Im Vorfeld des Referendums am Donnerstag (31. Mai) hat Irlands Premier Enda Kenny von der Regierungspartei Fine Gael die Bevölkerung seines Landes dazu aufgerufen, den Fiskalpakt zu unterstützen. Der Vertrag sei Teil der Lösung der irischen Finanzprobleme. Gegen eine Zustimmung argumentiert insbesondere die Oppositionspartei Sinn Féin. Sie kritisiert die mögliche Festschreibung einer Sparpolitik in der Verfassung.
Irland ist das einzige Land, das eine Volksabstimmung über den Fiskalpakt abhält. In den vergangenen Jahren hatte die irische Bevölkerung die EU-Verträge von Nizza und Lissabon in Referenden jeweils zunächst abgelehnt, ihnen später dann aber doch zugestimmt. Anders als bei den beiden EU-Reformverträgen kann ein irisches Nein das Inkrafttreten des Fiskalpakts in anderen Ländern nicht stoppen. Es kann allerdings den Zugang des Landes zu weiteren europäischen Hilfskrediten erschweren: Ohne Ratifizierung bekommt Irland kein Zugriffsrecht auf den neuen Euro-Rettungsschirm ESM. Die derzeitigen Hilfsprogramme laufen nur noch bis Ende 2013.
Irland in der Finanzkrise
Die Finanzkrise hat Irland besonders hart getroffen: Im Dezember 2010 musste das Land als erster Staat Geld aus dem Euro-Rettungsschirm beantragen. Damals retteten 67,5 Milliarden Euro Irland vor dem Staatsbankrott: aus Mitteln von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank. Seitdem haben die Iren mehrere Sparhaushalte hinnehmen müssen. Die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent, die Arbeitslosigkeit gehört mit 14,5 Prozent zu den höchsten in ganz Europa.
Der Fiskalpakt
Der Fiskalpakt war Anfang März 2012 von den 17 Staaten der Euro-Zone und von acht weiteren EU-Mitgliedern als zwischenstaatlicher Vertrag zur Verschärfung der nationalen Haushaltskontrolle geschlossen worden. Er soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.
Besonders Deutschland und Frankreich hatten ursprünglich auf eine Änderung der EU-Verträge gedrängt, um die Maßnahmen in allen 27 EU-Staaten zu verankern. Dagegen hatte jedoch Großbritannien im Dezember 2011 ein Veto eingelegt, so dass der Fiskalpakt außerhalb des bestehenden EU-Rahmens geschlossen wurde. Als zweites EU-Land neben Großbritannien ist Tschechien nicht dabei.
Nationale Schuldenbremsen
Kern des Fiskalpaktes sind nationale Schuldenbremsen. Angestrebt werden nahezu ausgeglichene Haushalte. Das jährliche strukturelle Staatsdefizit eines Landes darf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen.
Mitgliedstaaten, die ihre Schuldenbremse nicht strikt genug umsetzen, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und eine Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Automatische Sanktionen gegen Defizitsünder
Ferner kann die EU künftig Staaten automatisch bestrafen, die zu hohe Haushaltsdefizite aufweisen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht vor, dass Staaten die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefizits auf drei Prozent ihres BIP und den Stand ihrer Gesamtverschuldung auf 60 Prozent ihres BIP begrenzen müssen. Bislang musste die Aufnahme eines Sanktionsverfahrens bei Verletzung der Stabilitätskriterien mit qualifizierter Mehrheit der EU-Staaten beschlossen werden. Nun soll das Sanktionsverfahren automatisch starten und nur mit einer qualifizierten Mehrheit der EU-Finanzminister gestoppt werden können.
Stand der Ratifizierung
Bisher haben Griechenland, Portugal, Slowenien und Rumänien den Fiskalpakt ratifiziert. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat zustimmen – jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Daher braucht die Koalition die Unterstützung von Teilen der Opposition. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben Zustimmung signalisiert, stellen jedoch Bedingungen.
Kritik am Fiskalpakt in seiner aktuellen Form kommt auch vom neu gewählten französischen Präsidenten François Hollande, der nicht bloß sparen will, sondern auch über schuldenfinanzierte Investitionsprogramme das Wachstum stimulieren möchte.