Über die 110 Mandate entscheiden 7,1 Millionen registrierte Wähler in einem zweistufigen Wahlverfahren: Gewinnt kein Kandidat in einem Wahlkreis die absolute Mehrheit (mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen), entscheidet eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Belarussen können sich zur Wahl stellen, wenn sie mindestens 21 Jahre alt sind und nicht strafrechtlich belangt wurden. Unabhängige Kanditaten müssen zudem mindestens 1.000 Unterschriften wahlberechtigter Unterstützer sammeln.
Das Repräsentantenhaus hat allerdings kaum Einflussmöglichkeiten, da das politische System in Belarus auf die Macht von Präsident Alexander Lukaschenko und seiner Regierung zugeschnitten ist. So müssen Gesetzentwürfe den zuständigen Ministerien vorgelegt werden, bevor sie eingebracht werden. Zudem wird die Zustimmung der ersten Kammer des Parlaments benötigt, die der Präsident kontrolliert und dessen Mitglieder teilweise direkt von ihm ernannt werden. Der Präsident kann zudem auch ohne Zustimmung des Parlaments Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Der autoritär regierende Lukaschenko steht seit mittlerweile 18 Jahren an der Spitze des Landes.
Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erfüllten weder die Parlamentswahlen 2004 und 2008, noch die Präsidentschaftswahlen 2001, 2006 und 2010 demokratische Standards, also keine Parlaments- oder Präsidenschaftswahl seit Beginn der Beobachtermissionen 2001. Andere internationale Beobachter gehen davon aus, dass zuletzt die Wahlen von 1996 frei und fair abliefen.
122 Bewerber von der Teilnahme ausgeschlossen
Für die anstehende Wahl haben die Wahlbehörden prominente Oppositionelle nicht zugelassen. Beispielsweise wird dem früheren Präsidentschaftskandidaten Alexander Milinkewitsch wegen formaler Fehler bei der Registrierung die Teilnahme verwehrt. Milinkewitsch bezeichnete die Entscheidung als politisch motiviert.
In einem Zwischenbericht zur anstehenden Wahl stellt die OSZE fest, dass 122 Personen eine Kandidatur verweigert worden ist. Insgesamt treten noch 364 Bewerber an.
Behinderung von Berichterstattung und Wahlbeobachtung
Im Vorfeld der Wahl behinderten belarussische Offizielle eine unabhängige Berichterstattung und die Beobachtung des Urnengangs. Am 18. September nahm die Polizei in Minsk mehrere belarussische und internationale Journalisten vorübergehend fest und hinderte sie so daran, über eine Veranstaltung von Oppositionellen zu berichten.
Kein Visum erhielten die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Grüne) und ein litauischer Parlamentarier, die zur Wahlbeobachtung nach Minsk reisen wollten.
Menschenrechtsverletzungen und Sanktionen der EU
In Folge der Präsidentschaftswahl Ende 2010 war es zu Großdemonstrationen gekommen, auf die das Regime mit Repression reagierte. Die EU verschärfte daraufhin ihre Sanktionen gegen Belarus. So wurden beispielsweise Einreisesperren für etwa 200 führende Repräsentanten des Staates ausgesprochen. Ferner verhängte der Rat der Europäischen Union im Juni 2011 ein Waffenembargo und ein Exportverbot für Geräte, die zur Unterdrückung dienen können.
Die Organisation Amnesty International listet in ihrem aktuellen Jahresbericht eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen in Belarus auf und wirft dem Regime neben massiven Einschränkungen der Meinungs- Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit auch Folter und unfaire Gerichtsverfahren vor. In Belarus ist die Todesstrafe nicht abgeschafft. 2011 wurden zwei Männer hingerichtet und zwei Todesurteile verhängt.
Eberhard Schneider: Juniorpartner Russlands – Belarus