Es wird erwartet, dass es in Bangladesch in Zukunft immer häufiger Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und Dürren geben wird. Gleichzeitig werden sich schleichende Prozesse wie die Erosion von Flussufern, der Anstieg des Meeresspiegels und Bodenversalzung unvermindert fortsetzen. Während den Monsun-Monaten wird mit verstärkten Regenfällen und Abschwemmungen von Erdreich gerechnet, während die bereits geringen Regenfälle in der Trockenzeit vermutlich noch weiter zurückgehen werden. Zusammengenommen üben diese Veränderungen einen erhöhten Druck auf das Meeres- und Landökosystem aus und führen zu lokaler Wasserknappheit und Bodendegradation. Der Klimawandel hat also das Potenzial, das Leben und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in Bangladesch zu zerstören. Die Landbevölkerung, die entlang der großen Flüsse des Landes lebt, ist besonders von Überschwemmungen betroffen, die Küstenbewohner sind von Wirbelstürmen bedroht, während Menschen im Norden des Landes insbesondere unter Dürreperioden und Hitzewellen leiden. Kleinbauern und grundbesitzlose Arbeiter sind besonders anfällig für solche Klimarisiken, da sie bereits heute mit chronischer Armut und Ernährungsunsicherheit zu kämpfen haben
Migration wird oft als mögliche Strategie zur Bewältigung plötzlich auftretender Naturkatastrophen und langsam verlaufender Veränderungsprozesse der natürlichen Umwelt diskutiert. Wenn Menschen ihren Wohnort verlassen, weil ihre Existenz von Naturgefahren und Umweltveränderungen negativ beeinträchtigt wird, spricht man auch von "Umweltmigranten" oder "umweltbedingter Migration"
In den ländlichen Gebieten können die meisten Kleinbauern kaum ihre Familien ernähren. Viele sind auf Lohnarbeit für Großgrundbesitzer angewiesen. Hier gehen weibliche Tagelöhner im Norden des Landes zur Kartoffelernte. (© Benjamin Etzold)
In den ländlichen Gebieten können die meisten Kleinbauern kaum ihre Familien ernähren. Viele sind auf Lohnarbeit für Großgrundbesitzer angewiesen. Hier gehen weibliche Tagelöhner im Norden des Landes zur Kartoffelernte. (© Benjamin Etzold)
Mobilität kann als temporäre Bewältigungsstrategie nach einer Katastrophe dienen. Die Überschwemmungen im Jahr 1987 führten beispielsweise zur vorrübergehenden Vertreibung von 45 Millionen Menschen in Bangladesch. Dennoch führt eine hohe Anfälligkeit für Naturgefahren nicht zwangsweise zu dauerhafter Migration. Die meisten Überlebenden heftiger tropischer Wirbelstürme werden nur vorrübergehend vertrieben und kehren dann wieder an ihren Wohnort zurück. Oft sind es nur Männer, die zum Arbeiten in nahegelegene Städte ziehen, während ihre Familien am Heimatort zurückbleiben und von den Rücküberweisungen der Migranten abhängig sind. Soziale Netzwerke, insbesondere gute translokale Beziehungen, erweisen sich in der Phase nach einer Katastrophe als besonders wichtig
Die Flussinseln im Norden des Landes sind nur per Boot zu erreichen. Für die Bewohner dieser Inseln sind die Wege zu Arbeitsstätten, zu höheren Schulen, oder zu Krankenhäusern lang, beschwerlich und teuer. (© Benjamin Etzold)
Die Flussinseln im Norden des Landes sind nur per Boot zu erreichen. Für die Bewohner dieser Inseln sind die Wege zu Arbeitsstätten, zu höheren Schulen, oder zu Krankenhäusern lang, beschwerlich und teuer. (© Benjamin Etzold)
Neben Naturkatastrophen, die ein Gebiet plötzlich und unvorhergesehen treffen können, gibt es auch schleichende Umweltveränderungen, die Menschen dazu zwingen können, ihren Wohnort (vorrübergehend) zu verlassen. Die Erosionen von Flussufern und Küstenstreifen aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels sind zwei Beispiele für solche schleichenden Prozesse. Seit 1973 haben die großen Flüsse Bangladeschs zur Erosion von 158.780 Hektar Land geführt. Allein 2010 wurden 16.000 Menschen, die an den Ufern der Flüsse Ganges und Brahmaputra lebten, gezwungen, ihren Wohnort aufzugeben. Der Anstieg des Meeresspiegels, Küstenerosion und Bodenversalzung werden – neben den nicht zu vergessenden wirtschaftlichen und politischen Faktoren – zur Vertreibung von Menschen aus der Küstenregion und der dicht besiedelten Delta-Region führen
Die großen Flüsse verlagern ständig ihren Lauf. Flussufer werden von den Fluten abgetragen, anderenorts wird das Material abgelagert. Boote sind für die Flussinselbewohner das wichtigste Transportmittel. (© Benjamin Etzold)
Die großen Flüsse verlagern ständig ihren Lauf. Flussufer werden von den Fluten abgetragen, anderenorts wird das Material abgelagert. Boote sind für die Flussinselbewohner das wichtigste Transportmittel. (© Benjamin Etzold)
Migration wird somit als ein einmaliger und linearer Prozess betrachtet. Dies ist nicht nur sehr von der Natur determiniert gedacht, da alle anderen sozialen, kulturellen, politischen und räumlichen Faktoren, die die Migrationsentscheidung beeinflussen können, nicht berücksichtigt werden. Es spricht Menschen auch die Fähigkeit ab, existenzbedrohende Situationen zu bewältigen und sich an Umweltveränderungen und andere strukturelle Veränderungen anzupassen. Und schließlich scheint im Vergleich zu den 500.000 Arbeitsmigranten, die Bangladesch jährlich verlassen (und größtenteils wieder dorthin zurückkehren) eine Zahl von 250.000 Menschen, die innerhalb des Landes mobil sind und sich in Städten niederlassen oder als Saisonarbeiter in andere Landesteile ziehen, eine handhabbare Herausforderung für die Menschen in Bangladesch zu sein. Stattdessen könnten eine zunehmende Binnenmobilität und der Ausbau translokaler Systeme der Existenzsicherung den Weg für die zukünftige Entwicklung des Landes ebnen und die Widerstandsfähigkeit der Menschen im Umgang mit Naturkatastrophen verbessern.
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