Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Historische Entwicklung der Migration | Albanien | bpb.de

Albanien Hintergrund Historische Entwicklung Schlüssel-Phasen albanischer Auswanderung Charakteristika aktueller Migrationsbewegungen Irreguläre Auswanderung Flüchtlinge und Asylsuchende Zuwanderung seit 1990 Irreguläre Einwanderung Flüchtlinge und Asylsuchende Entwicklung migrationsbezogener Politiken Staatsbürgerschaft Aktuelle Entwicklungen Zukünftige Herausforderungen Literatur

Historische Entwicklung der Migration

Julie Vullnetari

/ 3 Minuten zu lesen

Migration unter Osmanischer Herrschaft

Die frühste Massenmigration, die in Albaniens kollektiver Erinnerung verankert ist, ereignete sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nach dem Tod von Albaniens Nationalheld Skanderberg im Jahr 1467 und dem Beginn der Eroberung durch die Osmanen. Fünf Jahrhunderte unter Osmanischer Herrschaft waren begleitet von weiterer Auswanderung. Viele albanische Männer flüchteten, um Blutfehden, lokalen Herrschern oder Verfolgung durch die Osmanen zu entgehen; andere wiederum emigrierten, um Armut zu entkommen oder in verschiedenen Handelszweigen und Berufsfeldern im Ausland zu arbeiten. Diese Auswanderung ist in der albanischen Geschichte und kollektiven Erinnerung als ''kurbet'' bekannt und bezeichnet den Akt des Auswanderns und den Zustand des Fernseins in einem fremden Land, im Allgemeinen, um dort zu arbeiten.

Transatlantische Migrationen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Albanien zu einem (sehr kleinen) Teil der transatlantischen Migrationsbewegungen aus Südeuropa. Einige der Auswanderer waren Flüchtlinge, die vor dem Blutvergießen in den Balkankriegen und den zwei Weltkriegen flohen. Andere strebten nach einem besseren Leben und wanderten aus, um in den schnell expandierenden Industriestädten in Nordamerika oder in der australischen Landwirtschaft zu arbeiten. Die Arbeitsmigranten waren mehrheitlich Männer, einige Frauen folgten im Anschluss an die 1930er Jahre. Die meisten der Abwanderer stammten aus Süd- und Südost-Albanien.

Als ein Resultat dieser historischen Wanderungsbewegungen bildeten sich in Griechenland, Italien, Rumänien, Ägypten, der Türkei und den USA signifikante albanische Communities aus. Von besonderer Relevanz sind die Arbëresh in Süditalien und auf Sizilien, die auch nach fünf Jahrhunderten immer noch ihre Sprache und ihre kulturellen Traditionen bewahrt haben.

Die kommunistischen Jahre (1945-1990)

Am Ende des Zweiten Weltkriegs lag Albanien wirtschaftlich am Boden. Ende November 1944 übernahm eine kommunistische Regierung die Macht im Land. Im Laufe fast eines halben Jahrhunderts kommunistischer Herrschaft war Auswanderung ohne Erlaubnis verboten und wurde schwer bestraft. Nur sehr wenigen Menschen gelang in diesen Jahren die Flucht, die meisten von ihnen ließen sich in den USA nieder.

Migrationsbewegungen innerhalb des Landes wurden ebenfalls streng kontrolliert und nur im Rahmen der Planwirtschaft genehmigt. Zuwanderung war in diesen Jahren nahezu inexistent, da Ausländer, insbesondere diejenigen aus dem Vereinigten Königreich und den USA, mit Argwohn betrachtet wurden. Nur bestimmten Kategorien von Besuchern wurde es erlaubt, sich für eine begrenzte Zeit in Albanien aufzuhalten, so beispielsweise ausgewählten Dozenten, die an der Universität in Tirana unterrichteten, Mitgliedern marxistisch-leninistischer Schwesterparteien oder Studierenden aus befreundeten Staaten sowie Studentinnen und Studenten albanischen Ursprungs (zum Beispiel aus dem Kosovo).

Auswanderung seit 1990

Aus 45 Jahren kommunistischer Herrschaft ging Albanien als ein Land hervor, dessen Bevölkerung zu einem Drittel unter 15 Jahren alt war, es herrschten hohe Arbeitslosigkeit und große Armut. Die beiden letztgenannten Probleme eskalierten in den frühen 1990er Jahren, als die Schließung von Industrien und landwirtschaftlichen Genossenschaften eine Massenarbeitslosigkeit verursachte, während gleichzeitig wirtschaftliche Reformen quasi über Nacht zu einem rasanten Preisanstieg und hoher Inflation führten. Verzweifelte Albaner drängten in die Küstenstädte Durrës und Vlorë in der Hoffnung, von dort eines der Schiffe nach Italien nehmen zu können; eine noch größere Zahl an Albanern ging zu Fuß über die Berge nach Griechenland. Das Ausmaß dieser Abwanderung ist nicht einfach zu erfassen, da die meisten Migranten in den Zielländern keine gültige Aufenthaltsgenehmigung besaßen und es besonders zwischen Albanien und Griechenland ein großes Hin und Her gab (Pendelmigration). Tabelle 1 bietet eine Übersicht über Zahlen und Zielländer. Diese basiert auf Daten, die vom albanischen Ministerium für Arbeit, Soziales und Chancengleichheit (MoLSAEO) und dem Innenministerium zur Verfügung gestellt wurden. Sie dokumentieren drei Schlüsselmomente der vergangenen zwei Jahrzehnte. Tabelle 2 bezieht sich auf Daten aus drei Hauptzielländern albanischer Auswanderer.

Tabelle 1: Schätzungen zur Zahl im Ausland lebender Albanerinnen und Albaner: 1999, 2005 und 2010

Land1999%2005%2010%
Griechenland500.00067,3600.00054,9750.00044,0
Italien 200.00027,0250.00022,9450.00026,4
USA 12.0001,6150.00013,7400.00023,5
Ver. Königreich 5.0000,750.0004,650.0002,9
Deutschland 12.0001,615.0001,415.0000,9
Kanada 5.0000,711.5001,015.5000,9
Belgien 2.500<0,35.0000,55.0000,3
Türkei2.000>0,35.0000,55.0000,3
Frankreich 2.000>0,32.0000,210.0000,6
Australien 2.000>0,32.0000,22.5000,2
Schweiz 1.000<0,11.500<0,11.500<0,1
Niederlande n.a.n.a.1.000<0,11.000<0,1
Gesamt 743.5001001.093.0001001.705.500100

Quellen: 1999: Barjaba (2000); 2005: GoA (2005, S. 36); 2010: NID (2010, S. 7-8)

Tabelle 2: Schätzungen zur Zahl der in den Hauptzielländern lebenden Albanerinnen und Albaner, 1998-2010

LandAnzahlweiblich %JahrQuelle
Griechenland368.26940,02010Gültige Aufenthaltsgenehmigungen, März
185.000n.a.2008Albanische Staatsbürger griechischer Herkunft mit Daueraufenthaltsgenehmigungen (oben nicht einbezogen)
32.89245,82010Zahl eingebürgerter albanischer Staatsangehöriger (1998-2010)
Italien 483.21945,62011Gültige Aufenthaltsgenehmigungen, 1. Januar
24.02848,52010Januar Zahl eingebürgerter albanischer Staatsangehöriger (1998-2010)
USA 113.661n.a.2000Bevölkerung albanischer Ethnizität, US Zensus
201.000n.a.2008Nachkommen von Albanern, American Community Survey 2008
80.360n.a.2011Albaner mit Aufenthaltsgenehmigung nach Geburtsland (1990-2011)
Ver. Königr. (VK) 13.477n.a.2011Bevölkerung albanischer Ethnizität, Ver. Königr. Zensus (nur England & Wales)
32.425n.a.2011Albanischsprachige Bevölkerung, Zensus Ver. Königr. (nur England & Wales)
7.236n.a.2010Zahl eingebürgerter albanischer Staatsangehöriger (1998-2010)
Kanada 25.000.n.a.2011Albanischsprachige Bevölkerung, Kanadischer Zensus

Quellen: GR: Daten des griechischen Innenministeriums in Maroukis/Gemi (2010, S. 13, 15, 16); IT: ISTAT Datenbank, online abrufbar unter: Externer Link: http://demo.istat.it/altridati/noncomunitari/index_e.html, Zugriff: 31.1.2013; USA: US Census Bureau, www.census.gov; VK: 2011 Zensus Datentabellen ''QS211EW ethnic group'' und ''QS204EW main language'', online abrufbar unter: Externer Link: www.ons.gov.uk, Zugriff: 31.1.2013; Kanada: 2011 Canadian Census, online abrufbar unter: Externer Link: www12.statcan.ca, zuletzt aktualisiert: 9.1.2013, Zugriff: 31.1.2013; Daten zu Einbürgerungen in Griechenland, Italien und dem Vereinigten Königreich: Eurostat Statistik ''Acquisition of citizenship by former citizenship'', online abrufbar unter: Externer Link: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/population/data/database, zuletzt aktualisiert: 22.8.2012, Zugriff: 31.1.2013.

Zwar erscheint die Zahl der Abwanderer in Tabelle 1 relativ klein. Ihre Bedeutung wird jedoch in vergleichender Perspektive deutlich: Daten der Weltbank platzieren Albanien auf Platz 9 der Top-10 Auswanderungsländer der Welt in Bezug auf das relative Ausmaß der Auswanderung, d.h. im Verhältnis zur im Herkunftsland lebenden Bevölkerung. Bis 2010 waren mehr als 1,4 Millionen Albaner ausgewandert und lebten im Ausland, das entspricht rund der Hälfte (45,4 Prozent) der albanischen Bevölkerung.

Weitere Inhalte

Julie Vullnetari ist Postdoktorandin am Sussex Centre for Migration Research der Fakultät für Global Studies der Universität von Sussex, Vereinigtes Königreich. E-Mail: E-Mail Link: jvullnetari@gmail.com