deutschen Reich den Krieg. Die Westmächte erkennen Italien daraufhin als Verbündeten an. Mussolini versucht noch mit der antifaschistischen Widerstandsbewegung (Resistenza) zu verhandeln, scheitert jedoch. Am 28. April 1945 wird der "Duce" auf der Flucht nach Deutschland von Partisanen zusammen mit seiner Geliebten Clara Petacci in Giuliano di Mezzegra (Comer See) erschossen. Italien beendet den Krieg im Mai 1945 auf der Seite der Alliierten.
Bernhard Schmid: Italiens rassistische Fanatiker