Einleitung
Die rassische Verfolgung von "Zigeunern" im Nationalsozialismus konnte nahtlos an Konzepte und Maßnahmen zur Ausgrenzung dieser Minderheit anknüpfen, die in Deutschland bereits eine lange Tradition besaßen. Nach 1945 diente die Bezugnahme auf den bereits vor 1933 praktizierten behördlichen Rassismus zur Legitimation fortgesetzter Diskriminierung und wurde nicht zuletzt zur Abwehr von Entschädigungsansprüchen für nationalsozialistische Verfolgung herangezogen.
Angelehnt an das pädagogische Menschenbild der Aufklärung bildete in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert die Forderung nach "Seßhaftmachung der Zigeuner" in den einschlägigen Erlassen und Verordnungen geradezu ein Leitmotiv. Die fürsorgerechtlichen Rahmenbedingungen führten aber in der Praxis dazu, dass die einzelnen Gemeinden in der Regel versuchten, zuziehende Zigeuner so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Die nach der Reichsgründung herausgegebenen Erlasse zielten in erster Linie auf die Ausweisung ausländischer Zigeuner sowie die Erschwerung einer reisenden Lebensweise bei inländischen Zigeunern. Sie behielten auch während der Weimarer Republik Gültigkeit. Ende der 1920er Jahre erfolgte insoweit eine Radikalisierung, als durch die Einführung von Sonderausweisen eine lückenlose Erfassung der Zigeuner zur neuen Leitvorstellung aufrückte.
Nationalsozialistische Rassenpolitik
Bereits unmittelbar im Anschluss an die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 gerieten Zigeuner verstärkt ins Blickfeld der Behörden. Die Repression zielte zunächst nach wie vor in erster Linie auf Vertreibung. Dennoch deutete sich schon früh eine Verschiebung der Gewichtung bei der Definition des anvisierten Personenkreises und der zu ergreifenden Maßnahmen an. Seit dem Kaiserreich waren nahezu alle einschlägigen Bestimmungen gleichermaßen gegen die ethnischen Gruppen der Sinti und Roma und die sozial gefasste Gruppe aller Fahrenden gerichtet, in der Praxis aber war wegen der Unmöglichkeit, beide voneinander zu unterscheiden, in erster Linie die Lebensweise zum Kriterium für die Anwendung der Zigeunerbestimmungen gemacht worden.
Nach der Machtübernahme setzten Planungen für ein "Reichszigeunergesetz" ein, die eine rassische Unterscheidung zwischen "echten und unechten Zigeunern" vorsahen, bestehende Vorschriften verschärfen und Sonderbestimmungen schaffen sollten, die nur auf "echte Zigeuner" zielten. Das "Reichszigeunergesetz" wurde zwar nie erlassen, stattdessen aber am 6. Juni 1936 ein "Erlaß zur Bekämpfung der Zigeunerplage", der die bereits in der Weimarer Republik geltenden Bestimmungen zusammenfasste und zugleich dringenden Handlungsbedarf signalisierte. Inhaltlich brachte der Erlass nichts Neues, allerdings wurde der betroffene Personenkreis nun als "das dem deutschen Volkstum fremde Zigeunervolk" deutlich rassistisch gefasst.
Parallel zur Diskussion um das "Reichszigeunergesetz" wurde bis Mitte der 1930er Jahre damit begonnen, eine Reihe von bevölkerungspolitischen Maßnahmen umzusetzen, die Zigeuner zu Objekten einer scheinbar wissenschaftlich begründeten, rassistischen Verfolgung werden ließen. Die Anzahl der nach dem Anfang 1934 in Kraft getretenen "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" zwangssterilisierten Zigeuner lag deutlich höher als beim Durchschnitt der Bevölkerung und erfolgte meist mit der auf soziale Ausmerzung zielenden Diagnose "angeborener Schwachsinn". Auch wenn bei der Umsetzung der Sterilisationsgesetzgebung bereits ein anthropologischer Rassismus zum Tragen kam, so sollten ab Herbst 1935 durch das "Ehegesundheitsgesetz" und das "Blutschutzgesetz" Ehe- und Fortpflanzungsbeschränkungen ausdrücklich auf "Artfremde" ausgedehnt werden. Obwohl mit Nachdruck auf das Verbot von Eheschließungen zwischen "Deutschblütigen" und Zigeunern hingewiesen wurde, waren die Standesbeamten in der Praxis außerstande festzustellen, ob einer der Heiratswilligen als Zigeuner zu betrachten sei.
Konzentration
Vor dem Hintergrund der rassistischen Neudefinition der Zigeuner ging die Initiative für erste ausgrenzende Maßnahmen von den Kommunalverwaltungen aus. Seit Mitte 1935 wurde, ausgehend von einer Initiative der Stadt Köln, damit begonnen, Zigeuner zwangsweise in umzäunten und bewachten Lagern am Rand der Städte zu konzentrieren. Angelehnt an das Kölner Modell wurden 1936 in Berlin, Frankfurt/Main und Magdeburg und 1937 in Düsseldorf, Essen, Kassel und Wiesbaden Zigeunerlager eröffnet; die Gründung weiterer kommunaler Zwangslager in verschiedenen Städten schloss sich an. Durch die Konzentration von Zigeunern konnten nicht nur teilweise anfallende Mietbeihilfen eingespart, sondern wirkungsvoll reduzierte "Zigeunersätze" in der Fürsorge durchgesetzt werden. Die Auszahlung wurde meist von der Ableistung von Pflichtarbeit abhängig gemacht, wonach Unterstützungszahlungen nur gegen Arbeitsleistung gewährt wurden. Die Heranziehung zur Pflichtarbeit und nicht zuletzt die immer massivere Behinderung selbständiger Berufsausübung zwangen immer mehr Zigeuner, eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter aufzunehmen.
Seit September 1933 war eine Berufsausübung auf kulturellem Gebiet von der Mitgliedschaft in einem der Reichskulturkammer unterstellten Berufsverband abhängig. Bereits im Herbst 1935 begann die auch für Artisten zuständige Reichstheaterkammer mit dem systematischen Ausschluss von "Nichtariern", und um die Jahreswende 1937/38 begann auch die Reichsmusikkammer damit, Zigeuner auszuschließen. Nicht wenige blieben ohne Erlaubnis in ihren Berufen tätig, liefen nun jedoch Gefahr, deswegen kriminalisiert zu werden.
Der Polizei kam eine immer bedeutendere Rolle bei der Erzwingung der Aufnahme lohnabhängiger Beschäftigungen durch Zigeuner zu. Mit dem im Dezember 1937 in Kraft getretenen sogenannten "Asozialenerlaß" bekam sie ausdrücklich die Kompetenz, Zigeuner in ein Konzentrationslager einzuweisen. Der Erlass regelte die schon seit 1933 gegen "Berufsverbrecher" angewandte "polizeiliche Vorbeugungshaft", einer von der Kriminalpolizei veranlassten, unbefristeten Inhaftierung in Konzentrationslagern, und dehnte diese auf "Asoziale" aus. Mit der Begründung, der "Asozialenerlaß" sei nicht mit der erforderlichen Schärfe umgesetzt worden, wurde im Juni 1938 eine als Aktion "Arbeitsscheu Reich" bezeichnete Verhaftungsaktion angeordnet, während der reichsweit etwa 10.000 Personen in Konzentrationslager eingewiesen wurden.
Bei keiner anderen Gruppe waren die Kriterien für eine KZ-Einweisung derart niedrig angesetzt wie bei Zigeunern, die bereits verhaftet werden konnten, wenn sie nur eine einzige Vorstrafe hatten oder Gelegenheitsarbeiter waren. Allerdings wiesen die festgenommenen Zigeuner im Unterschied zu den meisten übrigen Verhafteten kaum Vorstrafen auf. Außerdem war der größte Teil der als "arbeitsscheu" inhaftierten Zigeuner tatsächlich erwerbstätig, allerdings nicht lohnabhängig, sondern als selbständige Gewerbetreibende, wobei es sich durchweg um Tätigkeiten handelte, die eng mit einer reisenden Lebensweise verknüpft waren. Im Gegensatz zu "deutschblütigen" Personen wurde nur ein kleiner Teil der in "Vorbeugungshaft" genommenen Zigeuner wieder aus dem Konzentrationslager entlassen. Der größte Teil der während der Aktion "Arbeitsscheu Reich" verhafteten Zigeuner blieb inhaftiert, da im Juni 1940 die Fortdauer der Haft für alle Juden und Zigeuner angeordnet wurde.
Erfassung
Eine wesentliche Voraussetzung für die Radikalisierung der Verfolgungsmaßnahmen bildete die seit 1936 forcierte Zentralisierung des Polizeiapparates. Mit der Bildung des Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) im September 1936 wurden Kriminalpolizeistellen mit der Führung und Koordination kriminalpolizeilicher Fragen innerhalb eines bestimmten Bezirkes betraut und zur Koordination und Anleitung übergeordnete Kriminalpolizeileitstellen geschaffen.
Durch den "Runderlaß zur Bekämpfung der Zigeunerplage" vom 8. Dezember 1938 wurden detaillierte Vorgaben für eine reichsweite Erfassung aller "seßhaften und nichtseßhaften Zigeuner" sowie aller "nach Zigeunerart umherziehenden Personen" gegeben. Als zentrale Erfassungsinstanz war im RKPA die Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens geschaffen worden. Für die regionale Zentralisierung wurden nun bei den Kriminalpolizeileitstellen "Dienststellen für Zigeunerfragen" eingerichtet, die im Hinblick auf eine zunächst vor allem auf Erfassung und Identifizierung zielende Ausrichtung dem polizeilichen Erkennungsdienst angegliedert wurden. Das vorrangige Ziel der im Erlass angeordneten flächendeckenden Erfassung war zunächst die eindeutige Identifizierung jedes einzelnen Zigeuners, aber auch der Familienzusammenhänge, anhand derer Widersprüche aufgedeckt werden sollten. Durch Personenfeststellungsverfahren sollten sämtliche Angaben zur Person und Staatsangehörigkeit mit Hilfe vorhandener Ausweispapiere, zuverlässiger Erkennungszeugen und amtlicher Eintragungen überprüft werden, wobei die Betroffenen ihre deutsche Reichsangehörigkeit durch Urkunden nachzuweisen hatten. Gelang ihnen das nach Auffassung der "Dienststelle für Zigeunerfragen" nicht, wurden sie zu Staatenlosen erklärt.
In den Ausführungsanweisungen zum "Runderlaß" wurde zudem angeordnet, reichsweit Sonderausweise für "Zigeuner", "Zigeunermischlinge" und "nach Zigeunerart umherziehende Personen" auszugeben. Ihre Funktion bestand nicht nur darin, Zigeuner bei Kontrollen zu identifizieren; insbesondere bei Behördenkontakten wurden sie damit als solche erkennbar und infolgedessen gesondert erfasst. Da im "Runderlaß" beabsichtigt worden war, "bei der endgültigen Lösung der Zigeunerfrage die rassereinen Zigeuner und die Mischlinge gesondert zu behandeln", sollte die Feststellung darüber, "ob es sich um Zigeuner, Zigeunermischlinge oder nach Zigeunerart umherziehende Personen" handele, durch ein Gutachten der Rassenhygienischen Forschungsstelle (RHF) erfolgen. Zu den Zielen dieser im Frühjahr 1936 gegründeten und dem Reichsgesundheitsamt angegliederten Einrichtung gehörte es, die biologische Bedingtheit von "Asozialität" exemplarisch an den im Reich vermuteten rund 30.000 Zigeunern wissenschaftlich nachzuweisen. Daneben hatte sie die Aufgabe, ein Instrumentarium zu entwickeln, welches Aufschluss darüber geben sollte, wer als Zigeuner zu gelten habe, da diese, anders als Juden, nicht ohne weiteres über Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft identifizierbar waren. Von der RHF wurden Zigeuner gleichermaßen rassenanthropologisch als "Fremdrasse" und rassenhygienisch als erbliche "Asoziale" definiert.
Ausgehend von den als am "reinrassigsten" definierten Zigeunern, die noch vorwiegend nomadisierten, ihre Sprache am reinsten sprächen und die sich am strengsten an ihre Sitten und Gesetze hielten, sollten Genealogien erhoben werden. So sollte es möglich sein, nicht nur alle "stammechten Zigeuner", sondern auch "alle Mischlinge aufzudecken und zu erfassen". Dem Leiter der RHF Robert Ritter zufolge waren weit mehr als 90 Prozent aller als Zigeuner geltenden Personen keineswegs "stammechte Nomaden indischer Herkunft", sondern "Mischlinge", die ihre Partner unter Menschen "minderwertiger Herkunft" gefunden hätten, weshalb noch unter entfernten Nachkommen ein sehr hoher Prozentsatz an "Asozialität und Kriminalität" zu finden sei.
Die "Zigeunerfrage", so wurde daher geschlossen, sei "vorwiegend ein Mischlingsproblem". Alle "Zigeuner, Zigeunermischlinge und nach Zigeunerart umherziehenden Personen" wurden verpflichtet, "Angaben über ihre Abstammung" zu machen und sich einer "rassenbiologischen Untersuchung" zu unterziehen. Die Feststellung der "Abstammung" diente dabei zugleich der Kriminalpolizei dazu, noch nicht erfasste Zigeuner festzustellen, aber auch der RHF, die diese Angaben für ihre separate Erfassungstätigkeit benötigte. Die in Verhören und bei der Auswertung von Akten und Kirchenbüchern durch die RHF gewonnenen Informationen wurden im "Zigeunersippenarchiv" im Reichsgesundheitsamt in verschiedenen Karteien erfasst und zu "Sippentafeln" kombiniert. In erster Linie diente das Archiv dazu, "gutachterliche Äußerungen" zu erstellen, die von der Kriminalpolizei als Grundlage für die Anordnung von Verfolgungsmaßnahmen benötigt wurden. Dabei wurde jeder als Zigeuner definiert, der "blutmäßig aus einem Zigeunerstamm hervorgegangen ist", um "auch den rückgekreuzten Mischling als Zigeuner gelten zu lassen". Diese im Vergleich zur juristischen Definition von Juden wesentlich radikalere Vorgehensweise wurde mit der angeblichen Existenz einer besonders "arbeitsscheuen" und "asozialen" "Zigeunermischlingspopulation" begründet.
Deportation
Während bis Ende der 1930er Jahre eine Radikalisierung der Zigeunerverfolgung im Wesentlichen durch lokale Vorstöße erfolgt war, gingen mit der Etablierung der Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens im RKPA und verstärkt seit Kriegsbeginn die maßgeblichen Impulse in der Zigeunerverfolgung zunehmend von der neugeschaffenen Zentrale aus. Mit dem im Oktober 1939 erlassenen "Festsetzungserlaß", dem Verbot eines Ortswechsels für Zigeuner bei Androhung einer Einweisung ins KZ, verfügten die "Dienststellen für Zigeunerfragen" erstmals über ein wirksames Kontrollinstrument.
Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurden die Maßnahmen auf eine bevölkerungspolitische Gesamtlösung der "Zigeunerfrage" ausgerichtet, die nach der Schaffung des Generalgouvernements in einem Teil des besetzten Polen als realisierbar erschien. Die Deportation aller etwa 30.000 Zigeuner aus dem Reich in ein für die Aufnahme von Juden und Zigeunern vorgesehenes Gebiet zwischen Bug und Weichsel wurde zur zentralen Option nationalsozialistischer Zigeunerpolitik. Diese von Heinrich Himmler und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) angestrebte Gesamtlösung scheiterte an den durch erste Massenumsiedlungen geschaffenen Problemlagen vor Ort, aber auch am Widerspruch des Generalgouverneurs Hans Frank. Für Mai 1940 wurde daher zunächst die Deportation von 2.500 Zigeunern aus den westlichen und nordwestlichen Grenzgebieten des Reiches angeordnet. In den Morgenstunden des 16. Mai 1940 wurde überall mit der Verhaftungsaktion und der Zusammenfassung der Zigeuner in den Sammellagern in der Fruchthalle im Hamburger Hafen, der Köln-Deutzer Messe sowie dem Hohen Asperg, einer Zweigstelle des Zuchthauses Ludwigsburg, begonnen.
Den "Richtlinien für die Umsiedlung von Zigeunern" zufolge sollten erkrankte Zigeuner oder solche, die aus anderen Gründen Schwierigkeiten im Falle einer Deportation erwarten ließen, vom Abtransport verschont bleiben. Diese Bestimmungen wurden jedoch weitgehend ignoriert; vereinzelt wurden sogar Personen deportiert, die später als "Nichtzigeuner" eingestuft wurden. Offenbar wurden bevorzugt Arbeitsunfähige für den Abtransport ausgewählt. Bevor schließlich etwa 2.800 Zigeuner am 21. und 22. Mai 1940 in Güter- und Personenzüge verladen wurden, mussten sie eine Erklärung unterschreiben, wonach sie im Falle unerlaubter Rückkehr sterilisiert und in ein KZ eingewiesen werden würden.
Für die in das Generalgouvernement deportierten Zigeuner waren durch das RSHA keine Pläne, sondern lediglich vage Vorgaben entwickelt worden: Sie wurden auf einzelne Distrikte verteilt, sollten zur Arbeit eingesetzt und an der Rückkehr gehindert werden. Weder waren Unterkünfte vorbereitet, noch war die Frage anfallender Kosten geregelt. Seit Mitte 1941 wurden die Zigeuner zunehmend in Ghettos konzentriert, wo sie unter elenden Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten und auch in die Vernichtungsaktionen gegen jüdische Insassen einbezogen wurden. Trotz der angedrohten Sanktionen versuchten annähernd zehn Prozent der Deportierten aufgrund der lebensbedrohlichen Situation im Generalgouvernement zurück ins Reich zu gelangen. Solche Rückkehrversuche verliefen jedoch meist erfolglos, da die Kriminalpolizei in der Regel sofort mit KZ-Einweisungen reagierte.
Isolation
Eine qualitative Veränderung der Zigeunerpolitik setzte mit einem Anfang August 1941 von der RHF eingeführten Klassifikationsschema ein, das eine verbindliche Definition der als Zigeuner zu fassenden Personen vornahm. Mit in kurzer Abfolge erlassenen Sonderbestimmungen für nahezu alle Lebensbereiche wurde der Status von Zigeunern dem von Juden angepasst.
Durch das RKPA wurde ein Verbot unehelicher Lebensgemeinschaften mit dem Ziel der vollständigen "Rassentrennung" verschärft gegen Zigeuner angewendet und so der gegen Juden gerichteten Praxis der "Rassenschande" angeglichen. Durch Androhung oder Anordnung von "Vorbeugungshaft" setzte die Kriminalpolizei in der Regel eine Trennung von Liebesbeziehungen zwischen "Deutschblütigen" und "Zigeunern" durch. Infolge der Kriminalisierung von ehelichen und nichtehelichen Beziehungen wurde darüber hinaus bereits 1942 damit begonnen, außergesetzliche Sterilisationen an Zigeunern zu erzwingen.
Durch die im März 1942 erfolgte Ausdehnung der arbeitsrechtlichen Sonderbestimmungen für Juden und Polen auf Zigeuner verschlechterte sich ihre Situation drastisch: Arbeitszwang, "Rassentrennung" am Arbeitsplatz, erhebliche Lohneinbußen und fehlende Schutzvorschriften lieferten sie der Willkür von Unternehmen und Kriminalpolizei vollständig aus. Der systematische Ausschluss von Zigeunern aus allen Massenorganisationen wie Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienst oder Luftschutzwarndienst in den Jahren 1941 und 1942 verschärfte ihre gesellschaftliche Isolation. Vor allem durch ihren Ausschluss aus der Wehrmacht verloren Zigeuner einen für ihren Status bedeutsamen gesellschaftlichen Rückhalt.
Vernichtung
Im Kontext der im Herbst 1942 weit voran geschrittenen "Endlösung der Judenfrage" fällte Himmler am 16. Dezember 1942 die Entscheidung, den größten Teil der noch im Deutschen Reich lebenden Zigeuner nach Auschwitz deportieren zu lassen. Als vorbereitende Maßnahme war im Herbst die Einsetzung von "Zigeunersprechern" erfolgt, die damit betraut wurden, "Sippen reinrassiger Zigeuner" zusammenzustellen. Die "Sprecher" sollten die "reinrassigen Zigeuner" darüber aufklären, dass sie "in Zukunft eine gewisse Bewegungsfreiheit" erhielten und "einer arteigenen Beschäftigung nachgehen" könnten. Die Kriterien für die Aufnahme in diese Gruppe waren aber derart restriktiv, dass ohnehin nur das engste familiäre Umfeld der "Sprecher" in Frage kam. Mit der Einsetzung der "Zigeunersprecher" gelang es dem RKPA, durch Einbindung angesehener Vertreter der Minderheit in den Selektionsprozess eine Entsolidarisierung der im Reich lebenden Zigeuner zu erreichen. Nicht mehr als 200 bis 300 Menschen im Reich blieben als "reinrassige Zigeuner" von einer Einweisung nach Auschwitz verschont, mussten aber dennoch bis Kriegsende um ihr Überleben bangen.
Bei der Auswahl der Deportationsopfer im Frühjahr 1943 war für bestimmte Gruppen wie die Roma und die "Sippen westbalkanischer Bärenführer" allein die über sie ausgestellte "Rassendiagnose" der RHF ausschlaggebend. In den übrigen Fällen verfügte die Kriminalpolizei über erheblichen Ermessensspielraum, und da es keinerlei Zahlenbegrenzung gab, wurde versucht, so viele Zigeuner wie möglich zu deportieren. Durch das RKPA wurden die Familien bewusst nicht auseinandergerissen, um mögliche Widerstände gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Zigeuner wurden in einen Teil des im Dezember 1942 neuerrichteten Lagerabschnitts in Auschwitz-Birkenau eingeliefert, der nach Beginn der Deportationen als "Zigeunerfamilienlager" in Betrieb genommen wurde. Jede der 32 Baracken war völlig überbelegt, so dass sich jeweils zehn Menschen eine Pritsche teilen mussten und sich unter diesen Bedingungen zahlreiche Epidemien verbreiteten. Innerhalb weniger Monate starben mehr als 10.000 Insassen an Hunger, Seuchen, Misshandlungen oder medizinischen Experimenten.
Vermutlich im April 1944 traf Himmler nach Rücksprache mit dem Kommandanten von Auschwitz Rudolf Höß die Entscheidung, die arbeitsfähigen Häftlinge im Zigeunerfamilienlager auszusondern und die übrigen vergasen zu lassen. Nachdem ein Teil der Zigeuner in andere Konzentrationslager verlegt worden war, wurden die verbliebenen Insassen des Zigeunerfamilienlagers in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 in die Gaskammern getrieben. Dabei versuchten sie offenbar, der SS nach Kräften Widerstand entgegenzusetzen. Aber auch fast jeder Dritte der in andere Lager überstellten Zigeuner wurde nach kurzer Zeit wieder zurück nach Auschwitz verlegt und dort ermordet. Von den ungefähr 30.000 Zigeunern, die nach Auschwitz deportiert worden waren, überlebten nur ungefähr 3.000.
Nach der Deportation nach Auschwitz konzentrierte sich die Kriminalpolizei auf die meist unauffällig in "Mischehen" lebenden Zigeuner, die seit 1943 zunehmend ins Fadenkreuz der Erfassungsinstanzen geraten waren. Fast die Hälfte dieser Familien wurde durch die Deportation getrennt, wobei die Zurückgebliebenen von Zwangssterilisation bedroht oder betroffen waren. Die vollständige Durchsetzung der beabsichtigten Sterilisierung nichtdeportierter Zigeuner scheiterte an der kriegsbedingten Desorganisation, aber auch am Widerstand Betroffener.
"Wiedergutmachung"
Von den in Ghettos und Konzentrationslagern verschleppten Zigeunern überlebten nur 4.000 bis 5.000 die Vernichtung. Die zurückkehrenden Personen waren auf besondere Fürsorge angewiesen, weshalb auf Anordnung der alliierten Militärregierung in jeder Gemeinde gesonderte Betreuungsstellen einzurichten waren. In den westlichen Besatzungszonen wurde außerdem die Zahlung von Entschädigung an NS-Opfer durch deutsche Behörden veranlasst. Als entschädigungswürdig galten die Verfolgung aus rassischen, politischen oder religiösen Gründen, während die KZ-Haft bei Kriminellen als legitime Form der Verbrechensbekämpfung gewertet wurde. Durch die Entschädigungsbehörden wurden auch als "Asoziale" inhaftierte Menschen nicht als NS-Verfolgte eingestuft.
Zur Prüfung, ob unberechtigte Personen Hilfen oder Entschädigung beantragten, begannen die Ämter bereits früh damit, Anträge auf Anerkennung als NS-Verfolgte der Kriminalpolizei zuzuleiten. Im Rahmen dieser Kooperation wurden zum Teil vormalige Beamte der "Dienststellen für Zigeunerfragen", die nach 1945 mit dem Wiederaufbau der polizeilichen Sondererfassung von Zigeunern befasst waren, nun zu Gutachtern über den Charakter ihrer eigenen Verfolgungsmaßnahmen während des Nationalsozialismus. Kaum überraschend gaben die NS-Täter zu Protokoll, dass die Antragsteller nicht aus rassischen Gründen, sondern wegen "Asozialität" inhaftiert worden seien, und konnten so Entschädigungszahlungen an ihre Opfer wie auch eine strafrechtliche Würdigung ihrer eigenen Beteiligung am Völkermord verhindern.
Die Absicht, möglichst wenig staatliche Mittel für Entschädigungen aufzuwenden, führte bei den zuständigen Behörden zur Etablierung von Leitkonzepten, die eng mit antiziganistischen Vorurteilen verwoben waren. So war beispielsweise in Baden-Württemberg im Februar 1950 durch Erlass festgestellt worden, dass die Zigeuner "überwiegend nicht aus rassischen Gründen", sondern wegen ihrer "asozialen und kriminellen Haltung" inhaftiert worden seien. Entschädigungsanträge von Zigeunern wurden daher in der Regel abgelehnt, jedoch beschritt ein kleiner Teil der Betroffenen den Rechtsweg, wodurch die Frage der Anerkennung der NS-Zigeunerverfolgung von der Amtsebene auf die Justiz überging. Trotz nicht immer einheitlicher Rechtsprechung etablierte sich bis Mitte der 1950er Jahre eine Urteilspraxis, die alle vor dem "Auschwitz-Erlass" ergriffenen Maßnahmen gegen Zigeuner nicht als rassische Verfolgung erachtete.
In den 1954/1955 veröffentlichten Kommentaren zum "Bundesentschädigungsgesetz" (BEG) wurden alle Verfolgungsmaßnahmen aus der Zeit vor März 1943 als legitime Sicherheitsmaßnahmen interpretiert, da die den Zigeunern "eigene Eigenschaften" wie "Asozialität", Kriminalität und "Wandertrieb" ihre Bekämpfung veranlasst hätten. Anfang 1956 wurde die Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, eine rassische Verfolgung der Zigeuner erst ab März 1943 anzunehmen, durch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) sanktioniert und festgeschrieben. Anderslautende Urteile wurden bis Ende 1963 regelmäßig von höheren Instanzen kassiert. Dennoch wurde durch Land- und Oberlandesgerichte immer wieder abweichend über die Verfolgungsgründe geurteilt und mit dem BGH intensiv über die Frage gestritten, was unter rassischer Verfolgung zu verstehen sei.
Ende 1963 erfolgte durch den BGH eine teilweise Revision seines Grundsatzurteils von 1956, wobei nun festgestellt wurde, dass für die Verfolgung der Zigeuner seit 1938 "rassenpolitische Beweggründe mitursächlich" gewesen seien. Die meisten Entschädigungsverfahren von Sinti und Roma waren jedoch bereits durch unanfechtbare Bescheide oder rechtskräftige Urteile abgeschlossen. Dem wurde im "Bundesentschädigungsschlussgesetz" von 1965 Rechnung getragen, da Zigeunern, deren Anträge aufgrund der früheren BGH-Rechtsprechung zurückgewiesen worden waren, ein Neuantragsrecht für Verfolgungsschäden zugestanden wurde, die in der Zeit vom 8. Dezember 1938 bis zum 1. März 1943 entstanden waren. Ein Neuantrag war jedoch unzulässig, wenn die Tatsache einer Freiheitsentziehung angezweifelt oder eine Freiheitsentziehung aus rassischen Gründen auch für die Zeit nach dem 1. März 1943 bestritten worden war. Ein Neuantragsrecht wurde auch dann nicht zugestanden, wenn Betroffene erst gar keinen Entschädigungsantrag gestellt hatten, weil sie aufgrund der BGH-Rechtsprechung ohnehin mit einer Ablehnung rechnen mussten.
Während des Nationalsozialismus war die zugleich soziografisch und ethnisch gefasste Ausgrenzung von "Zigeunern" in Kaiserreich und Weimarer Republik in eine zugleich rassenanthropologisch und rassenhygienisch begründete Verfolgung übersetzt worden, die daher hinsichtlich des anvisierten Personenkreises eine besondere Radikalität entfaltete und unter den Bedingungen des Krieges in einen arbeitsteiligen Völkermord kulminierte.
Die weit zurück reichenden Traditionslinien der Ausgrenzung von Zigeunern und der Umstand, dass im Nationalsozialismus nicht die nach 1945 als verbrecherische Organisation erachtete Gestapo, sondern die Kriminalpolizei die Maßnahmen gegen Zigeuner umsetzte, hatte nach Kriegsende zur Folge, dass den Opfern dieser Minderheit die Anerkennung ihrer Verfolgung verwehrt wurde und die Begründungen hierfür überdies die Grundlage für fortgesetzte Diskriminierungen in der Bundesrepublik schufen.
* Der Text wurde ursprünglich in der Reihe 'Aus Politik und Zeitgeschichte' (APuZ 22-23/2011) veröffentlicht.