Mit Rücküberweisung bezeichnet man den Teil des Einkommens, den die Migranten in Form von Geld oder Gütern vor allem zur Unterstützung ihrer Familien zurück ins Heimatland schicken. Der Hauptanteil dieser weltweiten zumeist monetären Ströme kommt den Entwicklungsländern zugute.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Rücküberweisungen?
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In den letzten Jahrzehnten sind die Summen weltweiter Rücküberweisungen sowohl nominal als auch relativ stetig angestiegen. Sie stellen heute für viele arme Staaten eine bedeutende Einkommensquelle dar.
Wie fließt das Geld?
Für die Übermittlung der Rücküberweisungen werden unterschiedliche Wege eingeschlagen. Sie reichen von der Nutzung von Banken und Krediteinrichtungen über Geldtransfer-Serviceunternehmen wie Western Union oder MoneyGram bis zur persönlichen Mitführung von Bargeld oder Gütern beim Heimaturlaub. Informationen zum Umfang der grenzüberschreitenden Geldflüsse liegen nur über die Nutzung durch formelle Kanäle vor, da diese von den nationalen Zentralbanken erfasst werden. Experten schätzen, dass die Rücküberweisungen über informelle Wege sogar über den offiziell zu ermittelnden Beträgen liegen.
Die informellen Methoden des Geldtransfers unterscheiden sich je nach Land. Neben der persönlichen Überbringung erfolgt oft ein Versand per Post oder eine Mitführung durch Dritte. Eine besondere Variante ist das in Süd- und Südostasien professionell betriebene Hawala-System. Mittelsmänner, sogenannte Hawaladars, sind jeweils im Sende- sowie Empfängerland ansässig und zahlen die mit einem Code aufgegebene Summe an den Adressaten im Herkunftsland aus, ohne dabei tatsächlich Geld zu transferieren. Der Ausgleich der Verbindlichkeiten zwischen den beiden Hawaladars erfolgt oftmals nicht über spätere Zahlungen, sondern durch anderweitige Kompensationsmechanismen. Für den Migranten und seine Familienangehörigen im Herkunftsland hat diese Methode den Vorteil, dass sie sich nicht offiziell registrieren lassen müssen und die Gelder umgehend ins Herkunftsland gehen. Diese nicht registrierten Kanäle werden auch deswegen oft genutzt, weil irregulären Migranten in aller Regel der Zugang zu Banken verwehrt bleibt oder viele Empfängerländer über kein flächendeckendes Bankennetz verfügen. Durch den Mangel an flächendeckenden Bankennetzwerken wird der Transfer von Geldern in periphere Gebiete erschwert.
Ein zweiter entscheidender Grund, informelle Kanäle vorzuziehen, ist der erhebliche Kostenvorteil. Ein Geldtransfer über Hawala kostet den Überweisenden lediglich 1-2% der Rücküberweisungen - Brückenschlag zwischen Migration und Entwicklung? Übertragungssumme, wohingegen Banken im Schnitt 7% und Western Union bis zu 12% Provision bzw. Gebühren geltend machen. Ein fixer Sockelbetrag in der Gebühr bei Geldtransferunternehmen wirkt sich zusätzlich negativ aus, da viele Migranten kleine monatliche Beträge versenden. Im Durchschnitt überweisen Migranten im Monat 200 US$, anstatt die Gesamtsumme jährlich zu überweisen. Die inoffiziellen Nischenmärkte werden von unzähligen unabhängigen Kleinstanbietern eingenommen und können somit geografisch einen weiten Radius abdecken. Eine aktuelle Studie der International Labour Organisation (ILO) schätzt beispielsweise den Transfer über Hawala in Bangladesch auf 40% der gesamten Rücküberweisungsbeträge.
Welche Motive haben die Rücküberweisenden?
Die Frage nach den Motiven der Rücküberweisenden ist nicht eindeutig zu beantworten, da über die Sender von Rücküberweisungen wenig verlässliche Quellen vorliegen. Hinzu kommt, dass der Umfang der familiären Unterstützung je nach Kultur und wirtschaftlicher Situation in Ursprungs- als auch Aufnahmegesellschaft stark variiert.
Es können jedoch drei verschiedene Antriebskräfte beobachtet werden, die sich in der Realität häufig überschneiden. Als Hauptmotivation wird oft Altruismus genannt, d.h. die Sorge des Migranten um die im Herkunftsland verbliebenen Familienangehörigen. Nach wie vor migriert meistens nur ein Familienmitglied; Ehepartner, Kinder und Eltern werden zurückgelassen und sind auf die Unterstützung des Migranten angewiesen. Neben der Sorge um die Angehörigen kann jedoch auch Eigeninteresse im Vordergrund stehen. Die Beaufsichtigung der zurückgelassenen Besitztümer durch Verwandte oder die Hoffnung auf ein potenzielles Erbe in der Heimat veranlassen den Abwesenden, sich erkenntlich zu zeigen. Des Weiteren kann es implizite Abkommen zwischen dem Migranten und den zurückgebliebenen Familienangehörigen geben. Nicht selten werden die hohen Kosten für Ausreise und Niederlassung im Ausland von Verwandten vorfinanziert und später nach erfolgreicher Zuwanderung zurückgezahlt. Man kann diese Abmachungen als einen informellen Darlehensvertrag oder als gegenseitige Rückversicherung ansehen. Für diese These spricht die Beobachtung, dass bei ökonomischen oder naturräumlichen Krisensituationen im Herkunftsland der finanzielle Beistand erhöht wird. Jenes antizyklische Verhalten belegt u.a. eine in Botswana durchgeführte Studie, die während Dürrezeiten wesentlich höhere Zuwendungen an die Haushalte mit Migrationshintergrund verzeichnen konnte.
Welche Faktoren bestimmen die Höhe der Rücküberweisungen?
Unter Berücksichtigung der Motivlage wird ein Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer eines Migranten im Zielland und Höhe der Zahlungen deutlich. Migranten, die vorübergehend auswandern und ihre Familien zurücklassen, transferieren relativ zu ihrem Einkommen die höchsten Summen. Auswanderer hingegen, die dauerhaft emigrieren, nehmen in aller Regel ihre Angehörigen mit und haben mit der Zeit immer weniger Kontakt zu den im Herkunftsland verbliebenen Verwandten. Das hat zur Folge, dass auch die Rücküberweisungen sukzessive geringer werden.
Einen direkten Einfluss hat dabei auch der Aufenthaltsstatus. Bei Übertritt vom irregulären zum legalen Status kommt es in erster Linie durch das erhöhte Lohnniveau zu einer Ausweitung des Rücküberweisungsvolumens, das allerdings bei zunehmender Integration in die Aufnahmegesellschaft wieder sinkt.
Geschlecht und Bildungsniveau gelten ebenfalls als Faktoren, die sich auf die Rücküberweisungshöhe auswirken. Besonders Frauen wird zugeschrieben, dass sie dazu tendieren, die im Herkunftsland Verbliebenen stärker zu unterstützen. Diese These kann jedoch nicht verallgemeinert werden. Eine Studie zum Verhalten philippinischer Migranten kam beispielsweise zu einem gegenteiligen Ergebnis und konnte zeige, dass Männer aufgrund ihrer besseren Gehälter höhere Summen rücküberweisen.
In Hinblick auf den Bildungsstand wird vermutet, dass geringer qualifizierte Arbeiter prozentual einen höheren Anteil ihres (niedrigeren) Einkommens zurücksenden. Der Grund hierfür ist, dass gering qualifizierte Arbeitskräfte sich in aller Regel nur temporär im Ausland aufhalten und deshalb, wie oben aufgeführt, oft ihre gesamte Familie im Herkunftsland lassen und unterstützen müssen. Hochqualifizierte hingegen lassen sich eher dauerhaft zusammen mit ihren Angehörigen (Ehegatte/Kindern), im Aufnahmeland nieder. Aus diesem Grund könnte erwartet werden, dass sie auch weniger rücküberweisen. Andererseits könnten sie aufgrund der höheren Ausbildungskosten stärker in der Schuld ihrer Familien (Eltern/Verwandten) stehen und somit die Schuld durch höhere Rücküberweisungen begleichen wollen. Klare Rücküberweisungsmuster sind also weder beim Geschlecht noch beim Bildungsniveau erkennbar, da sie von Fall zu Fall variieren und zusätzlich sowohl von der Immigrations- und Integrationspolitik der Aufnahmestaaten als auch vom kulturellen Hintergrund der Betroffenen abhängen.
Stefanie Hertlein studiert Geografie, Wirtschaftspolitik und Ethnologie an der Universität Freiburg.
Florin Vadean ist Mitglied der Migration Research Group, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), Promotionsstudent im Fach Volkswirtschaft an der Universität Hamburg und Research Fellow der Research on Immigration and Integration in the Metropolis (RIIM), Vancouver, Kanada.
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