I.
Wenn Deutschland auf den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 zurückblickt, ist es von entscheidender Bedeutung, das mit dem richtigen historischen Verständnis zu tun. Es ist historisch falsch, im Rückblick nur den Sowjets und nicht auch den Deutschen, genauer der Führungsriege Ostdeutschlands, eine tragende Rolle bei der Grenzschließung in Berlin und bei der Errichtung dessen zuzuweisen, was zum Symbol des Kalten Kriegs wurde: der Berliner Mauer.
50 Jahre nach dem Mauerbau ist in Deutschland eine recht eng gefasste Debatte darüber entbrannt, wer die Verantwortung für die Entscheidung zur Grenzabriegelung in Berlin trug und ob die Schlüsselfigur dabei der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow oder das DDR-Staatsoberhaupt Walter Ulbricht war.
Die viel wichtigere, tiefer gehende Frage ist diese: Wer brachte die Frage der Grenzschließung in Berlin überhaupt auf, und wer verlieh diesem Thema eine solche Dringlichkeit und tat alles dafür, um die nötigen Voraussetzungen für die endgültige Schließung der Grenze zu schaffen? Das war definitiv nicht Chruschtschow, sondern Ulbricht. Tatsächlich wehrten Chruschtschow und seine Kollegen aus dem Kreml sich jahrelang gegen Ulbrichts Bitten und seine Aktivitäten zur Schließung der Grenze. Richtet man den Blick allein auf Chruschtschow, der Ulbrichts Appellen Ende Juli 1961 schließlich folgte, entsteht ein trügerisches und unvollständiges Bild von der Entscheidung zur Grenzschließung. Chruschtschow zur Schlüsselfigur des Mauerbaus zu erklären, ohne die vorhergehenden Ereignisse zu betrachten, wäre so, als würde man mit der Lektüre eines 400-Seiten-Buchs auf Seite 390 beginnen.
II.
Seit dem Ende des Kalten Krieges haben Historiker in Archiven zahlreiche Fälle gefunden, die das politische Gewicht kleinerer Mächte während des Kalten Krieges belegen und in denen diese die Supermächte teilweise zu Handlungen bewegen konnten, welche die Supermächte zu vermeiden hofften. Das gilt sowohl für den Warschauer Pakt als auch für die NATO.
Anfang 1953 erbat Ulbricht die Erlaubnis der Sowjets, das letzte "Loch" im freien Verkehr zwischen Ost- und West-Berlin schließen zu dürfen. Kurz nach Stalins Tod im März 1953 wiesen seine Nachfolger Ulbrichts Bitte ab, die Berliner Grenze zu schließen. Sie argumentierten, eine Grenzabriegelung zwischen Ost- und West-Berlin sei "politisch unannehmbar und allzu einfach". Ein solcher Schritt würde "zur Störung der vorhandenen Ordnung des städtischen Lebens führen, die Wirtschaft der Stadt in Unordnung bringen" und "bei den Berlinern Bitterkeit und Unzufriedenheit gegenüber der Regierung der DDR und den sowjetischen Streitkräften in Deutschland hervorrufen." Zudem würde die Grenzschließung Zweifel an den Bemühungen von DDR und UdSSR "für die Vereinigung Deutschlands" aufkommen lassen und "die Beziehungen der Sowjetunion zu den USA, England und Frankreich ... nur komplizieren, was wir vermeiden können und müssen."
III.
Mitte der 1950er-Jahre brachten die Sowjets in ihrer Heimat und in Osteuropa Reformen auf den Weg in der Hoffnung, die kommunistischen Regime wiederzubeleben, so auch in der DDR. Mit ihrem "Neuen Kurs" "zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik" im Juni 1953
Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow während eines Besuches in der DDR, 9. Juli 1958. (© Bundesarchiv, Bild 183-56685-0081, Foto: Horst Sturm)
Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow während eines Besuches in der DDR, 9. Juli 1958. (© Bundesarchiv, Bild 183-56685-0081, Foto: Horst Sturm)
Die Sowjets kritisierten Ulbricht wiederholt dafür, die Republikflucht nicht ernst genug zu nehmen und zu sehr auf "administrative" und "repressive Maßnahmen"
IV.
Ulbricht behielt seinen stalinistischen Führungsstil bei und zeigte sich arrogant, nicht nur gegenüber seinen SED-Kollegen und dem ostdeutschen Volk, sondern auch im Umgang mit der Führungsriege des Kreml. In einem Brief an Chruschtschow vom Januar 1961 machte Ulbricht die Sowjets für die schwache Wirtschaft der DDR verantwortlich. Der SED-Vorsitzende belehrte den Kremlchef: "Während wir in den ersten zehn Nachkriegsjahren die Wiedergutmachung leisteten durch Entnahme aus den bestehenden Anlagen und aus der laufenden Produktion, leistet Westdeutschland keine Wiedergutmachung aus der laufenden Produktion, sondern erhielt obendrein ... Milliardenhilfe der USA ... . Der konjunkturelle Aufschwung in Westdeutschland, der für jeder Einwohner der DDR sichtbar war, ist der Hauptgrund dafür, dass im Verlaufe von zehn Jahren rund zwei Millionen Menschen unsere Republik verlassen haben."
Chruschtschow war aus zahlreichen Gründen empfänglich für Ulbrichts Drängen und Appelle. Erstens hing für Chruschtschow der Ruf des gesamten sowjetischen kommunistischen Blocks vom Erfolg der DDR ab. In seinen Augen stand die DDR im Zentrum des weltweiten Wettstreits zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Chruschtschow war so entschlossen wie zuversichtlich, diesen Wettstreit zu gewinnen (wahrscheinlich zuversichtlicher als Ulbricht). Da Chruschtschow sich in einem Triumph des Kommunismus über den Kapitalismus in Deutschland fühlte, existierte tatsächlich eine beiderseitige Abhängigkeit zwischen UdSSR und DDR, und Ulbricht wusste das. So teilte Chruschtschows engster Kreml-Kollege, Anastas Mikojan, der SED-Führung im Juni 1961 mit: "Die DDR ist der westliche Vorposten des sozialistischen Lagers. Deshalb schauen viele, sehr viele auf die DDR. In der DDR wird sich unsere Weltanschauung, unsere marxistisch-leninistische Theorie beweisen müssen ... [G]egenüber Westdeutschland können und dürfen wir uns einen Bankrott nicht leisten. Wenn der Sozialismus in der DDR nicht siegt, wenn der Kommunismus sich nicht als überlegen und lebensfähig erweist, dann haben wir nicht gesiegt. So grundsätzlich steht für uns die Frage. Deshalb können wir auch bei keinem anderen Land so herangehen. Und das ist auch der Grund, dass die DDR bei Verhandlungen oder bei Krediten an erster Stelle kommt."
Daher unterstützte Chruschtschow Ulbricht weiterhin, obwohl beide in vielen wichtigen Fragen gegensätzliche Positionen vertraten, vor allem bei der "Republikflucht" und den Wirtschaftsproblemen der DDR. Einerseits beklagte sich der sowjetische Staatschef bei seinem ostdeutschen Amtskollegen: "[...] entlassen Sie uns aus der Verantwortung und greifen Sie uns nicht länger in die Taschen", und "Sie sollten gelernt haben, auf den eigenen Füßen zu stehen, anstatt sich ständig auf uns zu stützen."
V.
Weil Chruschtschow vermeiden wollte, dass der Ruf der Sowjet- und der DDR-Regierung durch eine Grenzschließung beschädigt würde, und Ulbricht kein Mittel gegen die "Republikflucht" fand, versuchte der Kremlchef dem "Problem" West-Berlin dadurch beizukommen, dass er den Westen 'draußen' hielt. 1958 löste Chruschtschow eine Krise mit den Westalliierten aus, als er forderte, aus West-Berlin eine "freie Stadt" zu machen. Auf diese Weise hoffte Chruschtschow das "Schaufenster West-Berlins" zu neutralisieren und damit für die Ostdeutschen unattraktiv zu machen. Falls der Westen dem Status West-Berlins als einer "freien Stadt" nicht zustimmen und keinen endgültigen Friedensvertrag mit einem vereinten Deutschland oder den beiden deutschen Staaten unterzeichnen wollte, drohte er damit, ein separates Friedensabkommen mit der DDR zu schließen und der SED-Führung die volle Souveränität über das gesamte DDR-Territorium zuzusprechen, einschließlich der Zufahrtswege nach West-Berlin.
Ulbricht kamen bei seinen Versuchen, Chruschtschow dazu zu bringen, alles zu unternehmen, um ihn und die sozialistische DDR zu unterstützen, zwei weitere Umstände zupass. Der Kremlchef fühlte sich gezwungen, Ulbricht zu helfen, nachdem zwei Kremlkollegen Chruschtschows aus ihrem Amt entfernt worden waren, weil sie 1953 die DDR angeblich hatten aufgeben wollen. So berichtete Chruschtschow Ulbricht bei einem Treffen in Moskau im November 1960: "[Georgi] Malenkow und [Lawrenti] Berija wollten die DDR liquidieren, aber wir haben den einen rausgeschmissen und den anderen erschossen und gesagt, dass wir ein sozialistisches Deutschland unterstützen."
Ulbricht war vollkommen bewusst, wie wichtig er für Chruschtschow und den kommunistischen Block war, und er nutzte dieses Wissen, um auf immer mehr Wirtschaftshilfe und auf die Schließung der Grenze in Berlin zu drängen. Im letzten Jahr vor dem Mauerbau versuchte Ulbricht zunehmend, die Dinge an der Sektorengrenze selbst in die Hand zu nehmen. Sowjetische Diplomaten in Ost-Berlin sandten zahlreiche Berichte nach Moskau, die davor warnten, dass Ulbricht die Grenze einseitig schließen wolle. Die umfassendere Ost-West-Krise um Berlin spiegelte sich in einer Krise zwischen den kommunistischen Verbündeten.
VI.
Der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin, Michail Perwuchin (2. v.l.) im Kreise seiner Kollegen (v.l.) Istvan Rostas (Ungarn), Wassil Wassilew (Bulgarien) und Otto Klicka (Tschechoslowakei) mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht bei einem Empfang für das Diplomatische Korps, 26. September 1960. (© Bundesarchiv, Bild 183-76566-0012, Foto: Erich Zülsdorf)
Der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin, Michail Perwuchin (2. v.l.) im Kreise seiner Kollegen (v.l.) Istvan Rostas (Ungarn), Wassil Wassilew (Bulgarien) und Otto Klicka (Tschechoslowakei) mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht bei einem Empfang für das Diplomatische Korps, 26. September 1960. (© Bundesarchiv, Bild 183-76566-0012, Foto: Erich Zülsdorf)
Im September 1960 führte die DDR plötzlich strengere Einreisebedingungen für Bürger der Bundesrepublik sowie für Zivilpersonen und Regierungsbeamte aus den USA, Großbritannien und Frankreich ein. Die Sowjets waren über diese Maßnahmen nicht informiert worden und hatten sie definitiv nicht genehmigt. Sie waren "erstaunt" bis "sehr besorgt" und bestanden darauf, künftig vorher konsultiert zu werden.
Die Sowjets fürchteten, dass die ostdeutschen Beschränkungen für die Einreise von West- nach Ost-Berlin die Einreise sowjetischer Staatsbeamter nach West-Berlin massiv behindern könnte. In einem überaus selbstbewussten Brief an Chruschtschow verteidigte Ulbricht vehement die neue Behandlung westlicher Diplomaten durch die ostdeutschen Grenzwachen: "Wir sind nicht der Meinung, dass durch unsere Kontrolle die Arbeit der sowjetischen Organe in Westberlin erschwert wird."
VII.
Dessen ungeachtet beschleunigte Ulbricht die Ausarbeitung von Plänen, die Bewegungsfreiheit über die "offene Grenze" zu West-Berlin einzuschränken, speziell für ostdeutsche Flüchtlinge. Im Januar 1961 berief er eine Kommission des Politbüros, bestehend aus dem SED-Sicherheitssekretär Erich Honecker, Innenminister Karl Maron und Stasi-Chef Erich Mielke, "die eine Reihe Vorschläge macht, wie die Republikflucht entschieden eingedämmt wird ... Sie muss zum großen Teil abgestoppt werden."
Ungeachtet Chruschtschows Mahnung, vor seinem Treffen mit Kennedy Anfang Juni in Wien keine weiteren aggressiven Maßnahmen gegen den Flüchtlingsstrom zu ergreifen, wuchs der Handlungsdruck, der auf Ulbricht lastete. Am 19. Mai teilte Botschafter Michail Perwuchin Außenminister Andrej Gromyko mit, dass die Ostdeutschen eine sofortige Schließung der Sektorengrenze verlangten und dem sowjetischen Kurs nicht folgten: "Unsere Freunde würden jetzt gern eine Kontrolle an der Sektorengrenze ... einführen, [um] 'die Tür in den Westen' zu schließen und so die Abwanderung der Bevölkerung aus der Republik zu verringern ... [U]nsere deutschen Freunde [sind] manchmal ungeduldig und nehmen eine einseitige Haltung zu diesem Problem ein ... Ein Beweis dafür sind zum Beispiel ihre Anstrengungen, den freien Verkehr zwischen der DDR und West-Berlin so bald wie möglich mit allen Mitteln zu unterbinden ..."
Kremlchef Nikita S. Chruschtschow und US-Präsident John F. Kennedy am zweiten Tag ihres Wiener Gipfeltreffens, 4. Juni 1961. In der Bildmitte der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko. (© AP)
Kremlchef Nikita S. Chruschtschow und US-Präsident John F. Kennedy am zweiten Tag ihres Wiener Gipfeltreffens, 4. Juni 1961. In der Bildmitte der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko. (© AP)
Wie Ulbricht vermutet hatte, ließ Kennedy sich auf dem Wiener Gipfel nicht auf Chruschtschows Forderungen nach einer "freien Stadt" West-Berlin oder nach einem Friedensvertrag ein. Da die Berlin-Krise als Folge des gescheiterten Gipfels andauerte, machte sich Torschlusspanik breit und erhöhte den Druck auf Ulbricht, die Grenze zu schließen. Waren im Mai 17.791 Ostdeutsche geflohen, so stieg diese Zahl im Juni auf 19.198, und in den ersten beiden Juliwochen lag sie bereits bei 12.578.
Gleichzeitig hielt Ulbricht nach dem Wiener Gipfel den öffentlichen Druck auf West-Berlin aufrecht. Seine internationale Pressekonferenz am 15. Juni war Teil seines Plans, dem Westen und den Sowjets zu demonstrieren, dass er sich dazu berechtigt sah, sämtliche Bereiche seines Staatsgebietes zu kontrollieren, die Grenze zwischen der DDR und West-Berlin eingeschlossen. Das offenbart sich nicht nur in seiner wohlbekannten, letztlich unaufrichtigen Erklärung auf der Pressekonferenz: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Seine Überlegungen zeigen sich ebenso in anderen Äußerungen gegenüber Journalisten, in denen er die Notwendigkeit bekräftigte, "die sogenannten Flüchtlingslager in West-Berlin" zu schließen, sowie Pläne andeutete, "Organen der DDR" die alleinige Entscheidungsgewalt darüber zu überlassen, "die Erlaubnis ..., die DDR zu verlassen", zu erteilen.
VIII.
Bis Anfang Juli hatten die Sowjets immer noch nicht entschieden, was sie in der ostdeutschen Flüchtlingskrise unternehmen wollten. In einem umfangreichen Bericht an Außenminister Gromyko legte Botschafter Perwuchin am 4. Juli 1961 die Optionen zum Umgang mit der Flüchtlingskrise dar und gab eine Empfehlung. Dem Flüchtlingsstrom könne man auf zweierlei Weise Einhalt gebieten, indem "entweder eine wirksame Kontrolle des Verkehrs der deutschen Bevölkerung zwischen West-Berlin und der BRD in allen Verkehrsmitteln, einschließlich des Luftverkehrs, einführen oder die Sektorengrenze in Berlin schließen" würde. Perwuchin bevorzugte die erste Option, obwohl er deutlich machte, "der Westen werde sich wahrscheinlich nicht stillschweigend mit der Kontrolle der Luftkorridore durch die DDR abfinden". Daher benötige die DDR die Befugnis, "um den Luftraum verletzende Flugzeuge zum Landen zwingen zu können."
Der Botschafter argumentierte weiter, dass "bei einer Zuspitzung der politischen Lage geschlossene Grenzen notwendig werden könnten. Deshalb ist es notwendig, auch einen Maßnahmenplan für den Fall der Einführung eines Staatsgrenzregimes an der Sektorengrenze auszuarbeiten." Perwuchin fürchtete, "dass wir im äußersten Fall die Sektorengrenze in Berlin schließen müssen. Es ist offensichtlich, dass wir ... politische Schwierigkeiten zu erwarten hätten." Die Schließung der Sektorengrenze würde "alle Berliner und Deutschen gegen die Sowjetunion und das ostdeutsche Regime aufbringen" – und just aus diesem Grunde hatten die Sowjets im März 1953 ausdrücklich Ulbrichts Antrag auf Schließung der Grenze abgewiesen.
Perwuchin erwähnte auch noch andere Probleme bei einer Grenzschließung in Berlin: "Wir müssen ... die erheblichen technischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Schließung der Sektorengrenze bedenken. Es wäre erforderlich, auf der gesamten Länge der innerstädtischen Grenze (46 km) bauliche Hindernisse zu errichten, eine große Zahl von zusätzlichen Polizeiposten hinzuzufügen und permanente Polizeikontrollen an Stellen einzuführen, wo S- und U-Bahn die Grenze überqueren." Dem Botschafter war vermutlich bewusst, dass die DDR-Organe sich darauf vorbereitet hatten, genau das zu tun.
IX.
Ende Juli willigte Chruschtschow schließlich in Ulbrichts Forderung ein, die Grenze mit West-Berlin zu schließen. Der stellvertretende Leiter der Operationsabteilung der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Anatolij Mereschko, einer der Mitverantwortlichen des sowjetischen Militärs für die Ausarbeitung der Pläne zur Grenzschließung, bemerkte kürzlich: "Die Lösung der Aufgabe wurde dadurch erleichtert, dass Ulbricht schon früher diese Frage nach der Einführung der Grenzkontrolle Chruschtschow mehrmals gestellt hatte. Chruschtschow aber wollte diesen Schritt lange nicht tun. Aber die Vorbereitungsarbeiten in den Organen der DDR waren deutlich im vollen Gang."
Ohne Zweifel besorgt über seinen unberechenbaren, aggressiven, manchmal einseitigen ostdeutschen Verbündeten, willigte Chruschtschow nicht ein, ein separates Friedensabkommen mit der DDR zu unterzeichnen oder Ulbricht die Kontrolle über die Verbindungswege zwischen der BRD und West-Berlin, einschließlich des Luftverkehrs, zu übertragen. Ulbricht war in seiner Hartnäckigkeit und Unnachgiebigkeit dennoch insofern erfolgreich, als dass er Chruschtschow schließlich dazu brachte, dem zuzustimmen, was der SED-Chef am meisten wollte: der Schließung der Grenze mit West-Berlin. So erklärte Chruschtschow später dem Botschafter Bonns in Moskauer, Hans Kroll: "Die Mauer ist auf dringenden Wunsch Ulbrichts von mir angeordnet worden."
X.
"Mr. Gorbachev, tear down this wall": US-Präsident Ronald Reagan bei seiner Ansprache auf der Westseite des Brandenburger Tores in Berlin, 12. Juni 1987. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00014366, Foto: Engelbert Reineke)
"Mr. Gorbachev, tear down this wall": US-Präsident Ronald Reagan bei seiner Ansprache auf der Westseite des Brandenburger Tores in Berlin, 12. Juni 1987. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00014366, Foto: Engelbert Reineke)
Seit dem Mauerfall 1989 wurde vielfach versucht, die Verantwortung der ostdeutschen Regierung für den Bau und den Erhalt der Berliner Mauer infrage zu stellen, vor allem vom letzten SED-Chef Egon Krenz, als er sich wegen der Toten an der Grenze vor Gericht zu verantworten hatte. Krenz beschuldigte die Sowjets und behauptete, dass die ostdeutsche Regierung keine Kontrolle über die Grenze gehabt hätte, die aus seiner Sicht eher eine aus dem Kalten Krieg hervorgegangene "Grenze zwischen zwei Welten" war als eine ausdrücklich ostdeutsche Grenze. In seiner Verteidigung erinnerte Krenz an die Worte von US-Präsident Ronald Reagan. Der habe, als 1987 nach Berlin kam, "nicht gerufen, 'Honecker oder Krenz, öffnen Sie die Mauer!' Er hat gesagt: 'Gorbatschow, öffnen Sie die Mauer!'"
Ulbricht drängte mindestens acht Jahre auf eine Erlaubnis der Sowjets zur Schließung der Grenze. Tatsächlich bestand Ulbricht bald nach dem 13. August auf eine Betonmauer statt eines Stacheldrahtzauns.
Angesichts der tragenden Rolle des DDR-Regimes bei der Grenzschließung ist es besonders wichtig, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, diese Geschichte aufzuarbeiten und das ehemalige Grenzgebiet der Berliner Mauer, besonders an der Bernauer Straße, als einen zentralen Erinnerungsort in Deutschland zu verankern.