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Debatte um Bioenergie und Lebensmittelpreise

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Verschärft der Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung eine mögliche Lebensmittelkrise? Die Debatte wird kontrovers geführt. Angesichts der schlimmsten Dürreperiode in den USA seit Jahrzehnten warnen Experten vor steigenden Preisen für Getreide. Die Erzeugung von Biosprit steht in der Kritik.

Vertrocknete Maisplanzen in Bennington. (© picture-alliance/AP)

Im Mittleren Westen der USA hat die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten zu massiven Ernteausfällen bei Weizen, Soja und Mais geführt. Die Vereinigten Staaten sind weltweit der größte Produzent und Exporteur von Mais - fast die Hälfte der gesamten Ausfuhren kommt aus den USA. In der Folge sind die Preise für das Getreide in den vergangenen Wochen auf ein Rekordhoch geklettert; und auch Weizen ist teurer geworden. Der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), José Graziano da Silva, wies in der Zeitung "Financial Times" auf die verstärkte Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Treibstoffproduzenten bei der Maisverarbeitung hin. Diese könnte durch die schlechte Ernte in den Vereinigten Staaten verschärft werden, mit möglicherweise drastischen Preissteigerungen als Konsequenz. Da Silva forderte die US-Regierung auf, die Verarbeitung von Mais zu Treibstoff auszusetzen, um die Marktsituation zu entspannen.

Die globale Biodieselproduktion hat sich zwischen 2006 und 2010 fast verdreifacht

Weltweit werden nach Schätzungen der FAO auf rund 30 Millionen Hektar Energiepflanzen angebaut - das sind ca. zwei Prozent der weltweiten Ackerfläche. Energiepflanzen nennt man Agrarprodukte, die der Energiegewinnung dienen. Neben Verbrennung und Vergärung (in Biomasse-Kraftwerken) bedeutet das in erster Linie Treibstoffproduktion: Man unterscheidet hier zwischen Biodiesel, der aus Ölpflanzen wie Raps hergestellt wird, und Bioethanol, das durch Vergärung von zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen gewonnen wird. Zurzeit werden mehr als fünf Prozent der globalen Getreideernte zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung machen Biokraftstoffe rund 3 Prozent des weltweiten Kraftstoffverbrauchs im Transportsektor aus. Dabei hat sich die globale Biodieselproduktion zwischen 2006 und 2010 fast verdreifacht, die Bioethanolproduktion verdoppelt.

Welchen Einfluss hat Bioenergie auf die Lebensmittelpreise?

Die FAO warnt angesichts der zu erwartenden Ernteausfälle vor weiteren Preissteigerungen für Mais, Zucker und Ölfrüchte aufgrund der Biotreibstoffgewinnung. Neben Klima und Energiepflanzen spielt auch die verstärkte Nachfrage von Fleisch- und Milchprodukten eine Rolle bei der Getreidepreisbildung. In China, Indien und auch Deutschland steigt die Fleischproduktion. Dabei wird Getreide verfüttert, das folglich nicht mehr auf dem Markt angeboten wird - der Preis steigt. Die Aussicht auf steigende Preise könnte zudem Spekulanten anziehen, die nach profitablen Anlagemöglichkeiten für die derzeit reichlich vorhandene Liquidität suchen. Dadurch können Teuerungen im Nahrungsmittelsektor verstärkt werden.

Die Situation in Deutschland

In Deutschland wurde 2011 rund 19 Prozent der Ackerfläche (etwa 2,28 Millionen Hektar) für den Anbau von Energiepflanzen genutzt. Der Treibstoffanteil von Biodiesel und Bioethanol im Verkehrssektor lag im vergangenen Jahr bei 5,6 Prozent. Die EU sieht vor, dass diser Anteil EU-weit bis zum Jahr 2020 zehn Prozent betragen soll.

Viele Landwirte hierzulande haben in den vergangenen Jahren in Anbau und Verwertung von Energiepflanzen investiert. Insbesondere die Produktion für Biogasanlagen hat stark zugenommen. Ein Grund für diese Entwicklung ist im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) zu sehen, das elektrischen Strom aus Biomasse für den Zeitraum von 20 Jahren nach Inbetriebnahme der Anlage finanziell fördert.

Pro und Contra Energiegewinnung aus Nutzpflanzen

Befürworter der Bioenergie sehen in ihr einen Grundpfeiler der Energiewende, der die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und den CO2-Ausstoß reduzieren soll. Bioenergie wird gemeinhin als CO2-neutral eingestuft, da bei der Bildung von Biomasse durch Photosynthese prinzipiell genausoviel CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen wird wie bei der Verbrennung freigesetzt wird. Weiterhin seien die Rohstoffe zur Erzeugung von Bioenergie wie beispielsweise Holz, Pflanzenöl oder Biogas speicherbar und damit gut kalkulierbar - im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energieformen wie Wind und Sonne.

Kritiker des Anbaus von Pflanzen für die Energiegewinnung verweisen in erster Linie auf den damit entstehenden Bedarf an Anbaufläche. Neben der Konkurrenz zwischen Energie- und Nahrungsmittelproduktion argumentieren sie mit den negativen Effekten von Brandrodung und Monokulturen in Folge des steigenden Flächenbedarfs, also steigende CO2-Emissionen, Artensterben sowie ein verstärkter Einsatz von Dünger und Pestiziden.

Auch wird argumentiert, dass bei der Energiegewinnung aus gängigen Energiepflanzen der Wirkungsgrad sehr gering sei. Hinzu kommt der zur Treibstoffproduktion notwendige Energieeinsatz, der Effizienz und CO2-Bilanz weiter verschlechtere.

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