Im Mittelpunkt der Gipfel-Beratungen steht der für Ende 2014 geplante Abzug der Nato-Kontingente aus Afghanistan. Zu diesem Zeitpunkt wird das Nato-Engagement im Land aber voraussichtlich nicht vollständig enden, so dass Art und Umfang des Einsatzes auch danach für Diskussionen sorgen werden. Derzeit sind etwa 130.000 Soldaten aus 50 Ländern als Teil der Nato-geführten internationalen Truppe ISAF in Afghanistan im Einsatz. Zuletzt hatte der afghanische Präsident Hamid Karzai einen zügigen Abzug der ausländischen Truppen gefordert - obwohl die Sicherheitslage im Land angespannt bleibt.
An der ISAF-Mission in Afghanistan sind alle 28 Nato-Mitglieder beteiligt. Nicht alle Partner sind mit dem Abzugstermin Ende 2014 einverstanden. So plant etwa der neugewählte französische Präsident François Hollande einen Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan bis Ende 2012.
Die deutsche Bundeswehr ist mit circa 4800 Soldaten im Norden Afghanistans stationiert. Am 10. Mai hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zum bevorstehenden Nato-Gipfel abgegeben. Sie sagte, Afghanistan könne sich über 2014 hinaus auf die internationale Staatengemeinschaft verlassen.
Auch auf der Konferenz der G8-Staaten in Camp David, die sich terminlich mit dem Nato-Gipfel überschneidet, wird es um das Afghanistan-Engagement gehen. Die G8-Staaten USA, Kanada, Russland, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Japan sind für etwa 80 Prozent der zivilen Hilfe für Afghanistan verantwortlich.
Raketenabwehr trotz russischer Einwände
Neben Afghanistan steht der seit Jahren zwischen Nato und Russland umstrittene Aufbau eines Systems zur Raketenabwehr auf der Gipfel-Agenda. Die Nato hält an ihren Plänen für einen Raketenschild fest, der Schutz vor Raketen aus dem Iran bieten soll. Russland sieht seine Sicherheit durch das Projekt bedroht und hat massive Vorbehalte geäußert. So hat der er russische Generalstabschef Nikolai Makarow zuletzt auf einer Sicherheitstagung in Moskau gewarnt, Russland könne mit der Stationierung neuer Abwehrraketen und sogar einem Erstschlag gegen Nato-Einrichtungen reagieren.
Militärbündnis im Wandel
Seit dem Ende des Kalten Krieges befindet sich die Nato im Wandel. Die Koalition zur Verteidigung der Territorien der Bündnispartner ist zunehmend zum globalen Interventionsbündnis geworden. Auf ihrem Gipfel 2010 in Lissabon haben die 28 Nato-Staaten zudem eine Strategie verabredet, die auch Problemlagen umfasst wie den internationalen Terrorismus, Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Energiesicherheit oder die Abwehr von Cyberangriffen. Derzeit ist eine Umstrukturierung der Organisation im Gange: Die Zahl der Hauptquartiere wird von elf auf fünf verringert. In Deutschland wird in diesem Zusammenhang das NATO-Streitkräftekommando in Heidelberg geschlossen. Außerdem wird es in Zukunft statt 14 nur noch drei Nato-Agenturen geben, die Unterstützungsaufgaben für das Bündnis abwickeln: Stellen für Beschaffung, für Nachschub und für Kommunikation.
Deutschlands Rolle in der Nato
Deutschland ist das nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft zweitgrößte NATO-Mitglied nach den Vereinigten Staaten. In zentralen NATO-Missionen wie in Afghanistan und im Kosovo gehört Deutschland zu den größten Truppenstellern. Am Nato-Einsatz in Libyen 2011 hat sich Deutschland nicht beteiligt und sich bei der entsprechenden Abstimmung im UN-Sicherheitsrat enthalten.