Der Nationalstaat und das Asylrecht
Asyl verweist auf einen Schutzstatus für solche Migrantinnen und Migranten, deren räumliche Bewegung vom aufnehmenden Staat als alternativlos wegen einer Nötigung zur Abwanderung aus politischen, ethnonationalen, rassistischen oder religiösen Gründen anerkannt wird. Die Geschichte des Asyls ist lang und reicht bis in das Altertum zurück. Das moderne Asylrecht entstand im Zusammenhang mit der Etablierung der europäischen Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, die immer wieder von Flucht und Verfolgung aus politischen Gründen begleitet war. Einige Zehntausend Menschen, die bewusst den Kampf gegen das herrschende politische System ihres Herkunftsstaates aufgenommen hatten, ergriffen meist vor der Verfolgung nationaler, demokratischer, liberaler oder sozialistischer Bewegungen die Flucht. Ein guter Teil der Europäer, der im 19. Jahrhundert vor staatlicher Gewalt und Verfolgung auswich, kam aus Deutschland. Das galt sowohl für die Zeit vor, während und nach der schließlich gescheiterten Interner Link: Revolution von 1848/49 als auch für das späte 19. Jahrhundert, nun vor allem im Kontext des bismarckschen Anti-Sozialistengesetzes 1878 bis 1890.
Vor dem Ersten Weltkrieg lassen sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche rechtliche Wege des Schutzes von Flüchtlingen ausmachen: Zum einen konnten sie ohne weitere Berücksichtigung der Motive und Hintergründe ihrer räumlichen Bewegung im Rahmen von Regelungen zur Zulassung von Einwanderern aufgenommen werden. Vor allem
Politisches Asyl im engeren Sinne war also im 19. Jahrhundert zumeist ein Bestandteil des Auslieferungsrechts. Seit den Revolutionen von 1830 wurden in Frankreich und Belgien politisch motivierte Delikte als Gründe für die Nicht-Auslieferung von Flüchtlingen gesetzlich festgeschrieben. Vorbildcharakter für Westeuropa entwickelte dabei vor allem das belgische Auslieferungsgesetz von 1833, dem ähnliche Regelungen in den Niederlanden 1849, Luxemburg 1870 sowie in der Schweiz 1892 folgten. Obwohl sich der Grundsatz der Nicht-Auslieferung politischer Flüchtlinge in einigen westeuropäischen Staaten durchsetzte, blieb die Macht des jeweiligen aufnehmenden Staates faktisch unbeschränkt, auszuweisen, abzuschieben und zurückzuweisen – die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts gab es nicht, von den Niederlanden seit 1849 abgesehen. Asyl blieb in den Aufnahmestaaten Europas damit immer ein politisch motivierter Akt der Duldung.
Anders als viele Länder Westeuropas waren die Staaten Mittel-, Ostmittel- und Osteuropas als Hauptausgangsräume politisch motivierter Migrationen durch asylfeindliche Haltungen gekennzeichnet. Deutschland bildete im 19. Jahrhundert kaum jemals ein Aufnahmeland für politisch Verfolgte – im Gegenteil: Die Staaten des Deutschen Bundes einigten sich 1832 in Reaktion auf das Hambacher Fest auf den Grundsatz der gegenseitigen Auslieferung von Oppositionellen, denen eine politische Straftat vorgeworfen wurde – während die gegenseitige Auslieferung bei gewöhnlichen Straftaten erst mehr als zwei Jahrzehnte später, 1854 nämlich, festgelegt wurde. Auf die innerdeutsche Auslieferungsverpflichtung von 1832 folgte 1834 ein Vertrag Preußens, Österreichs und Russlands über die gegenseitige Auslieferung bei politischen Delikten.
Der Erste Weltkrieg: Das "Jahrhundert der Flüchtlinge" beginnt
Fluchtbewegungen nahmen im 19. Jahrhundert im grenzüberschreitenden Wanderungsgeschehen nur vergleichsweise geringe Dimensionen ein. Das änderte sich mit dem Ersten Weltkrieg. Nun gewannen politisch bedingte räumliche Bewegungen erheblich an Gewicht. Massenabwanderungen begleiteten vor allem den russischen Bürgerkrieg 1918–1922 sowie die Staatenbildungen der Nachkriegszeit in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa. Sie zielten in erster Linie auf West- und Mitteleuropa. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Europa bis Mitte der 1920er Jahre rund zehn Millionen Menschen aufgrund der politischen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg Grenzen überschritten. Das Deutschland der Weimarer Republik wurde zu einem wesentlichen Ziel dieser Bewegungen und bot – mindestens temporär – Schutz für Hunderttausende.
Während die wenigen Migrantinnen und Migranten, die im 19. Jahrhundert in europäischen Staaten als politische Flüchtlinge Aufnahme fanden, vor allem als sicherheitspolitisches, gelegentlich auch als außenpolitisches Problem gesehen wurden, erschien die Massenzuwanderung des neuen "Jahrhunderts der Flüchtlinge" zunehmend als Herausforderung für den Sozialstaat. Ängste vor einer Zunahme der Erwerbslosigkeit, einer Überforderung des sozialen Sicherungssystems sowie einer kulturellen "Überfremdung" beherrschten die Debatte. Das galt auch für Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Dennoch schuf die Weimarer Republik rechtliche Kategorien für die Aufnahme von Flüchtlingen. Im "Deutschen Auslieferungsgesetz" von 1929 wurde das Asyl erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt durch das Festschreiben eines Verbots der Auslieferung bei politischen Straftaten. Und die preußische "Ausländer-Polizeiverordnung" vom April 1932 legte Preußen die Verpflichtung auf, politischen Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wenige Monate später allerdings wurde Deutschland wieder asylfeindlich und trieb außerdem Menschen ins Exil – wie bereits im 19. Jahrhundert, nun allerdings zu Hunderttausenden. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen übertrafen schließlich alle bis dahin bekannten Dimensionen von Flucht,
Die Etablierung des Asylgrundrechts in der Bundesrepublik Deutschland 1948/49
Die Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur, des Zweiten Weltkriegs und der mit ihm verbundenen Flüchtlingsbewegungen hatten die Notwendigkeit neuer Regelungen verdeutlicht. Die "
Das in den Diskussionen des