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Frauen in der Migration: Ein Überblick in Zahlen

Vera Hanewinkel

/ 13 Minuten zu lesen

Über lange Zeit galt Migration als männliches Phänomen. Dabei haben heute in den meisten Weltregionen Frauen den größten Anteil am Migrationsgeschehen.

Menschen auf der sog. Windrose, Mosaik im Eingangsbereich des Padrão dos Descobrimentos (Denkmal der Entdeckungen) im Stadtteil Belém in Lissabon. (© picture-alliance, Presse-Bild-Poss)

Geflüchtete und migrierte Frauen bleiben in der wissenschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung häufig unsichtbar. In der Migrationsgeschichte wurden sie lange schlicht vergessen, weil sich Studien hauptsächlich auf männliche Akteure im Wanderungsgeschehen konzentrierten. So galten beispielsweise Bildungs- und Erwerbsmigration lange Zeit als ausschließlich männliche Angelegenheit, obwohl auch Frauen zu jeder Zeit an diesen Wanderungen beteiligt waren. Dies liegt auch daran, dass Frauen in westlichen Gesellschaften jahrhundertelang kaum als Akteurinnen am Arbeitsmarkt wahrgenommen wurden. Von Migrantinnen oft verrichtete Interner Link: haushaltsnahe Dienstleistungen galten und gelten vielfach nicht als reguläre Berufstätigkeit. Zudem erfolgen sie in den meisten Fällen in einem prekären, informellen Arbeitsverhältnis. Auch deshalb bleiben Migrantinnen oft unsichtbar – in vielen Statistiken tauchen sie nicht auf.

Die in der Migrationsforschung in den 1960er und 1970er Jahren gängigen Theorien betrachteten Interner Link: Migration als männliches Phänomen. Wichtige Impulse für ein Umdenken in der Migrationsforschung kommen seit Ende der 1970er Jahre aus der Frauen- und Geschlechterforschung. Obwohl seit den 1980er Jahren (spätestens seit 1993) vermehrt die Erfahrungen von Migrantinnen in den Blick rücken, konzentrieren sich in der Migrationsforschung die meisten Studien weiterhin auf männliche Interner Link: Migranten oder erheben die Geschlechtszugehörigkeit nicht. Daraus resultiert nicht zuletzt ein Mangel an nach Geschlechtern ausgewiesenen Statistiken. Der Prototyp des Migranten scheint somit immer noch der Mann zu sein, auch wenn heute fast die Hälfte der internationalen Migrant_innen Frauen sind und es in vielen Weltregionen inzwischen mehr weibliche als männliche Migrant_innen gibt.

Zahlenwerk: Frauenmigration global und in Deutschland

Weltweit leben schätzungsweise 258 Millionen Menschen nicht in dem Land, in dem sie geboren wurden oder dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Rund die Hälfte (48,4 Prozent) dieser internationalen Migrant_innen sind Frauen. Insbesondere im Globalen Norden, der in der Statistik der Vereinten Nationen die Industrienationen in Nordamerika und Europa sowie Australien, Neuseeland und Japan umfasst, haben Frauen einen hohen Anteil am Migrationsgeschehen: In dieser Weltregion waren im Jahr 2017 51,8 Prozent aller Migrant_innen weiblich. Im Globalen Süden, also den ärmeren (Entwicklungs- und Schwellen-)Ländern, traf dies nur auf 43,9 Prozent aller Migrant_innen zu. 1990 hatte der Anteil weiblicher Migrant_innen im Globalen Süden mit 47 Prozent noch deutlich höher gelegen. Der Rückgang ist vor allem auf die wachsende Nachfrage nach Wanderarbeitnehmern in den Öl-produzierenden Ländern Westasiens (Interner Link: Golfstaaten) zurückzuführen. Traditionell arbeiten in dieser Branche vor allem Männer. Mit Ausnahme von Asien ist in allen anderen Weltregionen der Anteil von Frauen unter den internationalen Migrant_innen seit dem Jahr 2000 (leicht) gestiegen.

Neben Asien sind derzeit nur in Afrika männliche Migranten in der Überzahl. In Europa, Nordamerika, Ozeanien, Lateinamerika und der Karibik stellen Frauen den größten Teil der migrantischen Bevölkerung. Dies liegt primär an Alterungsprozessen in der bereits seit Jahrzehnten in diesen Ländern lebenden Einwandererbevölkerung. Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen nimmt der Anteil von Migrantinnen in höheren Altersklassen zu. Den höchsten Frauenanteil unter den internationalen Migrant_innen (jeweils über 60 Prozent) registrierte im Jahr 2017 Nepal (69,4 Prozent), gefolgt von der Republik Moldau (64,6 Prozent), Montenegro (60,8 Prozent), Lettland (60,7 Prozent) und der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong (60,5 Prozent).

In Deutschland leben rund 10,7 Millionen ausländische Staatsangehörige, 46,1 Prozent davon sind Frauen. Nicht alle ausländischen Einwohner_innen Deutschlands sind jedoch Migrant_innen: Jede achte Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit (12,6 Prozent; ca. 1,4 Millionen) wurde in Deutschland geboren. Darüber hinaus gibt es Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland eingewandert sind und sich nach langjährigem Aufenthalt hier haben einbürgern lassen bzw. als Interner Link: (Spät-)Aussiedler_innen unmittelbar nach der Ankunft in der Bundesrepublik die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben. An ihrem Pass lässt sich also nicht ablesen, dass es sich um Migrant_innen handelt. 2017 verfügten rund 5,24 Millionen Deutsche über eigene Migrationserfahrung, 2,76 Millionen davon waren Frauen (53 Prozent). Erfasst wird in diesen Zahlen nicht, dass es auch Interner Link: Deutsche gibt, die für eine Zeit im Ausland leben und dann wieder nach Deutschland zurückkehren. Auch sie verfügen natürlich über Migrationserfahrung, Interner Link: allerdings nicht im statistischen Sinn.

Die Palette der Gründe, warum Frauen migrieren, ist breit; ihre Migrationsmotive unterscheiden sich in der Regel nicht von denen von Männern: Einige gehen auf der Suche nach Arbeit oder besseren Karrierechancen in ein anderes Land; andere ziehen ihren bereits migrierten (Ehe-)Partnern oder anderen Familienangehörigen hinterher. Manche Interner Link: studieren im Ausland, machen dort ein Praktikum oder absolvieren einen Freiwilligendienst. Aus einem auf kurze Zeit angelegten Auslandsaufenthalt kann eine dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes in ein anderes Land werden. Der Verbleib im Ausland erfolgt etwa aus persönlichen Gründen (z.B. Familiengründung) oder weil sich die Teilhabechancen an zentralen gesellschaftlichen Bereichen wie dem Arbeitsmarkt als günstiger erweisen. Migration ist daher immer ein ergebnisoffener Prozess, der von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird.

Die Verlagerung des Lebensmittelpunktes in ein anderes Land erfolgt nicht in jedem Fall freiwillig. Zu den internationalen Migrant_innen zählen auch Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind.

Zahlen zu geflüchteten Frauen

Rohingya Geflüchtete laufen auf einem Weg in Teknaf, nachdem sie die Grenze zwischen Bangladesh und Myanmar überquert haben. (© picture alliance/Pacific Press Agency)

Ende 2017 gab es nach Angaben des Interner Link: UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) weltweit 19,9 Millionen anerkannte Flüchtlinge, die unter dem Mandat des UNHCR standen. Die Hälfte davon war weiblich. Allerdings schwankt der Anteil der Frauen an der Flüchtlingsbevölkerung je nach Weltregion. So waren in Afrika 51 Prozent aller Flüchtlinge weiblich. In Europa traf dies hingegen nur auf 39 Prozent der dort lebenden Flüchtlinge zu.

In Deutschland lebten Ende Juni 2018 673.409 Personen mit Interner Link: Asylberechtigung bzw. Flüchtlingsschutz, darunter 235.785 Frauen (35,1 Prozent). In diesen Zahlen spiegelt sich die hohe, männlich dominierte Fluchtzuwanderung der letzten Jahre wider. Interner Link: 2015 stellten 441.899 Menschen einen Erstantrag auf Interner Link: Asyl in der Bundesrepublik; 69,2 Prozent davon waren männlich, 30,8 Prozent weiblich. Das Hauptherkunftsland von Asylantragsteller_innen bildete Interner Link: Syrien; 73,8 Prozent der von dort stammenden Asylerstantragstellenden waren männlich. Seitdem hat der Frauenanteil unter den Personen, die in Deutschland Asyl suchen, zugenommen. 2016 lag er bei 34,3 Prozent, 2017 bei 39,5 Prozent. Das Geschlechterverhältnis unter syrischen Asylerstantragstellenden, die weiterhin die größte Gruppe der Asylbewerber_innen bilden, ist inzwischen annähernd ausgeglichen: 2017 waren 49 Prozent der syrischen Asylbewerber weiblich.

Wie in Deutschland ist auch in der EU-28 insgesamt ein (leichter) Anstieg des Frauenanteils unter Asylsuchenden zu beobachten. Stellten Frauen im Jahr 2015 einen Anteil von 27,4 Prozent aller Personen, die in der EU-28 erstmalig Asyl beantragten, waren es 2016 32,3 Prozent und 2017 33,2 Prozent.

Ein Grund für den wachsenden Frauenanteil an der Asylmigration in die EU (und damit auch nach Deutschland) kann darin gesehen werden, dass wichtige Asylländer wie Interner Link: Schweden und Interner Link: Deutschland den Familiennachzug zu bereits dort lebenden Geflüchteten seit 2015 eingeschränkt haben. Dies hat dazu geführt, dass sich seitdem mehr Frauen (und auch Kinder) selbst auf die gefährliche Flucht nach Europa machen. Untersuchungen im Erstankunftsland Griechenland bestätigen diese Einschätzung. Dort befragte geflüchtete Frauen gaben häufig an, auf dem Weg in andere europäische Staaten zu sein, wo bereits Familienangehörige Zuflucht gefunden hatten. Waren im Juni 2015 27 Prozent der in Griechenland ankommenden Geflüchteten Frauen und Kinder, so stieg ihr Anteil bis Dezember 2016 auf 55 Prozent. Frauen fliehen häufiger als Männer in Begleitung von Kindern, für die sie auf der Flucht dann die Verantwortung tragen. Die Schließung staatlicher Grenzen entlang der "Balkan-Route" fiel dabei zeitlich mit den von einigen europäischen Staaten vorgenommenen Einschränkungen des Familiennachzugs zusammen. Frauen und Kinder, die sich bereits auf den Weg nach Europa gemacht hatten, "strandeten" so unter sehr prekären Bedingungen in Griechenland.

In Deutschland wurde der Familiennachzug für Interner Link: subsidiär Schutzberechtigte ab Inkrafttreten des Interner Link: Asylpakets II am 17. März 2016 für zweieinhalb Jahre komplett ausgesetzt. Seit dem Interner Link: 1. August 2018 dürfen subsidiär Geschützte zwar wieder Familienangehörige ins Land holen. Allerdings werden monatlich nur insgesamt 1.000 Visa für diesen Zweck ausgestellt. Von den Einschränkungen betroffen sind vor allem syrische Asylsuchende, denen nach 2015 zunehmend nur noch der subsidiäre Schutzstatus zugesprochen wurde. Sie erhalten seltenerden vollumfänglichen Flüchtlingsschutz, der zum Nachholen von Angehörigen der Kernfamilie (Ehepartner_in und minderjährige Kinder) berechtigt. Bereits in Deutschland lebende männliche Geflüchtete aus Syrien mit subsidiärem Schutzstatus hatten zwischenzeitlich keine Möglichkeit mehr, ihre noch in der Herkunftsregion lebenden Ehefrauen nach Deutschland zu holen.

Flucht nach Europa: Aus der Unsicherheit in die Unsicherheit

Insbesondere Frauen, die allein auf der Flucht sind und nicht im Verbund mit männlichen Verwandten, laufen Gefahr, auf dem Weg nach Europa sexuelle Gewalt zu erfahren oder Opfer von Interner Link: Menschenhandel zu werden. Dies gilt vor allem für Frauen, die über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa gelangen und dabei häufig das bürgerkriegsgeschüttelte Interner Link: Libyen durchqueren müssen. Die geringen Möglichkeiten, über legale und sichere Wege wie Interner Link: Resettlement in Europa Schutz zu finden, erhöhen die Verwundbarkeit männlicher und weiblicher Geflüchteter. Oft sind sie auf die Dienste von Interner Link: Schlepper_innen angewiesen, um in die EU einreisen und einen Asylantrag stellen zu können. Das ungleiche Machtverhältnis zwischen Schlepper_in und Klient_in erhöht das Risiko, ausgebeutet zu werden. Bei rund 60 Prozent aller weltweit aufgedeckten Menschenhandelsopfer handelt es sich um internationale Migrant_innen. Insbesondere Menschen auf der Flucht vor gewaltsam ausgetragenen Konflikten und Verfolgung sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel zu werden. Weltweit sind rund drei Viertel der Opfer von Menschenhandel Frauen (51 Prozent aller ermittelten Menschenhandelsopfer) und Mädchen (20 Prozent). Durch die Überscheidung der Merkmale "Frau", "irreguläre Migrantin" und "Schutzsuchende" sind geflüchtete Frauen (Interner Link: im Sinne des Intersektionalitätsansatzes) damit besonders betroffen. Während Männer auf der Flucht vor allem Gefahr laufen, physische Gewalt zu erfahren und Kidnapping, Zwangsarbeit oder Haft ausgesetzt zu sein – insbesondere dann, wenn sie allein reisen (was sie häufiger als Frauen tun) – besteht für schutzsuchende Frauen ein höheres Risiko, Interner Link: sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt zu erleben.

Feminisierung der Migration

Die Zahl internationaler Migrant_innen hat im Rahmen der Interner Link: Globalisierung zugenommen. Zunehmende grenzüberschreitende (ökonomische) Vernetzungsprozesse sowie sinkende Transport- und Kommunikationskosten begünstigen nicht nur den Fluss von Waren und Dienstleistungen, sondern auch die Mobilität von Menschen. In den meisten Weltregionen ist der Anteil von Frauen am grenzüberschreitenden Migrationsgeschehen seit der erstmaligen Erfassung im Jahr 1990 leicht gewachsen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen migrieren Frauen häufig aus familiären Gründen: Sie ziehen gemeinsam mit ihren (Ehe-)Partnern in ein anderes Land oder reisen ihnen zeitversetzt im Rahmen der Familienzusammenführung nach. Zum anderen migrieren Frauen aber auch verstärkt unabhängig. Die global steigende Bildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen trägt dazu bei, dass sich der Zugang von Frauen zu Wissen, Informationen und (finanziellen) Ressourcen verbessert. Damit wird (grenzüberschreitende) Mobilität häufig überhaupt erst möglich.

Die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen in wichtigen Zielländern internationaler Migrationsbewegungen lässt zudem Arbeitsplätze in Haushalt, Betreuung und Pflege entstehen, die zunehmend von Migrantinnen besetzt werden. Die Nachfrage nach (gering qualifizierten) Arbeitskräften in Helferberufen, insbesondere im Pflegebereich, wächst auch vor dem Hintergrund alternder Bevölkerungen – vor allem in Europa und Nordamerika. Heute gibt es Schätzungen zufolge weltweit 17-25 Millionen Migrantinnen, die in Privathaushalten arbeiten – etwa Interner Link: als Reinigungskräfte, Pflegerinnen oder Babysitterinnen. Industriegesellschaften entwickeln sich verstärkt zu Dienstleistungsgesellschaften, in denen Frauen aus marginalisierten Weltregionen als "kostengünstige und flexibel einsetzbare Arbeitskräfte" verstanden werden.

Die skizzierten Prozesse begünstigen die Herausbildung einer nachfrageorientierten, unabhängigen Arbeitsmigration von Frauen. Die Zahl der Frauen, die allein migrieren und dabei (Ehe-)Partner, manchmal auch Kinder im Herkunftsland zurücklassen, steigt. In vielen Fällen haben (migrierte) Frauen in ihren Familien die Position der Haupternährerin übernommen. Die Interner Link: Rücküberweisungen von Migrantinnen leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Haushaltseinkommen und damit zum wirtschaftlichen Wohlergehen ihrer Angehörigen, sondern auch zur Interner Link: Entwicklung ihrer Herkunftsländer.

Migration kann zu Empowerment beitragen: Frauen können dadurch einen höheren Interner Link: Grad an Autonomie und Selbstbestimmung gewinnen. Ihre (grenzüberschreitende) Mobilität kann die Veränderung von Geschlechterrollen begünstigen – aber auch zu deren Stabilisierung beitragen. Die Präsenz von Migrantinnen, die in den Zielländern in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeiten, ermöglicht es Männern in diesen Ländern, sich nicht stärker im Haushalt, in der Kinderbetreuung oder der Pflege älterer Familienangehöriger einbringen zu müssen, obwohl ihre (Ehe-)Partnerinnen erwerbstätig sind. Lassen Migrantinnen Kinder in den Herkunftsländern zurück, sind es oft nicht die Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, sondern weibliche Familienangehörige, etwa Großmütter oder Tanten (sogenannte "care chains"). Das zeigt, dass auf beiden Seiten, den Herkunfts- als auch Aufnahmeländern, die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern weitgehend stabil bleibt – trotz oder gerade wegen der Migrationsbewegungen von Frauen.

Obwohl Frauen verstärkt ihre eigenen Migrationsprojekte verfolgen, werden Migrantinnen häufig nicht als aktive Gestalterinnen ihrer eigenen Biografien wahrgenommen. Vielmehr gilt ihre Migration – nicht zuletzt im Mainstream der Migrationsforschung – als Ausnahme oder als Folge der Migration von Männern: Frauen begleiten in dieser Wahrnehmung also lediglich ihre migrierenden (Ehe-)Partner oder ziehen ihnen nach. Ihre Migration ist somit abhängig von der Entscheidung und dem Migrationsstatus anderer. Damit wird ihnen Passivität zugeschrieben, häufig auch pauschal ein Opferstatus. Dies ist beispielsweise in Diskussionen um patriarchale Gesellschaftsstrukturen der Fall, die sich in westlichen Staaten nicht zuletzt an Debatten über (eingewanderte) muslimische Frauen festmachen. Deutsche Medien stellen insbesondere muslimische Migrantinnen häufig stereotyp als Exotinnen, Unterdrückte oder Fundamentalistinnen dar. Migrantinnen aus Osteuropa bringen sie hingegen eher mit Prostitution und Menschenhandel in Verbindung. Solche Pauschalisierungen verdecken die vielfältigen Lebensrealitäten migrierter Frauen und beschränken ihren Handlungsspielraum.

Zusammenfassend gesagt: Migration ist nicht geschlechtsneutral, denn Männer und Frauen machen sehr unterschiedliche Erfahrungen in der Migration. Dies gilt für jede Phase des Migrationsprozesses, etwa die Entscheidungsfindung, den Migrationsweg, also die eigentliche Reise in ein anderes Land, dort stattfindende gesellschaftliche Teilhabe- und Partizipationsprozesse (Interner Link: Integration) sowie Überlegungen zur Rückkehr oder Weiterwanderung. Gerahmt werden diese Prozesse durch migrationspolitische Regelungen zu Einreise, Verbleib und Erwerbstätigkeit, die ebenfalls nicht geschlechtsneutral sind. Nachdem sich die Migrationsforschung lange primär der Migration von Männern gewidmet hat, erscheint es vor diesem Hintergrund wichtig, die Migrationserfahrungen von Frauen stärker in den Blick zu nehmen. Das Dossier "Frauen in der Migration" zeigt einige der vielen Facetten im Hinblick auf Ursachen, Formen und Folgen weiblicher Migration auf.

Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Frauen in der Migration.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de