Bis vor einigen Jahren war Klima- und Umweltmigration noch ein Thema, mit dem sich nur spezialisierte Forscherinnen und Forscher befassten und das nur wenige Politikerinnen und Politiker interessierte. Das hat sich geändert: Mittlerweile stehen
Dabei gibt es keinen linearen, monokausalen Zusammenhang zwischen Umweltveränderungen als Folge des Klimawandels und der Migration von Menschen: "Die Beziehungen zwischen Klimawandel und Migration eindeutig zu bestimmen, ist ein komplexes Vorhaben. Es besteht große Unsicherheit darüber, was Klimamigration überhaupt ist und wie das Phänomen definitorisch oder quantitativ erfasst werden kann. Dies erschwert sowohl verlässliche Prognosen für die Zukunft als auch Entscheidungen über zu ergreifende Maßnahmen seitens der politischen Verantwortlichen."
Wachsende Bedeutung in Forschung und Politik
In der Forschung wird Klima als Auslöser von Migrationsbewegungen schon seit längerem diskutiert: Bereits 1889 hat der deutsche Geograph Ernst Ravenstein in seinen Migrationsgesetzen ("Laws of Migration") unattraktives Klima ("unattractive climate") als einen Auslöser für Migration erkannt.
Diese wachsende Intensität der Beschäftigung mit dem Thema im wissenschaftlichen und politischen Bereich spiegelt sich in der Vielzahl von Konzepten und Definitionen wider, die genutzt werden, um den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Umweltveränderungen und Migration zu beschreiben. Begriffe wie "Umweltmigrant", "Klima-Migrantinnen", oder "Umweltflüchtlinge" werden teils nebeneinander, teils in Abgrenzung zueinander genutzt. Bislang hat sich kein Konzept durchgesetzt. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Nutzung der verschiedenen Begriffe auch Ausdruck politischer Auseinandersetzungen ist. Zum anderen bringen alle Konzepte jeweils eigene definitorisch-empirische Probleme (siehe unten) mit sich, was die Durchsetzung eines einheitlichen Konzepts erschwert.
Umwelt- und Klimamigration in der politischen Auseinandersetzung
Zu Anfang der Diskussion um Klima- und Umweltmigration standen sich "Alarmisten" und "Skeptiker" gegenüber. "Die alarmistische Perspektive, die hauptsächlich von Umweltexpertinnen und -experten und NGOs vertreten wird, sah in der Migration als unvermeidliches Nebenprodukt des Klimawandels eine sich anbahnende humanitäre Katastrophe."
Die "skeptische" Position, vertreten v.a. von Migrationsforscherinnen und -forschern, versuchte hingegen deutlich zu machen, dass sich Umwelteinflüsse häufig nur indirekt auf Migrationsentscheidungen auswirken, beispielsweise durch Dürren oder die Versalzung von Böden. Zudem wies sie darauf hin, dass umweltbedingte Migration eher innerhalb von Staaten als über internationale Grenzen hinweg stattfinde.
Auch wenn wissenschaftlich weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass Klimaveränderungen sich fast immer nur
Definitorisch-empirische Probleme
Neben den politischen Herausforderungen bei der Begriffsbestimmung sind mit jedem genutzten Begriff auch definitorisch-empirische Probleme verbunden.
Umwelt versus Klima
Es besteht keine Einigkeit darüber, welche Phänomene gemeint sind, wenn von Klima- oder Umweltmigration die Rede ist: "Zentrale Herausforderung bei der Beschreibung des
Flucht versus Migration
Zudem beeinflusst die Frage, ob Personen sich freiwillig oder gezwungenermaßen auf den Weg machen, die Wahl des Begriffs. Während bei Bewegungen, die als freiwillig kategorisiert werden, häufiger von "Migration" gesprochen wird, werden erzwungene Bewegungen eher als "Flucht" und die Betroffenen als "Flüchtlinge" bezeichnet. Der Begriff "Umweltflüchtlinge" ist allerdings aus zwei verschiedenen Perspektiven problematisch: Zum einen stellt sich die Frage, wann im Kontext von Klimaveränderungen eine Auswanderung "freiwillig" ist. Bei plötzlich eintretenden Katastrophen wie Überschwemmungen scheint die Zuordnung noch eindeutig: Menschen müssen sich bewegen, um den Fluten zu entkommen. Im Falle von infolge des Klimawandels langsam versalzenden Böden, die den Lebensunterhalt langfristig nicht mehr sicherstellen können, ist eine Zuordnung hingegen sehr viel schwieriger und uneindeutiger. Zum anderen ist die Nutzung des Begriffs "Umweltflüchtlinge"
Intern versus international
Auch die Frage, ob die Wanderungsbewegung internationale Grenzen überschreitet oder nicht, hat Einfluss auf die Wahl der Terminologie. Wanderungen, die innerhalb eines Staates stattfinden, beispielsweise von einer von Dürre betroffene Region in eine andere, fallen unter die Bezeichnung Binnenwanderung oder Binnenvertreibung. Der Staat ist für den Schutz der Betroffenen zuständig. Bei Wanderungen über Staatsgrenzen wird hingegen häufig von Migration (im Falle der Anerkennung von Zwang als Migrationsmotiv auch Flucht) gesprochen. Wie die Wandernden konkret bezeichnet werden, wird dadurch bestimmt, welchen rechtlichen Status ihnen die aufnehmenden Staaten zubilligen.
Kurzfristig versus langfristig
Die Begriffswahl hängt auch vom Zeithorizont ab, also ob die Wanderung eine kurzfristige ist (z.B. während einer Evakuierung) oder ob die Migration langfristig angelegt ist oder angelegt sein muss (z.B. wenn Inseln aufgrund steigenden Meeresspiegels im Meer versinken). Dies hängt auch damit zusammen, ob die jeweilige Umweltveränderung plötzlich stattfindet (sogenannte sudden-onset Prozesse) oder schleichend vonstattengeht (so genannte slow-onset Prozesse).
Konzepte und Kritik
Die Betrachtung dieser verschiedenen Dimensionen mit ihren verschiedenen Ausprägungen und jeweiligen Problemen macht deutlich, warum keiner der bisher vorgebrachten Begriffe und dazugehörigen Definitionen vollumfänglich akzeptiert wurde. Einige Beispiele:
Essam El-Hinnawi führte in einer der ersten Studien zum Einfluss von Umweltfaktoren auf Migration im Jahr 1985 den Begriff der "Umweltflüchtlinge" ("environmental refugees") ein.
Neben den oben angesprochenen juristischen Schwierigkeiten des Begriffs, wird gegen diesen auch ins Feld geführt, dass er keine Unterscheidung zwischen Personen mache, die vor schleichenden Umweltveränderungen fliehen und solchen, die aufgrund von plötzlich eintretenden geophysikalischen Ereignissen ihr Zuhause verlassen müssen. Da hierdurch sehr viele Menschen unter die Kategorie des "Umweltflüchtlings" fallen würden, stehe der Nutzen des Konzepts infrage. Autoren, die diesen Begriff weiterentwickelten (z.B. Wöhlcke 1992, Myers 1993), sahen sich ähnlicher Kritik ausgesetzt. In Abgrenzung zum Begriff des "Umweltflüchtlings", entwickelte die IOM im Jahr 2007 den Begriff "Umweltmigranten". Diese seien "Personen oder Gruppen von Personen, die aus nachvollziehbaren Gründen plötzlicher oder schleichender Umweltveränderungen, die ihr Leben oder ihre Lebensbedingungen nachteilig verändern, gezwungen sind oder sich entscheiden, ihr gewohntes Heim zu verlassen, entweder vorübergehend oder dauerhaft und die sich entweder innerhalb eines Landes oder ins Ausland bewegen".
Obwohl diese Definition in der Folgezeit stark rezipiert wurde, entgegneten ihr Kritiker, dass sie nicht zwischen internen und internationalen Wanderungsbewegungen unterscheide und so Schutzregelungen für Binnenvertriebene außer Acht lasse. Zudem wird das Fehlen der oben schon angesprochenen Unterscheidung zwischen erzwungener und freiwilliger Migration kritisiert.
Auch andere vorgeschlagene Begriffe, wie beispielsweise "umweltbedingt vertriebene Personen" ("environmentally-displaced persons")
Die Diskussion scheint derzeit in zwei verschiedene Richtungen zu gehen: Zum einen werden Begriffe und Definitionen vorgeschlagen, die möglichst breit angelegt sind, um möglichst viele Facetten des Themas abzudecken. Die Wissenschaftler Robert McLeman und François Gemenne schlagen beispielsweise als übergeordneten Begriff "Umweltmigration und -vertreibung" ("environmental migration and displacement", kurz EMD) vor. EMD biete eine breite aber klar abgegrenzte Beschreibung des Phänomens, sei einfach wiedererkennbar und trage keine rechtlichen Implikationen mit sich.
Dieser Beitrag entstand unter Mitarbeit von Elene Ingenbrand.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers