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Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Iran | Afghanistan | bpb.de

Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Iran

Elke Grawert

/ 11 Minuten zu lesen

Schätzungen zufolge leben mehr als drei Millionen Afghaninnen und Afghanen im Iran. Sie flohen vor Krieg und Gewalt oder erhofften sich bessere Erwerbs- und Bildungschancen. Eine Rückkehr nach Afghanistan ist oft nicht von Dauer.

Oktober 2001: Afghanische Familie in einem Flüchtlingslager des Roten Halbmonds an der iranisch-afghanischen Grenze. (© picture-alliance/dpa)

Afghan*innen leben seit vielen Jahrzehnten im Iran; viele bewegen sich im Laufe ihres Lebens mehrmals zwischen diesen beiden und häufig auch weiteren Ländern der Region hin und her. Seit Ende der 1970er Jahre sind afghanische Staatsangehörige vermehrt als Flüchtlinge in den Iran gekommen. Dabei gibt es eine weite Grauzone zwischen Arbeitsmigrant*innen und Flüchtlingen sowie zwischen Menschen, die ohne Aufenthaltsdokumente im Iran leben, weil sie sich in Afghanistan nicht sicher fühlen, und registrierten Flüchtlingen. Im Zuge gewaltsamer Machtkämpfe und wechselnder politischer Bedingungen in Externer Link: Afghanistan hat es seither mehrfach Rückkehrwellen und erneute Fluchtbewegungen aus Afghanistan in den Iran gegeben. 2017 lebten fast eine Million registrierte Flüchtlinge und 620.000 Visainhaber*innen aus Afghanistan sowie schätzungsweise anderthalb bis zwei Millionen Afghan*innen ohne afghanische Ausweise oder iranische Aufenthaltsdokumente im Iran. Ähnliche Daten werden seit Jahrzehnten genannt, ohne sich dauerhaft oder signifikant zu verändern.

Wie schon in früheren Phasen, sind die Rückkehrzahlen von Afghan*innen aus dem Iran zurzeit sehr hoch. 2016 kehrten 443.527 afghanische Staatsangehörige aus dem Iran und gleichzeitig eine ähnlich hohe Zahl aus Pakistan nach Afghanistan zurück. 2017 betrug die Zahl der Rückkehrer*innen aus dem Iran mehr als 450.000. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2018 zählte die Internationale Interner Link: Organisation für Migration (IOM) 311.117 Rückkehrer*innen aus dem Iran nach Afghanistan.

Wie integrieren sich all diese Menschen nach ihrer Rückkehr in Afghanistan? Welche Möglichkeiten haben Rückkehrer*innen in Afghanistan, ihren Lebensunterhalt zu sichern? Bleiben sie, oder wandern sie sehr bald wieder ab? Welche Unterschiede bestehen zwischen Rückkehrer*innen verschiedener sozialer Klassen? Der Beitrag beantwortet diese Fragen auf der Grundlage von Dokumenten relevanter Hilfsorganisationen, Fachliteratur sowie Interviews mit Afghan*innen, die die Autorin zwischen 2015 und 2017 im Rahmen von Forschungsaufenthalten im Großraum von Kabul und Herat durchgeführt hat.

Gründe für Abwanderung und Rückkehr nach Afghanistan seit 1980

1978 brachte ein Militärputsch ein kommunistisches Regime in Afghanistan an die Interner Link: Macht, das von 1979 bis 1989 von einer sowjetischen Besatzungsmacht gestützt wurde. Bewaffnete Auseinandersetzungen mit Oppositionsgruppen, die bis 1992 zu mehreren Regierungswechseln führten, trieben etwa drei Millionen Afghan*innen in die Flucht in den Iran. Neben den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in Afghanistan spielen auch die politischen Entwicklungen im Iran eine Rolle für Abwanderung und Rückkehr von Afghan*innen. Nach der Islamischen Revolution von 1979, die Interner Link: Ayatollah Khomeini an die Macht gebracht hatte, führte die iranische Regierung eine Politik der offenen Tür gegenüber Flüchtlingen aus muslimischen Ländern ein. Bis Anfang der 1990er Jahre gewährte sie Afghan*innen unbegrenzten Aufenthalt und die gleichen sozialen Leistungen wie für Iraner*innen.

Die schwere iranische Wirtschaftskrise nach dem Ende des Interner Link: Iran-Irak-Krieges 1988, verschärft durch westliche Sanktionen, wirkte sich auch auf das iranisch-afghanische Verhältnis in der Gesellschaft aus. Iraner*innen nahmen die Afghan*innen zunehmend als Konkurrent*innen wahr, wenn es um Wohnungen, soziale Leistungen und Arbeitsplätze ging. Die iranische Regierung änderte ihre Politik gegenüber afghanischen Migrant*innen, schränkte deren Zugang zu sozialen Leistungen ein, erschwerte das Verfahren zur Weiterbewilligung des Flüchtlingsstatus, forderte Afghan*innen zur Rückkehr nach Afghanistan auf und begann mit der Durchführung von Abschiebungen. Ende 1992 bildeten das Interner Link: Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sowie die Regierungen des Iran und Afghanistans eine Dreiparteienkommission, die ein Rückführungsprogramm für Afghan*innen auflegte. In diesem Rahmen kehrten 1993 etwa 300.000 Flüchtlinge nach Afghanistan zurück, während weitere 300.000 Menschen ihre Rückkehr selbst organisierten. Darüber hinaus schob die iranische Regierung 190.000 Afghan*innen, die ohne Aufenthaltsdokumente im Iran lebten, nach Afghanistan ab. Zwischen 1992 und 1995 kehrten so etwa 1,3 Millionen Afghan*innen nach Afghanistan zurück, obwohl dort nach der 1992 erfolgten Machtübernahme durch die Mujahidin ein Bürgerkrieg ausgebrochen war. Bewaffnete Milizen kämpften im Rahmen eines islamischen Staats Afghanistan vor allem in der Hauptstadt Kabul und einigen Provinzhauptstädten um die Vorherrschaft. 1996 setzten sich die Taliban in einigen Städten durch. Dies löste eine erneute Fluchtbewegung aus Afghanistan in den Iran aus. Die iranische Regierung erkannte nur wenigen dieser Neuankömmlinge den Flüchtlingsstatus zu, gewährte ihnen aber ein temporäres Aufenthaltsrecht, das jährlich neu beantragt werden musste (Amayesh-Karte). Mit dieser Maßnahme erfasste die Regierung eine knappe Million Afghan*innen, deren Aufenthalt im Land so zeitweilig legalisiert wurde und ihnen den Zugang zu medizinischer Grundversorgung gewährte. Allerdings dürfen Inhaber*innen der Amayesh-Karte sich nur in festgelegten Gebieten aufhalten und weder einen Laden eröffnen noch einen Führerschein machen. Da die iranische Regierung die Kosten für eine Arbeitserlaubnis anhob, begannen viele Afghan*innen, illegal als Tagelöhner*innen, Landarbeiter*innen, Ladenhelfer*innen, Straßenhändler*innen, Reinigungskräfte, Haushaltshilfen, im Bergbau, Steinbrüchen und auf dem Bau zu arbeiten.

Die Militärintervention der USA stürzte 2001 die Talibanregierung in Afghanistan und installierte eine Übergangsregierung unter Hamid Karzai, der dann von 2004 bis 2014 Präsident Afghanistans war. Seit 2003 stellt die iranische Regierung keine neuen Amayesh-Karten für Afghan*innen mehr aus. Daraufhin stieg die Zahl “undokumentierter” Afghan*innen im Iran, also von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigungen. Zwar kehrten von März 2002 bis Oktober 2004 im Rahmen eines freiwilligen Rückkehrprogramms 770.643 Afghan*innen nach Afghanistan zurück. Dennoch hielten sich zwischen 2001 und 2005 neben mehr als einer Million dokumentierter Afghan*innen etwa eine halbe Million undokumentierter afghanischer Migrant*innen weiterhin im Iran auf.

Als ab 2006 die Kämpfe zwischen afghanischen Regierungstruppen und Taliban wieder zunahmen, stieg die Zahl der afghanischen Zuwander*innen in den Iran wieder an. 2008 beschloss die Dreiparteienkommission, dass Inhaber*innen von Amayesh-Karten eine Arbeitserlaubnis für 87 festgelegte Stellenkategorien erwerben durften, die bei jedem Wechsel des Arbeitgebers sowie jährlich erneuert werden musste. Amayesh-Karten sollten zunehmend durch eine reguläre Aufenthaltserlaubnis abgelöst werden.

Da die iranische Regierung die Kosten für die Verlängerung der Gültigkeit der Amayesh-Karte ständig erhöhte, wuchs die Zahl der Afghan*innen ohne gültige Aufenthaltsdokumente rapide und wurde 2017 auf 35 Prozent der Afghan*innen im Iran geschätzt. Sie sind in ständiger Gefahr, ertappt und abgeschoben zu werden. Die Zahl der abgeschobenen Afghan*innen stieg von 239.992 Personen 2015 auf 246.838 im Jahr 2016; im Jahr 2017 wurden 276.088 Afghan*innen aus dem Iran abgeschoben. Unter jenen, die seit Anfang 2018 aus dem Iran nach Afghanistan gekommen sind, zählte die Internationale Organisation für Migration etwa 179.000 Abgeschobene, während etwa 132.000 Personen “spontan” zurückgekehrt sind – also ohne an einem Unterstützungsprogramm für freiwillige Rückkehrer*innen teilzunehmen. Knapp 10.000 Abgeschobene erhielten eine Notfallunterstützung nach ihrer Einreise in Afghanistan. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) stellte zwischen Anfang Januar und Ende Mai 2018 Nothilfe für etwa 1.700 unbegleitete Kinder, alte Menschen und Frauen sowie für 1.012 Sonderfälle (darunter Drogensüchtige), 879 Verletzte und Kranke sowie für über 5.000 abgeschobene Familien mit kleinen Kindern bereit.

Der Lebensstandard im Iran ist nach wie vor bedeutend höher als in Afghanistan, jedoch sind die rechtlichen Hürden für Erwerbstätigkeit und Unternehmensgründung sehr hoch. Frauen haben erheblich bessere Möglichkeiten, am Erwerbsleben teilzunehmen. Kinder können im Iran eine bessere Schulbildung erlangen als in Afghanistan. Afghanische Eltern – auch aus Arbeiterfamilien – haben sich seit jeher bemüht, ihren Kindern im Iran den Schulbesuch zu ermöglichen. Viele afghanische Familien haben auf diese Weise einen höheren sozialen Status in der zweiten Generation erreicht.

Reintegration in Afghanistan

Afghanistan ist derzeit nicht in der Lage, jährlich mehrere Hunderttausend afghanische Rückkehrer*innen nachhaltig in seine Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren. Politische Unsicherheit, Gefahren, von Bombenangriffen bewaffneter Organisationen wie den Taliban oder bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee und gegnerischen Gruppen mit betroffen zu werden, sowie eine sich nur schleppend von den schweren Einbrüchen von 2013-2015 erholende Wirtschaft bieten kein geeignetes Umfeld für eine gelingende Reintegration. Es fehlt an massiver Unterstützung über einen längeren Zeitraum. Da im Zeitraum 2015 bis 2017 die Hilfen von außen sanken, wurde die Not in den Armensiedlungen in Kabul und anderen Städten, in denen sich auch zahlreiche Interner Link: Binnenvertriebene niedergelassen haben, immer größer. Besonders im Winter sterben dort viele, da Decken und Heizmaterial unerschwinglich für sie sind und Hilfsorganisationen diese kaum noch zur Verfügung stellen können. Die Armen in den Städten Afghanistans, die in diesen Ansiedlungen aus selbst gebauten kleinen Häusern aus Lehm, Blech, Plastik und Restmaterialien leben, konkurrieren in der informellen Wirtschaft um minimale Einkommen als Träger, Autowäscher, Dienstleister*innen jeder Art sowie als Kleinsthändler*innen für Produkte, die sie größeren Händlern abkaufen. Rückkehrer*innen, die ebenfalls arm und weder alphabetisiert sind noch über einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung verfügen, finden sich häufig in diesen Siedlungen wieder, in denen der Bestand ihrer Häuser durch Vertreibungen bedroht und kaum genügend Einkommen zum Leben zu verdienen ist. Dennoch entscheiden sich ein bis zwei Drittel der Rückkehrer*innen dafür, sich in Kabul niederzulassen. Viele halten die Lage in ihren ländlichen Herkunftsregionen für zu unsicher, um dort ein neues Leben aufzubauen.

Vertreibung aus illegalen Siedlungen

Viele Afghan*innen, darunter Binnenvertriebene und Rückkehrer*innen, siedeln sich in Kabul auf Grundstücken an, die sich einflussreiche Politiker angeeignet haben. Diese lassen die Siedler*innen so lange gewähren, wie sie ihnen als potenzielle Wähler*innen nützen können. Andere besiedelte Grundstücke gehören Ministerien, weitere privaten Firmen. Sobald die Landeigentümer*innen eine andere Nutzung der Grundstücke planen oder die wilden Siedlungen nicht mehr zulassen wollen, setzen sie die Polizei oder Milizen zur Vertreibung ein.

In Herat versprach die Gemeindeverwaltung 2017, das größte ehemalige Vertriebenenlager (Maslakh) in eine legale Siedlung umzuwandeln. Die dort lebenden Binnenvertriebenen hatten längst ihr nomadisches Leben aufgegeben und begonnen, geringfügige einkommenschaffende Tätigkeiten aufzunehmen. Neben der Wollknäuel- und Teppichproduktion der Frauen und Kinder sind sie auf Interner Link: Geldsendungen männlicher Familienangehöriger angewiesen, die als Migranten im Iran arbeiten. Gleichzeitig ist ein enger Zusammenhalt unter Siedler*innen aus derselben Herkunftsregion entscheidend für die Integration in den Außenbezirken von Herat. Dieser dient der Entwicklung von Zugehörigkeit und einer gewissen Machtposition gegenüber den Einheimischen und den Siedlergruppen aus anderen Herkunftsregionen.

Der Vergleich der Situation von Unterschichtsangehörigen in Kabul und Herat verdeutlicht: Ein legaler Zugang zu Grundstücken und Wohnungen in den Städten ist die Voraussetzung für den Aufbau einer gesicherten Lebensgrundlage für Rückkehrer*innen wie auch alle anderen städtischen Armen. Der Erlass 104, der dafür eine rechtliche Basis bietet, wurde bisher jedoch noch kaum durchgesetzt. Dies liegt auch an den Partikularinteressen von politischen Machthabern, die den gegenwärtigen Zustand aufrechterhalten. Unter diesen Umständen zögern viele, die keine Perspektive in der Landwirtschaft haben, aus dem Iran nach Afghanistan zurückzukehren. Sie befürchten zu Recht, ohne Sicherheit in den Armenvierteln der Städte leben zu müssen.

Besser gestaltet sich die Lage für Rückkehrer*innen mit einer Berufsausbildung und Geld oder registriertem Eigentum in Afghanistan sowie für diejenigen, die Familienmitglieder im Ausland haben, die sie in Afghanistan mit Geld oder Gütern sowie Nahrungsmitteln unterstützen können. Einzelne anthropologische Studien deuten darauf hin, dass die Reintegration in Afghanistan eher bei denjenigen gelingt, die aus eigenem Entschluss aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Diese “spontanen” Rückkehrer*innen benötigen keine Hilfe, da sie entweder ausreichend Vermögen und berufliche Qualifizierung mitbringen, um sich in Afghanistan eine Existenz aufzubauen, oder da sie sich für einen längeren Zeitraum auf die Unterstützung von Familienangehörigen, die im Iran geblieben sind, verlassen können. Unter Umständen haben sie auch die Möglichkeit, vorübergehend in den Iran zurückkehren, um dort Geld zu verdienen. Sehr wichtig für eine nachhaltige Reintegration in Afghanistan sind gute Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten und die Aufnahme in deren Patronage-Netzwerke. Dieser besondere Zugang erfordert materielle, soziale und politische Investitionen, die sich nur wenige leisten können.

Remigration und Migrationskreislauf

Nicht nur Afghan*innen aus der Mittelschicht profitieren von der Möglichkeit anhaltender Geschäftsbeziehungen im Iran und wiederholten Arbeitsaufenthalten dort. Erkenntnisse aus Feldforschungen zeigen, dass sogar Abgeschobene ohne jegliche formale Qualifizierung trotz schwerer Strafandrohung wiederholt in den Iran zurückreisen, um dort illegal zu arbeiten. Ein Netzwerk von Schleppern, eine wachsende Verschuldung bei Verwandten im Iran sowie der Mangel an Einkommensmöglichkeiten in Afghanistan bilden den Kontext, in dem überwiegend junge abgeschobene Afghanen die Grenze immer wieder überqueren. Damit fügt sich auch diese Gruppe ländlicher Jugendlicher aus armen Familien in den Migrationskreislauf ein. Dieser ist kennzeichnend für alle Schichten und ist über die Jahrzehnte Teil des normalen Lebenslaufs für eine große Zahl afghanischer Familien geworden.

Auch für Angehörige der Unterschicht bietet die Arbeit im Iran Möglichkeiten, berufliche Fähigkeiten zu erwerben, sei es auf dem Bau, in der Landwirtschaft oder im Handelsbereich. Wegen der schlechten Arbeitsmarktlage in Afghanistan können Rückkehrer*innen diese jedoch selten verwerten und ein Einkommen in Afghanistan erzielen. Daher entscheiden sie sich immer wieder, die Risiken illegaler Arbeit im Iran nochmals auf sich zu nehmen, um mit dem dort erworbenen Einkommen ihre Familien zu unterstützen. Für Familien ist die zeitweilige Entsendung von Angehörigen in den Iran eine Strategie, um die Versorgung abzusichern. Geldsendungen erfolgen über ein Netzwerk von Verwandten und iranischen Mittelsmännern (Havala-Finanzsystem).

Fazit

Die Absicherung der Existenzgrundlage ist die stärkste Triebkraft für die Abwanderung aus Afghanistan in den Iran. Krieg und Gewalt erhöhen die Flüchtlingszahlen. Flucht und Migration in den Iran haben seit Ende der 1970er Jahre Afghan*innen Möglichkeiten eröffnet, dortige Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbschancen zu nutzen. Die Rückkehr nach Afghanistan erfolgt bisher nur in seltenen Fällen freiwillig, da die politische, wirtschaftliche und Sicherheitslage im Land volatil geblieben ist. Die Reintegration in Afghanistan ist für viele Menschen, insbesondere der Unterschicht, schwierig und wird regelmäßig von erneuten Vertreibungen unterbrochen. Erzwungene Rückkehr in Form von Interner Link: Abschiebungen ist sehr häufig eine vorübergehende Episode, an die sich eine erneute Abwanderung bzw. ein Migrationskreislauf anschließt. Im Iran legal lebende Afghan*innen bilden Anlaufstellen für Neuankömmlinge, denen sie Anfangsunterstützung, Kontakte, Geschäftsbeziehungen und Einkommensmöglichkeiten bieten.

Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, die Möglichkeiten legaler Erwerbstätigkeit in Nischen des Arbeitsmarktes sowie Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Afghan*innen im Iran mit internationaler Unterstützung weiter auszubauen. Dadurch können afghanische Migrant*innen und Geflüchtete Verwandte in Afghanistan unterstützen und deren Abwanderung verhindern. Die Rückkehr aus dem Iran ist überwiegend temporär. Sie wird so lange nicht nachhaltig sein, bis die politische und wirtschaftliche Lage in Afghanistan Afghan*innen ausreichende Handlungsräume für eine Absicherung der von ihnen erstrebten Lebensverhältnisse eröffnen kann.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Afghanistan.

Quellen / Literatur

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Fussnoten

Fußnoten

  1. IOM/UNHCR (2018); NRC (2017).

  2. Vgl. Margesson (2007), die im Kongressbericht von knapp einer Million Flüchtlingen und einer weiteren Million undokumentierter Migrant*innen spricht; Arnold (1989, S. 50), der bezogen auf das Jahr 1988 2,2 Millionen afghanische Flüchtlinge im Iran erwähnt.

  3. IOM (2017).

  4. IOM/UNHCR (2018).

  5. IOM (2018).

  6. Forschungsprojekt “Protected statt Protracted. Flüchtlinge und Frieden stärken”, gefördert vom BMZ, Externer Link: https://www.bicc.de/ (Zugriff: 2.7.2018).

  7. Schetter (2007).

  8. Turton/Marsden (2002).

  9. Abbasi-Shavazi et al. (2005).

  10. Rohani (2014).

  11. Abbasi-Shavazi et al. (2005).

  12. Schetter (2007).

  13. Abbasi-Shavazi et al. (2005).

  14. Rajaee (2000); Rohani (2014).

  15. Abbasi-Shavazi et al. (2005).

  16. Long (2013); UNHCR (2016), S. 14.

  17. NRC (2017).

  18. Abgeschobene sind zwangsweise ausgewiesene Personen ohne legales Wiedereinreiserecht (vgl. auch Drotbohm/Hasselberg, 2015).

  19. Interview mit Frauen afghanischer Bauarbeiter in Mashhad im Oktober 2015 sowie mit abgeschobenen Jugendlichen und Familien in Herat 2015 und 2016; vgl. Grawert/Mielke (2018).

  20. IOM Afghanistan (2017; 2017a).

  21. IOM (2018).

  22. Interview mit Rückkehrern aus Iran in Kabul im März 2016.

  23. Abbasi-Shavazi (2012).

  24. Interview mit Hilfsorganisationen in Kabul 2015 und 2016.

  25. Beobachtungen und Interviews in den Armensiedlungen von Kabul und Herat 2015-2017; siehe auch Mielke (2015).

  26. UNHCR (2017).

  27. Interviews und Beobachtungen in Maslakh bei Herat 2016 und 2017.

  28. Houte et al. (2014).

  29. Interviews der Autorin mit Rückkehrern der Mittelschicht in Kabul und Herat zwischen 2016 und 2017.

  30. Grawert/Mielke (2018).

  31. Monsutti (2005; 2008); Harpviken (2014).

  32. Interviews mit afghanischen Arbeitsmigranten in Kerman, Iran, 2015, in Kabul und Herat 2015 und 2016; vgl. Grawert/Mielke (2018).

Weitere Inhalte

Dr. Elke Grawert, habilitierte Politikwissenschaftlerin; wiss. Mitarbeiterin am Internationalen Konversions-zentrum Bonn (BICC); Forschung zu Gewaltakteuren und politischer Ökonomie; Flucht und Migration