Hollywood symbolisiert seit über 100 Jahren das metaphorische Zentrum der U.S. amerikanischen Film-, TV- und seit neuestem auch digitalen Medienwirtschaft. Da lediglich die Studios von Paramount, RKO und Columbia ihre Filmgelände im geografischen Stadtteil Hollywood besaßen, während Universal Studios und Warner Brothers im San Fernando Valley und 20th Century-Fox bzw. Metro-Goldwyn-Mayer im Westen von Los Angeles hausen, existiert Hollywood als solches vor allem im kollektiven Bewusstsein der Konsumenten. Hollywood ist der imaginäre Ort, an dem Träume Gestalt annehmen, die Traumfabrik der Welt und doch auch nur das Synonym für einen lukrativen Wirtschaftszweig der USA, die Filmwirtschaft.
Anfänge
Bereits 1906 begannen die ursprünglich an der Ostküste angesiedelten U.S. amerikanischen Filmgesellschaften in den Wintermonaten in Los Angeles zu drehen. D.W. Griffith stellte dann im Jahre 1910 als erster Filmproduzent komplett Filme an der Westküste her. Die ersten Filmemacher waren - so der Mythos - nach Kalifornien gekommen, um den Filmmonopolisten der Motion Picture Patents Company zu entkommen und hier nach eigenem Gutdünken zu drehen. Kalifornien bot dabei den Vorteil, daß man, wenn nötig, schnell über die Grenze nach Mexiko verschwinden konnte. Tatsächlich lockte das verläßlich gute Wetter, das viele Licht und die verschiedenartigen Topographien.
Bereits nach relativ kurzer Zeit, in den 1920er Jahren, erreichte das Produktionssystem des klassischen Hollywoods seine ausgereifte Form. Während Filmvorführungen in der Frühzeit, gleich nach der Erfindung des Films, lediglich als Nummernprogramm im Varieté gezeigt wurden, entstanden parallel zur Genese des Produktionssystems Hollywood auch in den 1910ern die ersten großen Kinopaläste. Das Programm, nun bestehend aus einen Haupt- und Nebenfilm, einer Wochenschau, einen Lehrfilm bzw. Reisefilm und einem Zeichentrickfilm, wurde direkt von der Filmproduktionsgesellschaft über einen eigenen Verleih ans eigene Kino geliefert - Absatz garantiert. Schnell etablierte sich die Filmwirtschaft mit der Umsiedlung der Filmproduktion nach Hollywood in einer oligopolistischen Struktur, bestehend aus Filmproduktion, -verleih und Kinoketten. Die erste vertikal organisierte Filmfirma war "Paramount-Famous-Players", die im Jahre 1919 gegründet wurde, gefolgt von Loew´s-Metro, die sich 1924 in Metro-Goldwyn-Mayer umbenannte. Diese vertikal strukturierten wirtschaftlichen Einheiten konkurrierten horizontal nur scheinbar, da die grossen Filmgesellschaften ihre Geschäfte im geheimen absprachen. In den 1920er Jahren vollendete Hollywood seinen Siegeszug durch die ganze Welt. Die kalifornische Filmwirtschaft konnte, im Gegensatz zu den Europärern, Filme als Massenware produzieren, sie durch eigene Verleiher und Kinos im Binnenmarkt vertreiben, bzw. amortisieren und dann zu Billigpreisen auf dem Weltmarkt schleudern.
Klassische Filmcodes
Der Diskurs über Hollywood ist seit jeher mit einer romantischen Mythologie vermengt, weil die in Hollywood produzierte "Ware" aus fiktionalen Erzählungen, Lust und verführischen Bildern besteht. Filmbilder transportierten die Zuschauer aus der realen Welt ins Reich des Mythos, in der die Begierde des Rezipienten angesprochen wurde. Jahrzehnte bevor der Begriff der Dienstleistungsindustrie die Runde machte, bot Hollywoods Filmindustrie Leistungen statt Güter an und war damit ein Vorbote des nachindustriellen Dienstleistungszeitalter des späten 20. Jahrhunderts.
Schon im Jahre 1917 hatte Hollywood eine Filmästhetik institutionalisiert, deren visuelle und verbale Erzählweise stark von Stilisierung und Genrekonventionen zehrte und heute durch den Begriff "klassischer Hollywood Stil" wissenschaftlich festgelegt ist. Im Gegensatz zum europäischen Kunstfilm wird im klassischen Hollywood-Film die Rezeption gesteuert, in dem der Zuschauer durch Filmtechnik und Narration in die Handlung integriert und somit die bewusste Erfahrung der Filmrezeption verschleiert wird. Übersetzt auf die Filmtechnik heisst das, man entwickelte ein System des unsichtbaren Schnitts zwischen den Filmeinstellungen, um somit einen ununterbrochenen Fluß der Bewegung zu erzeugen. Für Hollywoods Kameraleute und Schnittmeister gab es eine ganze Reihe von Regeln. Der klassische Hollywoodstil verlangte, daß sich die Motivation der handelnden Personen, sowie die Logik der Geschichte den Konventionen der Filmgenres und der Filmstars unterordnete. Das Ziel: Die komplexe Natur der Wirklichkeit sollte außen vor bleiben. John Wayne drehte Western, Judy Garland agierte in Musicals und Joan Crawford tobte in Melodramen. Ein dramatischer Bogen von der Exposition zur Entstehung eines Konfliktes bis zur Resolution in einem Happy End charakterisierte jede Filmhandlung.
Auch das sogenannte "Star System" hatte sich in den frühen 1910er Jahren entwickelt, in der rasanten Gründungsphase Hollywoods. Es stellte sich bald heraus, daß Filmstars, viel eher als Handlungen, Filme für das Publikum attraktiv machten. Bis zum Ende der Dekade wuchs die Bedeutung der Stars dermassen an, dass Berühmtheiten wie etwa Mary Pickford, Douglas Fairbanks und Charles Chaplin es sich erlauben konnten, ihre eigene Produktionsfirma, nämlich die United Artists (1919) zu gründen.
Selbstszensur
Schon in der Frühzeit des Kinos hatten verschiedene staatliche und private Instanzen versucht, eine Zensur über das Kino auszuüben. Um diesen Initiativen vorzubeugen und eine Zensur auf nationaler Ebene zu verhindern, führte die Filmwirtschaft ihre eigene, interne Vorzensur ein, mit dem im Jahre 1922 gegründeten Motion Picture Production "Hay´s Büro," welches unter der Leitung von Joseph Breen in den 1930er Jahren von der katholischen Kirche dominiert wurde. Danach bevorzugte Hollywood ausschließlich hetero-sexuelle Liebesgeschichten im Zentrum seiner Filmfiktionen, um jeglicher politischen und sozialkritischen Kontroverse aus dem Wege zu gehen. Die Ausklammerug des Politischen war zudem eine Frage des Gesetzes: Im Jahre 1916 hatte das U.S. amerikanische Oberste Gericht bestimmt, daß die Produktion und der Vertrieb von Filmen ein Geschäft sei und deswegen nicht durch das im Grundgesetz verankerte Recht der Redefreiheit geschützt sei. Erst Anfang der 1970er Jahre wurde diese Entscheidung widerrufen und führte zu einer Liberalisierung des im Film sichtbaren politischen und sexuellen Inhalts. Heute übernimmt ein Organ der Motion Picture Association of America (MPAA), der Lobbyorganisation der sechs großen Studios, eine inhaltliche Kontrolle in einem sogenanten Rating-System, das Filme nach ihrer Tauglichkeit für bestimmte Altersgruppen organisisert.
Zerschlagung und Konsolidierung
Während der Zeit des klassischen Hollywoodkinos durften die großen Filmgesellschaften unvorstellbare Profite ernten. Obwohl das U.S. amerikanische Justizministerium seit den 1920er Jahren versuchte hatte, gegen diese Firmen wegen monopolistischer Praktiken vorzugehen, konnte es erst durch das im Jahre 1947 ausgehandelte sogenannte "Paramount Consent Decree" das Monopol der Filmwirtschaft brechen. Doch ohne den garantierten Absatz im eigenen Kinopark konnten die grossen Filmstudios mit ihren Stars und Regisseuren nicht mehr profitabel produzieren, die Fixkosten waren zu hoch. In Folge gingen zuerst Produktionen Übersee, dann wurden die riesigen Studiogelände zerstückelt und als Immobilien verkauft. Filmproduktionen selber wurden nun als "Packages", als Pakete bestehend aus Stars, Drehbuch und Regisseur von geschickten Agenten verhandelt. Studios wurden angemietet und zur Finanzierung eines einzelnen Filmes wurden jeweils temporäre Firmen gegründet.
Obwohl Hollywood fast zwei Jahrzehnte lang versuchte, seine Vormachtstellung wieder zu etabliern, erreichte es erst Anfang der 1980er durch die Bildung von multimedialen Konglomeraten sein Ziel. Als Führungsfigur des "neuen Hollywoods" galt Studioboss Lew Wasserman, dem es gelang, Universal zur wichtigsten Medienfirma der 1970er zu führen, in dem er alle Langzeitverträge abschaffte, Produzenten zwang, auf eigenes Risko zu drehen, sein Filmgelände an die Produzenten vermietete und Universals Kapital nur in den Vertrieb der fertigen Filme investierte.
Video, Digitalisierung und Konglomerate
In den 1980er Jahren stellten sich die Studios schnell auf neue Verleihformen des Films um, vor allem auf Video und später DVD, während die Zuschauerzahlen in den Kinos sanken. Mit Beginn des neuen Jahrhunderts hatten die Einnahmen im elektronischen Bereich bereits bei weitem die der Kinokassen überflügelt, eine Entwicklung, die eine weitere Umstrukturierung Hollywoods beschleunigte. Sony, der japanische Gigant im Elektromarkt, kaufte Columbia-TriStar sowie das Filmgelände der alten Metro-Goldwyn-Mayer in Culver City, um damit direkten Zugang zur "Software" für seine Endgeräte zu haben. Viacom, ursprünglich ein Kabelanbieter, der CBS-TV kontrollierte, kaufte sowohl Paramount als auch die größte amerikanische Videoladenkette "Blockbuster". Disney erwarb ABC-TV. News Corporation des Großverlegers Rupert Murdoch erwarb die 20th Century-Fox und baute Fox Television zu einem wichtigen TV Sender auf. Warner Brothers wurde von der Internetgesellschaft AOL erworben. Universal Studios wurde im Jahre 2004 von General Electric gekauft, die bereits den zweitgrößten TV-Sender, NBC, besaßen.
Diese Konglomerate beherrschen nun sämtliche öffentliche Kommunikationsmedien in Amerika, wenn nicht gar auf der ganzen Welt, ob Zeitungen oder Radionachrichten, ob Buch- und Zeitungsverlage, ob Film- oder TV-Produktion, ob Kabel- oder Internetanbieter, sie kontrollieren die Satellitenkommunikation, ebenso wie Videospiele, die Broadway Theater ebenso wie die Reklamewirtshaft, die Freizeitparks und die Wahlpropaganda. Die Hollywoodbosse der 20er Jahre hätten sich nicht einmal im Traum eine Vorstellung von der Macht der neuen Mediengesellschaften machen können. Es bleibt abzuwarten, in wieweit eine demokratische Gesellschaft die Macht dieser neuen Medienherren standhalten kann oder ob Hollywood den mündigen Bürgern die Freiheit durch Freizeit eintauscht.