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Klimaanpassung und Klimaschutz | Klimawandel | bpb.de

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Klimaanpassung und Klimaschutz Zwei Seiten derselben Medaille?

Steven März Lena-Katharina Peter

/ 6 Minuten zu lesen

Der Klimawandel zeigt bereits heute seine negativen Auswirkungen. Es gilt sich daran anzupassen. Gehen beim notwendigen Umbau unserer Gemeinden, Infrastrukturen und Unternehmen Klimaschutz und Klimaanpassung Hand in Hand, bieten sich enorme Potenziale unseren Alltag und unser Wirtschaften lebenswerter und nachhaltiger zu gestalten.

Zwei Feuerwehrmänner schließen im Rahmen einer Kontrolle eines der Schutztore in der Hochwasserschutzmauer an der Mulde in Grimma. Am 13. August 2002 überflutete die Mulde die sächsische Altstadt in einer Höhe von bis zu dreieinhalb Metern. Ein Mensch starb, 45 Häuser wurden zerstört, die Schäden wurden auf etwa 250 Millionen Euro beziffert. Nun schützt eine mit immensem Aufwand errichtete Hochwasserschutzanlage die Stadt. (© picture-alliance/dpa, Jan Woitas)

Während die internationale Staatengemeinschaft, aber auch viele Kommunen, seit mehreren Jahrzehnten aktiven Klimaschutz betreiben, rückte das Thema Klimaanpassung erst in den letzten Jahren verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Externer Link: Europäische Kommission bezeichnet Klimaanpassung als "taking action to prepare for and adjust to both the current effects of climate change and the predicted impacts in the future" - "Maßnahmen zu ergreifen, um sich auf die gegenwärtigen Auswirkungen des Klimawandels und die für die Zukunft vorhergesagten Folgen vorzubereiten und sich darauf einzustellen".

Die Definition macht deutlich, dass Klimaschutz (mitigation) und Klimaanpassung (adaptation) keinesfalls Gegenspieler im Sinne eines Entweder-oder sind. Vielmehr braucht es beide Strategien, um unseren Planeten so zu erhalten, damit ein gutes und nachhaltiges Leben auch zukünftig möglich ist.

Klimaschutz sollte dabei immer Priorität haben. Es gilt hier, schneller und ambitionierter zu handeln, denn die Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen, aber auch von Menschen ist begrenzt: Ähnlich wie bei Fieber, macht es einen Unterschied, ob sich unsere Körper- bzw. Erdoberflächentemperatur um ein, zwei oder drei Grad erhöht. Doch selbst wenn wir es schaffen, die selbst gesetzten Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, wird sich die Erde um 1,5 Grad im Vergleich zu der Zeit vor der Industrialisierung erwärmen. Bereits heute beträgt die globale Erwärmung 1,2 Grad und die Folgen in Form von Hitzeperioden, Dürren, Waldbränden, Hochwasser oder Stürmen werden zunehmend auf der ganzen Welt sichtbar.

Ähnlich wie beim Klimaschutz wird bislang Klimaanpassung vielfach mit enormen Kosten assoziiert. Natürlich kostet der Umbau unserer Gebäude, Verkehrs- und Versorgungsinfrastrukturen oder unserer Wirtschaft viel Geld. Doch was ist die Alternative? Die durchschnittlichen jährlichen Klimaschäden werden aktuell auf 3 bis 18 Mrd. Euro für Deutschland geschätzt, während die Klimaanpassungskosten auf 2,5 bis 6 Mrd. Euro geschätzt werden. Integriert man die Anforderungen der Externer Link: Klimaanpassung an den ohnehin notwendigen Umbau hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft, lassen sich zudem zahlreiche Synergien nutzen, sodass die Investitionen nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich Sinn ergeben.

Klimawandelfolgen - Ein Problem der Anderen?

Das Jahrhunderthochwasser in der Eifel mit heftigen Regenfällen und Dauerregen mit Überschwemmungen und Überflutungen vom 14. Juli 2022 hat enorme Schäden angerichtet. Zwar haben die Aufräumarbeiten im Ahrtal mit vielen freiwilligen Helfer*innen große Fortschritte gemacht, doch der Wiederaufbau wird trotzdem Jahre dauern (Altenahr, 17.07.2022). (© picture-alliance, Panama Pictures | Christoph Hardt)

Lange Zeit dachte man in Deutschland, dass die Folgen des Klimawandels vor allem andere Länder und Kontinente treffen würden. So wurde zum Beispiel 2008 in den deutschen Medien intensiv über Mohammed Nasheed, Regierungschef der Malediven berichtet. Aus Sorge vor dem steigenden Meeresspiegel plante er seine Bevölkerung, immerhin rund 300.000 Menschen, komplett umzusiedeln.

An die Bilder zerstörter Häuser oder ganzer Landstriche durch Hurrikans wie Katrina (2005), Irma (2017) oder Ida (2021) in Nordamerika haben sich viele Menschen bereits gewöhnt. Gleiches gilt für Dürreperioden in Afrika, Waldbrände im Amazonas (2019) oder Buschbrände in Australien (2020). Vielfach bestand jedoch lange die Vorstellung, dass Deutschland von solchen Extremwettereignissen nicht betroffen ist. Spätestens in den letzten drei bis vier Jahren sind die Folgen des Klimawandels allerdings auch hier in das öffentliche Bewusstsein gerückt.

Der Klimawandel kommt auch in Deutschland an

Denn: Der Klimawandel ist auch bei uns in Deutschland angekommen. In den Sommern 2018 bis 2020 hat sich die Zahl der "Hitzetage" – also der Tage, an denen das Thermometer über die 30 Grad-Marke steigt – im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten in etwa verdoppelt. Diese extrem heißen Sommer bringen nicht nur Ökosysteme, sondern auch den Menschen selbst an die Belastungsgrenze. Während in den Wäldern die Fichtenmonokulturen absterben, gab es allein im Jahre 2018 rund 20.000 Externer Link: hitzebedingte Todesfälle bei den über 65-Jährigen in Deutschland. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich allerdings nicht nur durch Hitze bemerkbar, sondern werden auch in Form von Starkregenereignissen deutlich spürbar. Die Interner Link: Hochwasserkatastrophe 2021 hat in Teilen von Deutschland zu Schäden in Milliardenhöhe geführt, mehr als 180 Menschen starben in der Flut. In der untenstehenden Grafik wird deutlich, dass solche Extremwettereignisse in den letzten Jahren erkennbar zugenommen haben.

Neben diesen dramatischen Klimawandelfolgen lassen sich jedoch auch viele kleinere Auswirkungen in unserem Alltag beobachten, die zeigen, wie hoch der Handlungsdruck tatsächlich ist. So führten die heißen Temperaturen im Sommer 2019 zum Beispiel zu merklichen Umsatzeinbußen des Einzelhandels und der Gastronomie in der Wuppertaler Innenstadt, da sich die Menschen bei der Hitze nicht mehr draußen aufgehalten haben.

Besondere Herausforderungen im ländlichen Raum

Im Gegensatz zu stark bebauten Städten, finden sich in ländlichen Regionen meist andere Voraussetzungen: Die Flächenversiegelung ist nicht so stark wie im urbanen Raum und auch die Hitzetage lassen sich in Gebieten mit viel Wald- und Wiesenflächen besser aushalten. Nichtsdestotrotz spielt Klimaanpassung auch hier eine wichtige Rolle und sollte zusammen mit Klimaschutzmaßnahmen vor Ort mitgedacht werden. Das Hochwasser 2021 hat gezeigt, dass sich kleine Bäche zu gewaltigen Sturzfluten entwickeln können und dadurch sogar stärkere Schäden anrichten, als große Flüsse. Auch das Absterben der Fichtenmonokulturen stellt Regionen, die z.B. von der Forstwirtschaft leben, vor große Herausforderungen und existentielle Fragen.

Klimaanpassungsmaßnahmen sind also nicht nur in Städten eine wichtige Komponente, um Mensch, Umwelt und Wirtschaft vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, sondern auch in ländlichen Räumen.

Um die Verwundbarkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels zu mindern, hat das Bundeskabinett bereits am 17.12.2008 die Externer Link: "Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS)" beschlossen. In insgesamt 15 Handlungsfeldern werden mögliche Klimafolgen konkretisiert und Handlungsoptionen definiert, um so die Anpassungsfähigkeit ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme zu erhalten oder zu steigern. Das Spektrum reicht dabei von der Land- und Forstwirtschaft über das Verkehrs- und Bauwesen bis hin zur menschlichen Gesundheit und biologischen Vielfalt.

Schematische Darstellung von Schadenspotenzialen ausgewählter Klimawirkungen für die Gegenwart, bis 2030 und bis 2030 mit Bauvorsorge. Externer Link: Quelle: nach Bubeck et al. (2020) (© bpb)

Um die in der DAS genannten Ziele und Handlungsoptionen zu konkretisieren, wurde im Jahr 2011 der Externer Link: "Aktionsplan Anpassung I (APA I)" von der Bundesregierung beschlossen. Der APA I benennt spezifische Maßnahmen und Instrumente des Bundes und der Bund-Länder-Kooperationen, die kontinuierlich umgesetzt werden sollen. In den Jahren 2015 und 2020 folgten der Externer Link: "Aktionsplan Anpassung II (APA II)" sowie der Externer Link: "Aktionsplan Anpassung III (APA III)". Auch auf Länderebene wurden bereits Anpassungsstrategien erarbeitet, um die jeweiligen regionalen Herausforderungen zu identifizieren und geeignete Maßnahmen umzusetzen.

Dass diese Anpassungsmaßnahmen nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind, hat eine Externer Link: Studie für Deutschland berechnet. Die Grafik zeigt Schadenspotentiale ausgewählter Klimawandelfolgen und die Abschwächung dieser Folgen durch bauliche Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen. Es wird deutlich, dass Investitionen in Klimaanpassungsmaßnahmen die Kosten, die durch den Klimawandel entstehen, erheblich reduzieren können.

Hitzesommer 2018-2020 und Hochwasserkatastrophe 2021Sind solche Wetterextreme unser neuer Alltag?

Die Medien sprechen im Zusammenhang mit besonders verheerenden Extremwetterereignissen meist von sogenannten Jahrhundertereignissen; aber lassen sich diese Hitzewellen, Starkniederschläge und Stürme wirklich nur einmal pro Jahrhundert beobachten?

Tatsächlich werden wir in Zukunft wohl immer öfter solche Wetterextreme erleben, Grund dafür ist der Klimawandel. Einer Externer Link: Studie des Deutschen Wetterdienstes zufolge ist insbesondere für die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts mit einer deutlichen Häufung von heute noch relativ seltenen Extremwetterereignissen zu rechnen. Dabei kommt es jedoch nicht nur zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Tagestemperaturen insgesamt, sondern auch zu stärkeren Schwankungen zwischen den Temperaturextremen. Temperaturspitzen, die in der Vergangenheit nur ungefähr alle 25 Jahre zu beobachten waren, werden gegen Ende des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich in jedem Jahr auftreten. Auch für die Häufigkeit von Starkregenereignissen und Winterstürmen prognostiziert die Studie einen Anstieg bis zum Jahre 2100. Eine Externer Link: Untersuchung der Kinderrechtsorganisation Save the Children kommt ergänzend zu dem Ergebnis, dass Kinder, die im Jahre 2020 geboren wurden in etwa sieben mal so viele Extremwetterereignisse miterleben müssen als ihre Großeltern, die im Jahre 1960 geboren wurden.

Was können Städte und Gemeinden tun?

Ähnlich wie auch beim Klimaschutz braucht es für eine effiziente und effektive Klimaanpassung ein Zusammenspiel der Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Viele Kommunen haben in den letzten Jahren verstanden, dass Klimaanpassung die kommunalen Haushalte langfristig entlastet und die Lebensqualität der Bürger*innen erhöht. Um Handlungsschwerpunkte zu identifizieren, haben inzwischen viele Städte und Gemeinden sogenannte Hitze- bzw. Starkregen-Gefahrenkarten entwickelt. So hat die Externer Link: Stadt Wien beispielsweise eine kleinräumige Analyse der physikalischen Hitzeentwicklung des Stadtkörpers mit der Vulnerabilität, also der Verwundbarkeit beziehungsweise Anfälligkeit, der Bewohnerschaft verschnitten. Im Ergebnis ist so eine Karte entstanden, die aufzeigt, wo sommerliche Hitze auf hitzeempfindliche Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiele ältere Menschen, trifft. Diese Information kann unter anderem dafür genutzt werden, lokalspezifisch Informationskampagnen, Beratung oder Förderprogramme anzubieten. Die Externer Link: Stadt Kassel hat hierzu einen besonderen Service eingerichtet: Über das Hitzetelefon Sonnenschirm werden ältere Menschen per Telefon darüber informiert, an welchen Tagen eine besondere Hitzebelastung zu erwarten ist.

Den größten Hebel besitzen Städte und Gemeinden jedoch beim Städtebau: Das Zauberwort hierbei heißt "Schwammstadt". Nach diesem Konzept wird Niederschlagswasser nicht direkt in die Kanalisation abgeführt. Vielmehr saugt sich der Stadtkörper wie ein Schwamm mit Wasser voll und gibt dieses erst zeitversetzt wieder ab. Damit dies funktioniert, müssen (Verkehrs-)Flächen entsiegelt und grüne Infrastruktur (zum Beispiel Bäume, Dach-/Fassadenbegrünung, Grünflächen) errichtet werden. Wie dies konkret aussehen kann, kann man zum Beispiel im St. Kjeld-Quartier in Kopenhagen erleben. Dort entsteht gerade der Externer Link: erste klimaangepasste Stadtteil der Welt. Etwas kleiner, aber nicht weniger beeindruckend sind die sogenannten Externer Link: "Coolen Straßen Plus" in Wien. Bis zum Herbst 2020 wurden insgesamt 4 Straßen in Wien dauerhaft zu klimaangepassten Straßen umgestaltet.

Lebenswerte Straßen, Orte und Nachbarschaften

Unter dem Titel hat ein Forschungsteam in einem Externer Link: umfangreichen Beteiligungsprozess Zukunftsbilder für den Umbau zweier Quartiersstraßen in Dortmund und Gelsenkirchen entwickelt. Gemein ist beiden Visualisierungen, dass die Themen Verkehrswende, Klimaanpassung und grüne Infrastrukturen integriert betrachtet werden, um öffentliche Räume hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen. Der ruhende Verkehr im Straßenraum wird deutlich reduziert und dafür entstehen breitere Gehwege, Fahrradinfrastruktur, Außengastronomie, Sitzmöglichkeiten sowie mehr Stadtgrün.

Die Zukunftsbilder haben auch das Städtebauministerium NRW überzeugt. Sie wurden zusammen mit 16 anderen Projekten wegen ihrer hohen Innovationskraft im Wettbewerb Externer Link: "Zukunft Stadtraum" ausgezeichnet.

Zukunftsbilder

(© MUST/EGLV) (© MUST/EGLV) (© MUST/EGLV) (© MUST/EGLV)

Anmerkung: Die Zukunftsbilder stellen ambitionierte Denkrichtungen eines möglichen Umbaus dar, die auf den Bedürfnissen der Quartiersbewohner*innen beruhen. Sie sind Teil eines Beteiligungsprozesses für einen möglichen Umbau.

Fazit

Das Klima ändert sich und die Auswirkungen des Klimawandels sind inzwischen auch in Deutschland spür- und erlebbar. Daher ist es wichtig und notwendig sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Dabei gilt ähnlich wie beim Klimaschutz: Je früher wir anfangen und je konsequenter wir vorgehen, um so günstiger wird der Umbau von Städten und Gemeinden, Infrastrukturen und Unternehmen werden. Dieser Umbau wird ein enormer Kraftakt der politischen wie gesellschaftlichen Mut braucht. Die EU, der Bund, die Bundesländer wie auch die Kommunen müssen an einem Strang ziehen, um die rechtlichen wie finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen und gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern. Nur so kann es gelingen nicht nur die Folgen des Klimawandels abzuschwächen, sondern den Umbau auch als Chance zu nutzen, um unsere Städte und Gemeinden lebenswerter und nachhaltiger zu machen.

Weitere Inhalte

Dr. Steven März, geb. 1984, Studium der Geographie, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft, Promotion, derzeit Senior Researcher im Forschungsbereich "Stadtwandel" des Wuppertal Instituts. Seine Forschungsschwerpunkte sind nachhaltige Stadtentwicklung, Urbane Resilienz

Lena-Katharina Peter, geb. 1995, Studium der Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Stadt- und Regionalentwicklung, bis 07/22 wissenschaftliche Hilfskraft im Forschungsbereich "Stadtwandel" des Wuppertal Instituts, seitdem Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Naturschutz.