Europa gehört zur Alltagserfahrung seiner Bürgerinnen und Bürger. Dabei wird Europa eher unbewusst erlebt als tiefgründig reflektiert und diskutiert. Dies geschieht in unterschiedlichen Situationen und auf verschiedenen Ebenen.
Dazu gehören beispielsweise:
Europameisterschaften in verschiedenen Sportarten;
der Eurovision Song Contest;
europaweite Demonstrationen für eine nachhaltige Klimapolitik;
Ferienerlebnisse zwischen Kanarischen Inseln und Mittelmeer, zwischen Nordkap und Ostsee, an der Atlantikküste, auf den Azoren und am Schwarzem Meer;
Reisen ohne Grenzkontrollen und ohne Geldumtausch im Euroraum;
Austauschprogramme wie ERASMUS+, die Studierenden einen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat ermöglichen;
Telefonieren ohne Roaminggebühren;
Onlinehandel und Social Media;
die europäische Datenschutz-Grundverordnung;
europäische Qualitätsstandards auf Lebensmitteletiketten;
die Europaflagge zwischen Nationalflaggen an öffentlichen Plätzen und Gebäuden;
der Euro mit seinen landestypischen Euromünzen;
Europol und das Schengen-Abkommen;
Europas Beiträge zur Spitzenforschung: die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) und die Europäische Südsternwarte (ESO);
die Tatsache, dass europäische Richtlinien in viele innerstaatliche Politikbereiche eingreifen, etwa in die Agrar-, Regional-, Verkehrs-, Umwelt- sowie Wettbewerbspolitik;
das Bemühen um den Beitritt weiterer Staaten zur EU sowie das Abwickeln von Austritten;
die Europawahlen, die alle fünf Jahre die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Projekt Europa fordern und entsprechende Kenntnisse voraussetzen;
die Europäische Kommissions- und Ratspräsidentschaft;
Europa als globaler politischer Akteur.
Auch Privatleute, gesellschaftliche Organisationen, Unternehmen sowie politische Institutionen aller Ebenen verknüpfen konkrete Erwartungen mit dem Zusammenwachsen Europas und an die Gestaltungskraft der europäischen Institutionen.
Dazu gehören:
die Wahrung der Menschenrechte und Diskriminierungsschutz für alle in Europa lebenden Menschen;
ökonomisches Wachstum, soziale Sicherung und Arbeitsplätze mit Zukunft;
der Ausgleich der Wohlstandsunterschiede zwischen Regionen und Gesellschaftsschichten;
der Schutz vor Umweltproblemen und Gesundheitsrisiken;
wirksamer Schutz gegen internationale Konkurrenz und Negativauswirkungen der Globalisierung;
die Harmonisierung des Asylrechts, gemeinsame Steuerung der Zuwanderung;
gemeinsame Lösung der Probleme bei der Integration von Zugewanderten;
Sicherheit nach innen sowie nach außen.
Diesen Erwartungen an Europa stehen im öffentlichen Diskurs immer wieder Ressentiments und Ängste gegenüber. Auch Politikverdrossenheit hat eine starke europäische Komponente. In den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger steht Europa für Bürokratie, Bevormundung und Bürgerferne. Erwartungen und Befürchtungen sind in den Köpfen von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern präsent und fordern die Schule heraus.
An die Alltagserfahrungen von Jugendlichen lässt sich in der Schule jedoch erfolgreich anknüpfen, zumal diese "Europa" als Idee und Perspektive trotz der häufig beklagten Bürokratie und Bürgerferne positiv sehen; so beurteilen 43 Prozent der Jugendlichen die EU positiv und 7 Prozent sehr positiv; nur 7 Prozent haben ein negatives EU-Bild. Vor allem Freizügigkeit, kulturelle Vielfalt und der Beitrag Europas zum Frieden werden betont (18. Shell-Jugendstudie, Bonn 2019, S. 15 f.).