Ja. Jeder kann etwas dazu beitragen, dass die Situation eine Spur besser wird und es Fälscher damit insgesamt etwas schwerer haben. Der erste Schritt ist, selbst ein möglichst gutes Radar für dubiose Behauptungen zu entwickeln – um nicht auf Täuschungen hereinzufallen und um andere im Freundeskreis rasch zu warnen. Zweitens können wir geschickter werden im Kontern mit Aufklärung und mit der Betonung dessen, was richtig ist und was falsch.
Misstrauen Sie Fotos
Fälscher arbeiten häufig mit Bildern, weil diese authentisch anmuten. Fotos werden einerseits retuschiert, andererseits werden auch alte Aufnahmen verwendet und in einen neuen, verzerrten Kontext gestellt: Seit Jahren kursiert zum Beispiel zu Weihnachten ein Video auf sozialen Medien, bei dem dunkelhäutige Kinder auf einem Weihnachtsbaum herumklettern. Dazu wird behauptet, das Video zeige ein Hamburger Einkaufszentrum, und junge Muslime hätten keinen Respekt für das Christentum. Doch diese Aufnahme wurde aus dem Kontext gerissen: Sie ist schon relativ alt und zeigt nicht Hamburg. Das Video wurde in einem Shopping-Zentrum in Kairo aufgezeichnet, wo Kinder tatsächlich einmal auf den Christbaum kletterten – ein eher harmloser Vorfall. Die Security-Bediensteten holten die Kids wieder vom Baum herunter, weil man natürlich auch in Kairo nicht einfach auf die Deko des Shoppingcenters klettern darf. Dieses Video wird jedes Jahr zu Weihnachten erneut hochgeladen und als Beleg umgedeutet, wie sehr das Christentum angeblich in Gefahr sei. Gerade bei solchen – auf den ersten Blick – wütend machenden Aufnahmen sollte man vorsichtig sein.
Simpler Trick: Die Authentizität von Bildern kann man häufig überprüfen – Bildersuchmaschinen zeigen einem an, ob eine Aufnahme schon früher im Web hochgeladen wurde. Unter der Adresse Externer Link: images.google.com lässt sich jedes Foto hochladen und darauf überprüfen, ob es bereits im Web zu finden ist. Wurde eine Aufnahme schon vor fünf Jahren geteilt, dann kann sie nicht der Fotobeleg für einen Vorfall gestern sein – hier wurde altes Videomaterial entwendet. Auch manipulierte Bilder lassen sich mitunter entlarven: Vergleicht man das Originalbild mit der neuen Version, sieht man die Unterschiede, also welche Details retuschiert wurden. Wird man bei Google nicht fündig, empfiehlt sich auch die Bilder-Suchmaschine TinEye (Externer Link: tineye.com), die manchmal andere Treffer liefert. Suchmaschinen können natürlich nicht jede Bild-Manipulation auflären, aber sie sind doch ein hilfreiches Tool. Denn Fälscher sind oft überraschend faul und nehmen einfach das erstbeste Bild aus dem Netz.
Misstrauen Sie der Optik
Unseriöse Seiten schauen oft überraschend "normal" aus. Es ist extrem günstig geworden, eine seriös wirkende Webseite zu starten (unabhängig von der Frage, ob die Inhalte dort seriös sind). Für 100 Euro im Jahr kann man den nötigen Webspace, eine vertrauenswürdig klingende Internetadresse und ein schickes Design für die eigene Seite kaufen. Auf den ersten Blick schaut so ein Webauftritt dann sogar ähnlich wie ein professioneller Nachrichtenanbieter aus – und davon lassen sich Nutzer immer wieder täuschen. Wenn man eine Webseite nicht kennt, sollte man sich also fragen: Moment, wer betreibt denn diese Seite?
Simpler Trick: Innerhalb der EU muss jede Seite ein Impressum haben – und dort den Namen der Betreiber und eine Adresse angeben. Bietet eine deutschsprachige Webseite kein richtiges Impressum, ist dies ein absolutes Warnsignal. Auch lohnt es sich, ins Impressum oder den Punkt "Über uns" zu schauen, weil einige Seiten dort erklären, dass alles nur "Satire" oder ein "Witz" sei. Wird man aus dem Impressum nicht schlau oder fehlt dieses, empfiehlt sich auch folgendes: Googeln Sie den Namen der Ihnen unbekannten Seite. Hat ein Onlineportal bereits einen Ruf als Desinformationsschleuder, dann werden Sie in der Google-Suche oft auch warnende Artikel oder Faktenchecks finden. Ich empfehle generell: Teilen Sie keine Inhalte von Seiten, die Sie nicht kennen und deren Vertrauenswürdigkeit Sie nicht einschätzen können. Hinter einer seriös wirkenden Optik kann viel Unsinn stecken.
Misstrauen Sie Ihrer Emotion
Falschmeldungen funktionieren über Gefühle: Viele irreführende Behauptungen lösen gezielt Wut aus oder bestätigen die eigenen Feindbilder, sodass Menschen den Impuls spüren, prompt die Meldung mit ihren Bekannten zu teilen – weil man sich furchtbar ärgert oder weil man sich so bestätigt fühlt. Im Affekt vergisst man die zentrale Frage: Stimmt die Behauptung wirklich?
Simpler Trick: Achten Sie auf Ihre Emotion. Wenn eine Meldung Sie total in Wut versetzt oder Ihnen aus der Seele spricht, sollten Sie prompt vorsichtig werden und schauen, ob diese Behauptung von einer seriösen Seite kommt. Denn gerade Fälscher formulieren Nachrichten so, dass sie uns emotional bestätigen – ein starker emotionaler Impuls ist ein Warnsignal. Nicht alles, was brisant anmutet, ist falsch. Aber die Realität ist oft deutlich langweiliger als eine Falschmeldung.
Natürlich will nicht jeder Internetnutzer selbst zum Detektiv werden und skandalös klingenden Aussagen hinterherrecherchieren – die gute Nachricht ist: muss man auch nicht. Besonders weit verbreitete Gerüchte wurden oft schon von Faktencheckern überprüft – im deutschsprachigen Raum liefern Seiten wie Externer Link: Mimikama.at, Externer Link: faktenfinder.tagesschau.de oder Externer Link: Correctiv.org Aufklärung. Googeln Sie einfach eine falsche Behauptung und schreiben Sie dazu das Wort "Faktencheck" oder "Fake", also zum Beispiel "weihnachtsbaum hamburg muslime faktencheck". Sie werden dann oft als ersten Treffer die Ergebnisse eines Faktenchecks angezeigt bekommen. Unter Externer Link: hoaxsearch.com bietet das Aufklärungsportal Mimikama auch eine Suchmaske für alle getätigten Faktenchecks. Man muss nicht alles selbst recherchieren – oft hilft es bereits, zu wissen, wo man nachschauen kann.
Andersdenkende aufklären?
Selbst keine Falschmeldungen zu verbreiten, ist ein guter erster Schritt. Will man aber zur Aufklärung beitragen, stellt sich die Frage: Wie überzeuge ich Menschen davon, dass eine Behauptung gar nicht stimmt? Nur weil richtige Information erhältlich ist, heißt dies nicht, dass Menschen daran glauben. Gerade bei gesellschaftlich polarisierenden politischen Themen ist es ungemein schwerer, Andersdenkende argumentativ zu erreichen. Das Kernproblem beim Diskutieren im Netz ist, dass dieses häufig in einer feindlichen Atmosphäre stattfindet: Treffen Andersdenkende auf Facebook oder in Zeitungsforen aufeinander, dann oft um sich gegenseitig auszurichten, wie falsch der andere die Welt sieht. Doch wenn politische Debatten eher einem Schlagabtausch als einem respektvollen Gespräch entsprechen, wird logischerweise wenig Aufgeschlossenheit für die andere Sichtweise und deren Argumente existieren. Meine Empfehlung: Diskutieren Sie lieber in jenen Gruppen oder auf jenen Seiten, wo es zwar unterschiedliche Meinungen, aber auch Grundregeln im Austausch gibt – etwa, dass Beleidigungen nicht stehen bleiben dürfen. Wenig überraschend polarisiert das Posten von Beleidigungen und trägt dazu bei, dass sich die Kluft zwischen Andersdenkenden vergrößert. Doch es gibt Szenarien, in denen Fakten eine größere Chance haben. Hier ein paar Tipps:
Liefern Sie Erklärungen
Die Korrektur einer Falschmeldung ist effizienter, wenn Menschen die Hintergründe verstehen. Bürger merken sich eine Information eher, wenn sie ihnen schlüssig erscheint.
Zitieren Sie Quellen, der die konkrete Person vertraut
Ein Problem in polarisierten Debatten ist, dass ein Teil der Bürger selbst seriöse Quellen nicht akzeptieren will – dann heißt es schlimmstenfalls, der "Spiegel" sei die "Lügenpresse", und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei "gleichgeschaltet". Wenn Bürger so verfestigte Ansichten vertreten, gibt es einen argumentativen Umweg: Womöglich findet sich eine Quelle, die die richtige Information verbreitet hat, die aber trotzdem Ansehen bei dieser Person genießt. Zum Beispiel kann es sogar sein, dass Prominente eine aufklärende Rolle spielen, wenn sie reale Probleme ansprechen und gleichzeitig hohes Vertrauen genießen. Auch ist es effizienter, bei Menschen eher jene Personen oder Medien zu zitieren, die in ihrem Umfeld Anerkennung genießen. Noch mal zum Beispiel der Nachtflüge: Auch das rechte Medium "Junge Freiheit" hat dieses Gerücht von den Nachtflügen nachrecherchiert – und kam zum Schluss: "Es ist nichts dran an dieser Story."
Je mehr man schließlich als Bürgerin und Bürger auch die Mechanismen der großen Plattformen versteht, desto mehr kann man darauf achten, mit dem eigenen Klick-, Link-, und Like- Verhalten nicht ausgerechnet den unseriösen Akteuren zu helfen. Und wenn Sie im Gegenzug sehen, dass gerade ein wichtiger Faktencheck zu einer ärgerlichen Falschmeldung erscheint: Liken Sie das doch, kommentieren Sie es oder verlinken Sie die Info. Natürlich können wir alle einen Beitrag dazu leisten, dass seriöse und richtige Information sichtbarer wird – und die Fälscher und Provokateure es eine Spur schwerer haben.
Bearbeiteter Auszug aus: Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren. Erweiterte und aktualisierte Neuauflage Copyright © 2018 Ingrid Brodnig/Brandstätter Verlag.