Der Druck auf den Deutschen Fußball-Bund wächst. Die Frauen überlegen ernsthaft, einen eigenen Verband zu gründen, abseits des DFB. Das bestätigt auch die langjährige Spitzenspielerin der TuS Wörrstadt Bärbel Wohlleben: "Der DFB hatte lange geschlafen und wollte partout nicht über seinen Schatten springen und das offiziell einfach nicht zulassen, und als der DFB gemerkt hat, dass sich da Vereine in Deutschland selbständig machen wollten, wollten einen eigenen Verband gründen, wurden die wach und haben gesagt, bevor die in eine andere Richtung tanzen, dann holen wir die doch rüber". (Bärbel Wohlleben, Interview 2007). Im März 1970 befasst sich der DFB-Beirat mit dem Thema und erklärt in einer unveröffentlichten Resolution: "Auf Grund der eingetretenen Entwicklungen und als Ergebnis seiner Beratungen vom 21.3.1970 hält es der DFB-Beirat für erforderlich, daß der Deutsche Fußball-Bund seine bisherige ablehnende Einstellung gegenüber dem Frauenfußball aufgibt". (Ratzeburg, Biese 1995. Frauen Fußball Meisterschaften... S.12)
Am 31. Oktober 1970 schließlich beschließt der DFB-Bundestag in Travemünde mit zwei Gegenstimmen: "Der im Jahre 1955 gefaßte Beschluß, Spiele von Damenfußball nicht zu gestatten, wird aufgehoben. Der DFB-Vorstand wird beauftragt, die erforderlichen Richtlinien zur Durchführung von Damenfußballspielen aufzustellen und deren Annahme zu empfehlen."
Gegen eine vollkommene Gleichberechtigung auf dem Platz setzen die Verbandsfunktionäre zunächst jedoch ein besonderes Regelwerk. Die Frauen müssen mit einem Jugendball spielen, Stollenschuhe sind verboten und die Spielzeit wird auf 2 x 30 Minuten begrenzt. "Das waren eigentlich alles Regeln, die uns mehr behindert als gefördert haben", erklärt Monika Koch-Emsermann, langjährige Spielerin und Trainerin beim FSV Frankfurt. (Monika Koch- Emsermann, Interview 1997) Die Herausgeberin von Dieda, der ersten Frauenfußball-Zeitschrift Deutschlands und ehemalige Chefin des FF-Magazins erinnert sich auch an eine "riesengroße Diskussion um einen Brustpanzer", einen verstärkten BH, den sich ein findiger Geschäftsmann für die Kickerinnen ausgedacht und als Patent angemeldet hatte. Doch der geschäftstüchtige Kaufmann kann mit seiner Erfindung weder bei den Fußballerinnen selbst noch beim DFB und seinen sportärztlichen Beraterinnen landen. Der "Brustpanzer" ist noch vor der Marktreife ein Auslaufmodell. Die "Bild-Zeitung" rät dennoch: "Fußball ist gesund, aber Steckt Watte in den BH!" Das Boulevardblatt zitiert im November 1970 den Schweizer Professor Gottfried Schönholzer, Vorsitzender der FIFA-Ärztekommission: "Es gibt keine oder nur unwesentliche Argumente gegen den Frauen-Fußball ... Frauen sind zumeist beweglicher und leichter gebaut. Wenn sie mit mehr Technik spielen, ist der Fußball auch für sie ungefährlich... Die Brust ist beim Frauen-Fußball mehr störend als gefährdet. Ich würde den Damen einen dicken wattierten Büstenhalter empfehlen." Des weiteren meint der Schweizer Mediziner, Frauenfußball habe wenig Aussicht, eine echte Mannschaftssportart zu werden, denn "Frauen haben keine so große Antenne für den Teamgeist wie Männer. Ihr Kameradschaftsgeist ist nicht so ausgeprägt..." (BILD, 4.11.1970)
Von der Stadtliga zur ersten Deutsche Frauenfußball-Meisterschaft
Wenn auch im März 1971 bereits 28 Frauen-Teams in Hamburg in einer Stadtliga spielen, so hält sich der DFB mit der Förderung und Entwicklung eines bundesweiten Frauenfußball-Spielbetriebes sehr zurück. Wenig Gefallen findet Frauenfußball in weiten Kreisen des Fachpublikums. Der damalige Bundestrainer Helmut Schön findet Frauenfußball "nicht gerade ästhetisch" und urteilt im Kölner Boulevardblatt "Express" ganz im Geiste der 50er Jahre: "Die Frau ist von der Natur her nicht für diesen Sport geeignet." Der ehemalige "Bomber der Nation" Gerd Müller meint, dass Frauen lieber kochen statt kicken sollen und der Berliner Hertha-Star Uwe Witt verkündet in der Bild-Zeitung: "Wenn meine Frau spielt: Scheidung!" (BILD, 4.11.1970)
Im rheinhessischen Wörrstadt, unweit von Mainz, wird Philipp "Fips" Scheid mit einer erstklassigen Elf Anfang der 70er Jahre zur treibenden Kraft im deutschen Frauenfußball. Gemeinsam mit dem Südwest-Konkurrenten Bad Neuenahr, den Frankfurterinnen von "Oberst Schiel" und den Frauen vom FC Bayern München engagieren sich die Wörrstädter für eine Deutsche Frauenfußball-Meisterschaft. Doch das geht der Frankfurter DFB-Zentrale alles viel zu schnell. Als Fips Scheid ein bundesweites Turnier unter dem Namen "Deutschlandpokal" organisieren will, legt sich die DFB-Spitze mit Präsident Hermann Neuberger und Generalsekretär Horst Schmidt quer. "Als ich dann mit der Bildzeitung gedroht habe", erklärt Fips Scheid, "dass die eine große Überschrift auf der ersten Seite bringen: DFB verbietet Fußballspielen für die Damen, da hat dann Horst Schmidt doch eingelenkt und da haben wir uns dann geeinigt auf den Namen Goldpokal." (Fips Scheid, Interview 2005) Das attraktive Turnier wird 1973 ein voller Erfolg und eine große Werbung für den Frauenfußball. Die eingeladenen DFB-Funktionäre scheinen überzeugt und organisieren ein Jahr später, 1974, die erste Deutsche Frauenfußball-Meisterschaft.
Für das Finale in Mainz am 8. September 1974 qualifizieren sich DJK Eintracht Erle aus Gelsenkirchen und die TuS Wörrstadt. 4:0 siegen die Rheinessen vor 4.000 Zuschauern und werden erster Deutscher Frauenfußball-Meister. Zu Hause in Wörrstadt werden die Meisterinnen zünftig empfangen. Das ganze Dorf ist auf den Beinen und man feiert bis spät in die Nacht, erinnert sich Bärbel Wohlleben: "Das war schon im Damenfußball eine Hochburg und das wurde von den Wörrstädtern unterstützt. Also die Nacht wurde zum Tag gemacht, da war ordentlich was los, die Feuerwehr kam und so n Blasorchester, halb Wörrstadt war am Römerbrunnen gewesen, an dem kleinen Marktplatz und hatte uns da empfangen, das war schon toll". (Bärbel Wohlleben, Interview 2007)
Schließlich wird Bärbel Wohllebens 3:0 im Meisterschaftsfinale in der ARD-Sportschau sogar zum Tor des Monats gewählt. Zum ersten Mal erhält damit eine Frau diese Auszeichnung.