"Abweichungen"
Von 1948 bis 1956 galt für die SED neben "Sozialdemokratismus" und "Trotzkismus" der "Titoismus" als innerparteilicher Hauptfeind, der zu bekämpfen war. Mit der Stalinisierung der SED
Vor allem ab 1949 nahm die Verdammung titoistischer Abweichler immer schärfere Formen an. Allerdings waren bereits 1947 Anzeichen für eine Diffamierung von Nonkonformisten vorhanden. Doch zu dieser Zeit galt die KP Jugoslawiens unter Führung Titos für die SED-Spitze noch als vorbildlich, sie wurde nach der KPdSU sogar als "Nummer Eins" im entstehenden Ostblock bewertet. Daher kam im ersten Hinweis auf Abweichungen selbstverständlich Tito gar nicht vor.
Unter dem Titel "Über marxistische Abweichungen in älterer und jüngster Zeit" erschien schon im März und April 1947 ein Artikel in der "Einheit", der "Theoretischen Zeitschrift des wissenschaftlichen Sozialismus", herausgegeben vom Parteivorstand der SED. Verfasser war der seinerzeit in Marburg tätige, später in Leipzig lehrende, bekannte Romanist Werner Krauss (1900–1976).
Krauss beschäftigte sich zunächst mit dem Anarchismus, kritisierte dann die "Kinderkrankheit des Radikalismus" sowie "Opportunismus und Revisionismus". Er bezog sich immer wieder auf Lenin und die Dialektik. Inhaltlich polemisierte er gegen den Rechtskommunisten August Thalheimer, den er als deutschen Nationalisten bezeichnete, weil dieser die Politik aller Alliierten kritisiert hatte. Auf "Trotzki und Konsorten" ging Krauss lediglich in einem Nebensatz ein, nur in einer Fußnote erwähnte er Stalin (dessen Schrift gegen Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution). Insgesamt hat der etwas verwirrende Text wenig Handfestes zum Thema geliefert. Warum Krauss, der von inneren Parteikämpfen nichts verstand (er war erst seit 1945 in der KPD), diesen Artikel verfasste, war nicht festzustellen, ebenso wenig, warum ihn der Chefredakteur der "Einheit", der ehemalige Linkssozialist (SAP) Georg Zweiling, überhaupt druckte.
Offensichtlich hat der Krauss-Aufsatz über Abweichungen bei SED-Funktionären kaum Eindruck erweckt. Beispielsweise war der bereits seit Frühjahr vorliegende Artikel im Herbst 1947 auf der SED-Parteihochschule fast unbekannt.
Tatsächlich war der Hinweis auf die notwendige Bekämpfung von Abweichungen im Frühjahr 1947 merkwürdig. Die SED vermied es noch, nach außen zuzugeben, dass sie die Fortsetzung der stalinistischen KPD mit ihren Praktiken innerparteilicher Säuberungen, der Eliminierung von Ketzern war. Noch hielt sie an der der Behauptung fest, sie sei eine neue, deutsche marxistische, nicht "leninistische" Partei. Dies gehörte zur Mischung von Zwang und Betrug, mit der die Sozialdemokraten 1946 in die SED eingeschmolzen worden waren.
Auf dem II. Parteitag der SED im September 1947 war "Abweichung" kein Thema. Einige frühere Sozialdemokraten bestanden auf einem "deutschen Weg zum Sozialismus", Marx und nicht Lenin oder Stalin blieben Vorbild. Kurz darauf, im November 1947, schrieb Walter Ulbricht jedoch (ebenfalls in der "Einheit"), die SED sei "auf dem besten Wege", eine "Partei neuen Typus" zu werden, eine "Kampfpartei", "geleitet von der wissenschaftlichen Theorie von Marx, Engels, Lenin und Stalin".
Der Artikel von Werner Krauss ist der politischen Linie vorausgeeilt wie ein Signal kommender Strategie gegen Abweichungen im Zuge der Stalinisierung der SED. Eigenartig war auch, dass sein Text keineswegs der verbindlichen sowjetischen Lesart entsprach. Denn seit den blutigen Stalinschen Säuberungen 1936–1938 in Moskau waren kommunistische Abweichler als Verbrecher einzuschätzen, es konnte also gar keine "marxistischen" Abweichungen geben. Der KPD-Verlag Neuer Weg in Berlin gab schon 1945 den "Kurzen Lehrgang" der Geschichte der KPdSU heraus. In diesem Stalin zugeschriebenen Lügengebilde wurden Trotzkisten und andere Abweichler als "Scheusale", als eine "Bande von Volksfeinden", sogar als "Lakaien der Faschisten" diffamiert.
Bis zum Zusammenbruch der DDR blieb die SED bei ihrer stalinistischen Grundthese, dass jeder Abweichler als Parteifeind zu bekämpfen war. Auch wenn sich ihre Methoden der "Bekämpfung" änderten, gehörte diese stalinistische Aussage zum Kern der Ideologie, war Bestandteil des Freund-Feind-Denkens, des Terrors. 1948 wurde dann neben dem Trotzkismus noch der "Titoismus" als feindliche Abweichung erfunden.
Feldzug gegen den "Titoismus"
Der Bruch zwischen Stalin und Tito im Sommer 1948 trieb die Stalinisierung in der SED voran, womit der Kampf gegen "Parteifeinde", in den Mittelpunkt rückte. Als der Konflikt am 27. Juni mit der Resolution des "Informationsbüros der Kommunistischen und Arbeiterparteien" (Kominform) gegen die KP Jugoslawien öffentlich wurde, stellte sich das Zentralsekretariat der SED bereits am 3. Juli uneingeschränkt hinter Stalin und verurteilte die "Fehler" der KP Jugoslawiens.
Den offiziellen Startschuss für die Verfolgung jeder Opposition gab der SED-Parteivorstand am 29. Juli 1948 mit dem Beschluss über die "Säuberung der Partei von feindlichen und entarteten Elementen". Damit war die Stalinisierung der SED in vollem Gange.
Als Zeitzeuge habe ich über diese Vorgänge genauer berichtet.
Alsbald rückten die Titoisten ins Zentrum der Angriffe und Repressionen. In der SBZ/DDR (wie der westdeutschen KPD) war der "Kampf gegen Titoismus" ab 1948 selbstverständlich eingeordnet in die Auseinandersetzungen zwischen Tito und Stalin. Damit wurde das Kominform
Bereits im Sommer 1948 veröffentlichte die SED eine Broschüre gegen die "Entartung" der "jugoslawischen Parteiführung" (das Vorwort Wilhelm Piecks ist vom 22. August datiert).
Noch schärfer wurden die SED-Angriffe gegen den Titoismus 1949. Obwohl der Einfluss von dessen "dritter Weg"-Konzeption erst später Bedeutung erlangte, fürchtete die Ulbricht-Führung ab 1949 die Verbreitung von "titoistischen" Ideen in der DDR. Von Belgrad aus wurden Dokumente und Argumente der KP Jugoslawiens auch in deutscher Sprache verbreitet. Der einzige höhere SED-Funktionär, der im März 1949 aus der SBZ nach Belgrad geflüchtet war, Interner Link: Wolfgang Leonhard, schrieb gegen das Kominform.
In der Broschüre, "Die Wahrheit über das sozialistische Jugoslawien"
Den ideologischen Auseinandersetzungen lag jedoch die reale Situation zugrunde: der stalinistische Anspruch Moskaus nach noch stärkerer Vorherrschaft im Weltkommunismus. Die "titoistischen" Selbstständigkeitsbestrebungen beunruhigten die SED-Führung unter Ulbricht, durch die harte Parteidiktatur und die bestimmende Besatzungsmacht erhielten diese Ideen nie eine Chance, sich zu artikulieren.
Rasch verschärfte sich der Ton Moskaus gegen die jugoslawischen Kontrahenten. Auch die SED folgte dieser Linie sofort. Beim Blick in die Zeitung des Kominform ist zu erkennen, wie schnell die Kritik in hasserfüllte Verurteilung der Tito-Abweichler umschlug. Hieß es in der Dezember-Ausgabe 1948 noch, die "Stalinsche Weisheit" habe den "Nationalismus der Gruppe Titos rechtzeitig" aufgedeckt, so lautete im März 1949 die Schlagzeile bereits: "Die Tito-Clique – der Erzfeind der UdSSR und der Volksdemokratien". Und im September 1949 geiferte das Blatt im Leitartikel, die "bürgerlich-nationalistische Tito-Clique" sei logischerweise "beim Faschismus angelangt". Gehetzt wurde nun gegen diese "frech gewordenen faschistischen Gewalttäter" Titos.
Verfolgungen
Parallel zu diesem immer hysterischeren stalinistischen Geschrei verlief die staatliche Verfolgung politischer Abweichler im Ostblock, die pauschal als "Titoisten" verfemt wurden. Die Exzesse mündeten in inszenierten Schauprozessen mit der Verurteilung führender Kommunisten wie László Rajk im September 1949 in Ungarn, Traitscho Kostoff im Dezember 1949 in Bulgarien; auch andere "Titoisten" wurden verurteilt und hingerichtet.
Unter den Konferenzteilnehmern des Kominform vom Juni 1948, die Tito verdammten, waren sowohl Traitscho Kostoff aus Bulgarien als auch Rudolf Slánsky und Bedfiich Geminder aus der ČSR. Kostoff ist im Dezember 1949 in einem Schauprozess in Sofia als "Titoist" zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Gegen Generalsekretär Slánsky und Geminder fand der Prager Schauprozess im November 1952 statt. Auch hier lautete die Anklage "Titoismus", allerdings war nun eine antisemitische Tendenz vorrangig, bei elf der 14 Angeklagten wurde die "jüdische Abstammung" betont. Kostoff, Slánsky, Geminder gehörten zu den Führern der KPen des Kominform, die zuvor auf Stalins Anweisung den "Titoismus" erfanden und ihn liquidieren sollten. Jetzt wurden Täter selbst zu Opfern – was im Stalinismus sehr häufig vorkam.
Haus des Zentralsekretariats der SED in der Berliner Torstraße, Ecke Prenzlauer Allee, dekoriert anlässlich des 70. Geburtstags Stalins 1949. (© Bundesarchiv, Bild 183-S91405, Fotograf: Heinz Funck)
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Haus des Zentralsekretariats der SED in der Berliner Torstraße, Ecke Prenzlauer Allee, dekoriert anlässlich des 70. Geburtstags Stalins 1949. (© Bundesarchiv, Bild 183-S91405, Fotograf: Heinz Funck)
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Eine Kehrseite der brutalen Säuberungen war der Personenkult um Stalin. Bereits wenige Tage nach der Hinrichtung des Altkommunisten Kostoff in Sofia feierte die gesamte kommunistisch-stalinistische Welt den 70. Geburtstag des Diktators Stalin. Ulbricht verherrlichte den Despoten namens der SED in einem Brief vom 21. Dezember 1949 als "größten Wissenschaftler", als "genialen Steuermann", er glorifizierte ihn sogar als "geliebten Führer der Völker". Und genau wie den Kult um Stalin machte die SED jeden Schritt gegen Abweichler mit.
In seinem Vorwort zum Protokoll des Rajk-Prozesses hatte zum Beispiel Kurt Hager am 29. Oktober 1949 sowohl die "verbrecherische Tito-Clique" geschmäht als auch "Lehren" für die SED verlangt. Er forderte "Wachsamkeit", die "Schädlingsarbeit der Tito-Agenten und anderer Trotzkisten" sei "rücksichtslos" zu "entlarven".
Als Besatzungsgebiet der UdSSR war die SBZ, und dann auch die DDR, ganz besonders in das stalinistische System der Repressionen eingespannt. Das richtete sich inzwischen selbst gegen führende Kommunisten in den eigenen Reihen. Von der SED wurde deshalb ein großer politischer Schauprozess vorbereitet
Mit dem Parteiausschluss und der späteren Verhaftung des SED-Politbüromitglieds Paul Merker und anderer im August 1950 begann eine Welle von Verfolgungen gegen sogenannte Titoisten und Trotzkisten, die selbst nach Stalins Tod 1953 nicht endete. Die "Tito-Agentur" wurde weiterhin als "faschistisch" verfemt.
Im Westen waren sowohl die Position der Sowjetunion als auch Jugoslawiens "eigener Weg" von Anfang an nachzuprüfen,
Nach 1945 war die KPD zunächst noch eine Partei mit respektabler Anhängerschaft, was Mitglieder wie Wähler betraf. Das änderte sich mit der westdeutschen Währungsreform, die eine Woche vor der Veröffentlichung der Kominform-Resolution stattgefunden hatte. Von da an ging es mit der KPD bergab. Der Kampf gegen Tito, den die von der SED abhängigen und ebenfalls auf Stalin eingeschworenen westdeutschen Kommunisten mitmachten, trug zu ihrer weiteren Schwächung bei. Insbesondere 1949 geriet die KPD in eine Krise. Ihre Wähler wie Mitglieder verließen die Partei wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs in den Westzonen und des Zurückfallens der SBZ. Doch wegen des verschärften Stalin-Tito-Konflikts kamen auch vielen Funktionären Zweifel.
Nach dem Desaster bei den Bundestagswahlen im August 1949, bei der die KPD fast an der Fünf-Prozent-Klausel gescheitert wäre, verließen zahlreiche Funktionäre die Partei oder wurden als "Titoisten" ausgeschlossen. Schon vorher existierten zwei unabhängige Gruppen von Kommunisten, die Rechtskommunisten der früheren KPO, jetzt Gruppe "Arbeiterpolitik" sowie die Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD), die Trotzkisten der IV. Internationale. Beider Einfluss auf die Anhänger der KPD blieb gering.
Die Unabhängige Arbeiterpartei Deutschlands
Gründungskongress der Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands am 25.3.1951 in Worms: Mitglieder des Vorbereitungsausschusses (v.l.) Werner Sicher, Josef Schappe, Georg Fischer und Wolfgang Leonhard. (© ullsteinbild)
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Gründungskongress der Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands am 25.3.1951 in Worms: Mitglieder des Vorbereitungsausschusses (v.l.) Werner Sicher, Josef Schappe, Georg Fischer und Wolfgang Leonhard. (© ullsteinbild)
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Während manche der Funktionäre aus der KPD zur SPD wechselten, versuchten andere eine neue Sammlung der Opposition, auch deshalb, weil die Angriffe gegen Jugoslawien immer absurder wurden. Am 23. Juli 1950 trafen sich in Ratingen bei Düsseldorf über 50 Funktionäre und warben für eine unabhängige Arbeiterpartei. Einberufer war der frühere Chefredakteur des KPD-Zentralorgans "Freies Volk", Joseph Schappe aus Ratingen. Unter seiner Leitung erschien am 12. August die erste Nummer der "Freien Tribüne", eines kommunistischen Oppositionsblatts, als "Organ des Vorbereitungsausschusses zur Bildung einer unabhängigen Arbeiterpartei".
Die neue Partei erregte nicht nur in der Presse Aufmerksamkeit. Besatzungsmächte und die SED zeigten sich beunruhigt. Vor allem die KPD war besorgt, sie versuchte (erfolglos), den Gründungsparteitag zu stören. Dass bis in die Parteiführung hinein Spitzel des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, aber auch konkurrierender Parteien saßen, wäre ein eigenes Kapitel einer Untersuchung.
Vor dem Parteitag hatte das Organ "Freie Tribüne" am 24. März 1951 die Losung für den Gründungskongress verkündet; sie sei "Die Partei der Arbeiterklasse". Diese Bezeichnung für die neue UAPD war mehr als großsprecherisch, es handelte sich um eine sehr kleine Partei. Wie die Entwicklung rasch zeigen sollte, wurden die Erwartungen und auch Hoffnungen in die UAP bald enttäuscht.
Immerhin waren auf dem Parteitag am 24. und 25. März 1951 144 Delegierte und 25 Gastdelegierte anwesend, die von Georg Fischer begrüßt wurden. Das Grundsatzreferat hielt Jupp Schappe, zu den Ergebnissen der Programmdebatte sprach Wolfgang Leonhard. Die Delegierten wählten eine zentrale Parteileitung mit 29 Mitgliedern. Die meisten Stimmen erhielt Helmut Fleischer
Die heterogen zusammengesetzte, antistalinistische Partei konnte jedoch keinen Masseneinfluss gewinnen, sie galt als titoistisch und trotzkistisch, obwohl sie sich gegen diese Etikettierung wandte.
Durch die Spaltung hatten die Trotzkisten wenig gewonnen. In Köln trafen sich Ende September 1951 ehemalige UAPD-Funktionäre. Diese "Marxisten in der UAPD" forderten die Rücknahme des Sekretariatsbeschlusses vom 28. August gegen den Trotzkismus, für den sie die "Schappe-Leonhard-Clique" verantwortlich machten. Eine Entschließung wurde von dem ehemaligen Sekretariatsmitglied Heinrich Bixl sowie den Trotzkisten Willy Boepple, Herbert Fulfs und Werner Sicher (Salus) "im Auftrag der Konferenz" unterschrieben.
Schon Ende des Jahres 1951 war die UAPD praktisch am Ende. Die "Freie Tribüne" musste eingestellt und die hauptamtlichen Funktionäre entlassen werden. Offensichtlich hatte die KP Jugoslawiens ihre (geheime) Unterstützung beendet. Unter Georg Fischers Leitung blieb 1952 eine Restgruppe aktiv. Ein "Mitteilungsblatt" als "Freie Tribüne, 3. Jahrgang" kam 1952 heraus. Die Zeitschrift "machten" Werner Hoffmann und Theo Pirker, zwei später sehr bekannte Akademiker. Am 20. Oktober 1952 kapitulierte das Rest-Sekretariat endgültig. Georg Fischer, Wolfgang Geese, Hans Dormann, Wolfgang Leonhard und Hans Spittmann gaben in einem Rundbrief "unseren Mitgliedern die Organisationsfreiheit wieder". Es sei "nicht gelungen, eine kampfkräftige unabhängige Arbeiterpartei zu entwickeln". Im Rückblick erwähnten sie die "verheerende Situation" nach "der jähen Verarmung der UAPD", womit das Ausbleiben der jugoslawischen Unterstützung verschleiert wurde. Dies habe zur "Einstellung der 'Freien Tribüne' und zur Auflösung" des (hauptamtlichen) "Arbeitssekretariats" geführt.
Ende des Titoismus
Der Titoismus war in Deutschland nicht nur von der SED unterdrückt worden. Selbst das Bemühen von kritischen Kommunisten in der Bundesrepublik, eine eigenständige kommunistische Bewegung gegen den Stalinismus zu bilden, ist (ähnlich wie in anderen Ländern, etwa Italien) auch in einem freiheitlichen westlichen System missglückt.
Im Ostblock ging die Hetze weiter, da wurde 1951 wie 1952 gesprochen vom "despotischen, faschistischen Regime der Tito-Clique", ihrer "grausamen Herrschaft", von der "faschistischen Clique Tito-[Aleksandar]Rankovic".
Da die Tito-Führung in Jugoslawien aber selbst über staatliche Macht verfügte, konnte sie sich gegen Stalin halten. Aus einer leichten Abweichung, die sich gegen Moskaus Eingriffe in die Praxis der KP Jugoslawiens wehrte, wurde der Titoismus zu einem eigenen Modell, das sich vom sowjetischen "Sozialismus" unterscheiden musste und wollte. Der besondere "nationale Weg" Titos ging mit Angriffen gegen den Stalinismus einher. Jugoslawiens sozialistisches Gegenmodell hieß Arbeiterselbstverwaltung, mehr Freiräume der Bevölkerung und außenpolitische Unabhängigkeit im Rahmen der Blockfreien. Titos These eines "dritten Weges" jenseits von Kapitalismus und barbarischem Stalinismus wurde zur theoretischen Richtschnur des Titoismus. Dessen Stigmatisierung als Faschismus sollte vor allem die stalinistischen Parteien gegen "titoistische Ideen" immunisieren.
Die Titoisten standen bis 1955 im Mittelpunkt der Verleumdungen. Das änderte sich, als Chruschtschow 1956 die Versöhnung mit Tito beschloss. Daraufhin wurde im April 1956 das Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien, Kominform, aufgelöst und das Anti-Tito-Hetzblatt "Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie" eingestellt. Der seit 1948 eskalierende "Kampf gegen den Titoismus" als parteifeindliche Abweichung verschwand, auch in der SED, aus dem Arsenal der gehässigen Anfeindungen. Die aktuelle Politik erwies sich als durchaus bestimmend für die "Einschätzung" von Häresien. Der kurzlebige Titoismus hinterließ kaum Spuren. Sogar die einst bekannte kritisch-marxistische Gruppe "Praxis", mit Theoretikern, die den Stalinismus und seine Folgen analysierten und seinen "unmarxistischen Charakter" entlarvten, konnte nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens ebenfalls nicht fortbestehen. Manche Werke ihrer Mitglieder bleiben indes bedeutsam.
Josip Broz Tito (r.) wird 1965 von Walter Ulbricht mit dem "Großen Stern der Völkerfreundschaft in Gold" ausgezeichnet. (© Ulrich Kohls / Bundesarchiv, Bild 183-D0608-0001-024)
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Josip Broz Tito (r.) wird 1965 von Walter Ulbricht mit dem "Großen Stern der Völkerfreundschaft in Gold" ausgezeichnet. (© Ulrich Kohls / Bundesarchiv, Bild 183-D0608-0001-024)
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Das Ende des "Titoismus" brachte natürlich kein Ende des "Kampfes gegen Abweichungen". Was vor allem die SED fortführte, war die Jagd auf Dissidenten in den eigenen Reihen. Sie wurden nach wie vor des "Sozialdemokratismus", insbesondere aber des "Trotzkismus" beschuldigt, und galten ständig als Bedrohung der SED-Diktatur.
Resümee: Der "Titoismus" wurde im Weltkommunismus, insbesondere in der SED, wie alle Abweichungen zunächst als politischer Fehler verurteilt, dann jedoch schrittweise zum Feindbild stilisiert und seine Anhänger verfolgt. Als Abweichung vom Stalinismus verschwand der Titoismus durch die veränderte politische Konstellation schon 1956. Einen wesentlichen Grund dafür lieferte, wie erwähnt, die neue Politik der UdSSR unter Chruschtschow. Vorherige Versuche von Titoisten, Anhänger in der kommunistischen Bewegung in Deutschland zu gewinnen, schlugen fehl. In der DDR verhinderten die Unterdrückungsmaßnahmen der SED jede Abweichung, in der Bundesrepublik missglückte das Experiment einer Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands. Aber auch als eigenständige Ideologie hatte der Titoismus keine Überlebenschance. Seine Anschauungen (wie die jugoslawische Praxis) standen zu sehr in der Traditionslinie des stalinistischen Kommunismus.