Der Beitrag beleuchtet die Schwierigkeiten, mit denen Paare und Familien in der Bundesrepublik konfrontiert sein konnten, die als interkulturell oder bikulturell, binational oder interethnisch bezeichnet werden können – Beziehungen also, bei denen die Partner unterschiedliche ethnische und nationale Herkünfte aufwiesen. Eine solche Perspektive konzentriert sich auf die unmittelbaren Auswirkungen der Anwesenheit von Tausenden von Arbeiterinnen und Arbeitern, Studierenden, Wissenschaftlern und sonstigen Migranten, die in der "alten" Bundesrepublik und im wiedervereinigten Deutschland kurzzeitig oder längerfristig ein Zuhause gefunden hatten. Damit werden die vielfältigen individuellen und gesellschaftlichen Folgen und zugleich globalgeschichtliche, transnationale sowie transkulturelle Einflüsse auf die Bundesrepublik beleuchtet. Dadurch wird es möglich, die Bedeutung des exogamen Heiratsverhaltens – hier konkret: dem Herausheiraten aus der eigenen ethnischen Herkunftsgruppe – nachzuzeichnen, um auf diese Weise Transformationsprozesse der westdeutschen Gesellschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erforschen zu können. Dafür werden in einem ersten Schritt verschiedene zahlenmäßige Entwicklungen vorgestellt und diskutiert, ehe einige der daraus resultierenden Debatten präsentiert werden. Diese wiederum verraten einiges über den Umgang mit "Fremdheit" im Allgemeinen – aber auch über bundesdeutsche Anpassungs- und Lernprozesse.
Statistisches
Der Blick auf die Quantitäten verrät etwas über historisch gewachsene Muster der Partnerwahl und ihre Wandlungen im Verlauf der Zeit. In der Bundesrepublik nahm die Anzahl binationaler Ehen stetig zu. Waren es in absoluten Zahlen zu Beginn der 1950er-Jahre mehr als 10.000 binationale Eheschließungen jährlich, wurde die 20.000-Marke im Jahr 1967 und die Zahl von 30.000 solcher Eheschließungen im Jahr 1988 überschritten. Es ist vor allem der relative Anteil binationaler Eheschließungen unter der Gesamtzahl von Heiraten, der kontinuierlich anstieg.
Diese stetig wachsenden Zahlen spiegeln umfassende migrationshistorische Dynamiken und Kontexte, die nur stichpunkthaft umrissen werden können: Nachkriegs- und Besatzungszeit, wirtschaftlicher Aufschwung, Arbeitskräftemangel, Anwerbeabkommen und Beginn einer bemerkenswerten Arbeitsmigration, vorrangig aus dem katholisch geprägten Süden Europas sowie der Türkei, Verdopplung der ausländischen Wohnbevölkerung im Zeitraum von 1968 bis 1973 auf fast vier Millionen, Anwerbestopp im selben Jahr, Rückkehrhilfegesetz 1983 und steigende Zahlen von Asylbewerbern, Deutsche Einheit, Zusammenbruch des sogenannten Ostblocks und die Kriege im zerfallenden Jugoslawien.
Anhand dieser Quantitäten lassen sich verschiedene Entwicklungen ablesen: Deutlich wird zunächst eine markante Lockerung des sogenannten Endogamiegebotes: Es war im Laufe der Zeit immer weniger üblich, dass ein deutscher Staatsangehöriger mit einer deutschen Staatsangehörigen den Gang zum Standesamt antrat, was ein Schwinden von Zwängen und eine Individualisierung der Partnerwahl bezeugt. Die beständige Zunahme binationaler Ehen im Verhältnis zur Gesamtzahl von Eheschließungen ist zwar partiell auch mit deren Rückgang in der Bundesrepublik insgesamt zu erklären; dennoch ist der hier zu beobachtende Trend durchaus bemerkenswert. Schon Ende der 1980er-Jahre war knapp jede zehnte auf einem bundesdeutschen Standesamt geschlossene Ehe eine binationale mit deutscher Beteiligung.
Diese Tendenz ist allerdings kaum für das gesamte Bundesgebiet gleichermaßen zu erkennen; vielmehr sind massive regionale Schwankungen und insbesondere Stadt-Land-Unterschiede zu vermerken, die wiederum durch unterschiedliche lokale Konzentrationen einzelner Nationalitäten in bestimmten Gegenden zu begründen ist. In Großstädten wie West-Berlin oder Frankfurt am Main war Ende der 1980er-Jahre jede fünfte Ehe eine binationale mit deutscher Beteiligung. Damit lagen diese Zahlen, ähnlich auch in Städten wie München, Stuttgart oder Hamburg weit über dem Bundesdurchschnitt. In eher ländlich geprägten, wenig verstädterten sowie kaum industrialisierten Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, aber auch Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, wurden jene Verehelichungen hingegen weit seltener gezählt.
Ablehnung und Delegitimierung, Versuche der Regulierung, Prävention und Kontrollierung
Für nicht wenige der zeitgenössischen Beobachterinnen und Beobachter wurde die geschilderte Aufweichung endogamer Heiratspraktiken skeptisch betrachtet oder gar offen abgelehnt – denn bei diesen Eheschließungen handelte es sich, von einem auf Tradition fokussierten Standpunkt betrachtet, um eine von der Norm abweichende Paarbeziehung. Mit einem Blick auf die mannigfachen Widersprüche, Ablehnungsmodi und Regulierungsansprüche, mit denen die besagten Paare konfrontiert sein konnten, geraten die politischen, rechtlichen und allen voran kulturellen wie mentalitätsgeschichtlichen Normen in den Blick, die den Grad von Akzeptanz oder Ablehnung dieser Paarbeziehungen kennzeichneten.
Kontinuitäten, die von der Bundesrepublik in die Zeit vor 1945 zurückreichen, sind zum einen in der administrativen Praxis gegenüber ausländischen Ehebewerberinnen und Ehebewerbern auszumachen. Im April 1953 wurde der zunächst noch gültige Passus aus dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913, wonach die deutsche Frau bei einer Eheschließung mit einem Nichtdeutschen ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlor, aufgehoben. Dies stellt zwar eine erhebliche Verbesserung für die beteiligten Frauen dar, verweist aber auf geschlechtsspezifisch interessante privatrechtliche Entwicklungen; außerdem ging mit diesem Zugewinn an weiblicher Selbstbestimmung keineswegs ein sofortiger Abbau tradierter Vorbehalte bei "fremden" Heiratspartnern aus bestimmten Herkunftsländern einher.
Abgesehen von Ablehnungen und Vorbehalten auf familiärer Ebene, waren es vor allem die institutionellen Imaginationen und Narrationen über außereuropäische Männer, die die innerbehördlichen Diskurse und Wahrnehmungen maßgebend strukturierten. Zentral war dabei die Figur des "Mohammedaners" als anschauliches Beispiel für eine vorherrschende Angst vor dem "anderen Mann". Noch Ende der 1950er-Jahre wurde auf verschiedenen Ebenen im Lichte der stetig wachsenden Zahl von muslimischen Verlobten eine umfassende Vorbeugung angemahnt. Diese sollte etwa durch das Bundesamt für Auswanderung, Eheberatungsstellen, Standesämter oder kirchliche Beratungsstellen umgesetzt werden und wurde mit "Unterschiede[n] in der Rasse, der religiösen Lebensauffassung und ganz besonders" mit der "vollkommen andere[n] Art des Familienlebens" begründet. Die Diskrepanzen zwischen den Heiratspartnern wurden als "so schwerlich" eingeschätzt, "dass sich deutsche Frauen nur nach eingehender Prüfung sämtlicher Umstände zu einer solchen Ehe entschließen sollten", folgerte etwa die bundesdeutsche Botschaft in Kairo. Daneben klingen in den Akten immer wieder Verweise auf angeblich tatsächlich gemachte Erfahrungen an, die sich allerdings unverhohlen auf Beobachtungen des Privatrechtlers Ernst Brandis aus dem Jahr 1931 bezogen – und dies ein gutes Vierteljahrhundert später und ungeachtet (oder in geflissentlichem Ausblenden) der nationalsozialistischen Exklusionspolitik. Von derartigen früheren Einschätzungen ausgehend wurde für solche Heiratsgesuche immer der Abschluss eines Ehevertrages angemahnt, da die damaligen "Gefahren" weiterhin als aktuell eingeschätzt wurden.
Diese Episoden belegen exemplarisch Überhänge bei der Bewertung solcher Ehevorhaben, die nicht selten pauschalisierend artikuliert wurden – denn ähnliches lässt sich auch für die 1960er-Jahre erkennen, wenn vor einer Eheschließung mit ausländischen Arbeitern und Studenten aus Südeuropa und aus den "außereuropäischen Entwicklungsländern" die Beteiligten "deutlich gewarnt werden" müssten, so ein Jurist vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.
Allen voran waren es kirchliche Vertreter, die wiederholt und dezidiert von diesen Ehen abrieten. Solchen Vorhaben läge allenfalls Naivität, "exotischer Zauber" oder eine "Jungmädchenschwärmerei" zugrunde, urteilten die einen, während andere von "Abenteuerlust" und "Erlebnisfreude", dem gefährlichen "Reiz des Fremden und Exotischen" oder "Märchenprinzen" sprachen, denen– so die wiederum überaus degradierende Behauptung – "Mädchen meist aus unteren sozialen Schichten" verfallen würden. Diese Ausführungen wurden häufig mit paternalistischen Mahnrufen an die Eltern und einem dezidierten Bemühen um Aufklärung verknüpft, wobei unumwunden vor Heiraten mit "Fremdvölkischen" beziehungsweise vor "Rassenverschiedenheit" gewarnt wurde. Letztlich wurde hier ein Bild von zum Scheitern verurteilter Ehen gezeichnet, wodurch man sich eine abschreckende Wirkung erhoffte. Insbesondere mit Männern aus Afrika oder Asien ginge die Mehrzahl der "deutschen Mädchen" – so die übliche verniedlichende und somit abwertende Bezeichnung – "nach allen Beobachtungen zu Grunde", schloss das Kirchliche Außenamt der Evangelischen Kirche im Jahr 1967.
Solche ablehnenden Einschätzungen von einflussreicher Stelle hielten sich auch in den Folgejahren, oftmals gepaart mit Abwertungen der beteiligten deutschen Frauen; beispielsweise auch bei Friedrich Minning, dem damals leitenden Regierungsdirektor beim Bundesamt für Auswanderung, der Anfang der 1970er-Jahre wie folgt zitiert wurde: "Eingefangen vom Reiz des Fremdartigen, halten sie Wunschbilder für Realitäten. Das den meisten Orientalen wesenseigene höfliche, aufmerksame Verhalten wirkt faszinierend und begründet in ihren Partnerinnen gleichzeitig die Überzeugung, daß ihre gegenseitige Liebe auch in Zukunft alle Hindernisse überwinden werde – ein, wie man weiß, im allgemeinen gefährlicher Irrtum".
Solche Warnungen mögen verwundern, zumal Ehen deutscher Frauen mit ausländischen Männern, wie die obigen Zahlen belegen, längst Realität waren. Nicht wenige Standesbeamte sahen sich vermutlich dazu angehalten, bei Eheschließungen vor allem mit "Orientalen, Andersgläubigen und Fremdstaatigen an das alte Sprichwort zu erinnern: Drum prüfe, wer sich ewig bindet!" Ob dieses in einer Handreichung aus den mittleren 1960er-Jahren formulierte Vorgehen flächendeckend Anwendung fand oder vielmehr Wunschdenken Einzelner war, kann nicht eruiert werden – ein reserviertes standesamtliches Tun bei der Konfrontation mit diesen Ehegesuchen wenigstens in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten scheint durchaus üblich gewesen zu sein, wobei sich die tendenzielle Skepsis mitunter auf die deutschen Partnerinnen übertragen konnte, was wiederum intersektionell zu lesen ist und demnach stark von der Herkunft und der sozialen Stellung des ausländischen Mannes abhängt.
Noch in den 1980er-Jahren findet sich der –ebenfalls pauschalisierende – Vorwurf betroffener Paare, die deutsche Verwaltungsbürokratie sei geprägt von Vorurteilen, Rassismus und Sexismus sowie Fremden- und Frauenfeindlichkeit, was im Umgang mit binationalen und interkulturellen Paare und fehlender Neutralität der Beamten zum Ausdruck komme. So überraschen auch die Proteste gegen eine "Arbeitshilfe" des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1983 kaum: Diese Handreichung löste aufgrund der Zielvorgabe, den Abschluss einer solchen Eheschließung möglichst zu verhindern, heftigen Protest aus und wurde als generalisierende Diffamierung dieser Ehen eingeschätzt – denn hier wurde wiederum die argumentative, tradierte Trias aus Polygamie, Gewalt beziehungsweise patriarchalischer Strukturen und möglicher Verstoßung samt massiven Probleme im Falle einer Ehescheidung bemüht. Dadurch wurde aus Sicht der Kritiker einer Verzeitlichung kultureller Differenz Vorschub geleistet: ein angeblich rückständiger bis vormoderner Islam versus ein aufgeklärt-progressiver westlicher "Kulturkreis".
Mit den Ehescheidungen als Argument ist eine weitere wichtige Facette angesprochen: Entgegen der ablehnenden Stimmen bezüglich eines zwangsläufigen Scheiterns solcher Beziehungen waren binationale Ehen stabiler als Ehen zwischen deutschen Staatsangehörigen, wenigstens was die Zahl der Scheidungen anbelangt: Als im Jahr 1983 27,5 Prozent aller bundesdeutschen Ehen geschieden wurden, waren es "nur" 19 Prozent der binationalen. Dabei waren die Scheidungszahlen bei der Konstellation deutsche Frau/ausländischer Mann zwar geringfügig höher als im Bundesschnitt, doch lagen diese im umgekehrten Fall deutlich darunter.
Die (In-)Stabilität der Ehen als Argument: Während binational verheiratete Frauen und Männer deren höhere Beständigkeit betonten, sahen das andere völlig anders. Einen Schub erhielt ein von Islamophobie unterlegtes Scheiterungsnarrativ durch Betty Mahmoodys "Nicht ohne meine Tochter", ein später verfilmtes Buch aus dem Jahr 1987, das in der Bundesrepublik rasch Bestseller wurde und von der achtzehnmonatigen Gefangenschaft einer Frau berichtet, die einen iranischen Arzt ehelichte, der sich während eines Aufenthalts in Teheran als Tyrann entpuppt. Es handelte sich dabei um ein rückblickend hoch problematisches Werk, das mit kulturellen Stereotypen und mit klassischen Bildern des "Orients" spielte – und dadurch wiederum die gängigen Ehe-Deutungen unter muslimischer Beteiligung reproduzierte.
Scheinehen-Vorwürfe und eigen-sinnige Entgegnungen
Pläne zu einer Eheschließung zwischen deutschen und nichtdeutschen Staatsangehörigen waren zwar keineswegs per se, aber doch zu bestimmten Zeiten und bei unterschiedlichen Paarkonstellationen von Skepsis, Ablehnung und Zurückweisung begleitet. Mit den ausgehenden 1970er-Jahren rückte angesichts steigender Zahlen von Migrantinnen und Migranten und wachsenden Zahlen von "Ausländerehen" mit der Debatte um die Papier-, Zweck- oder Scheinehe ein nicht neues Phänomen in den medialen, politischen und juristischen Blick. Denn eine Eheschließung mit einer beziehungsweise einem deutschen Staatsangehörigen bot ökonomische, politische und rechtliche Vorzüge wie die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis oder ein erhöhter Ausweisungsschutz, anders als in einer nicht eingetragenen Partnerschaft, die immer Rechtsunsicherheit nach sich zog. Dass die Aufenthaltserlaubnis für Männer aus Afrika nur selten erteilt wurde, war nicht neu, wurde diese doch als Bedrohung des "inneren Gefüges des deutschen Staatsvolkes" beurteilt, so das Oberverwaltungsgericht Berlin 1972.
Zu Beginn der 1980er-Jahre kam aber zu dieser ablehnenden Rechtspraxis der zunehmende Wunsch deutscher Frauen, Männer aus Afrika und Asien zu ehelichen – und viele von ihnen sahen sich schon bald mit einem latenten Missbrauchs-Argument konfrontiert; wiederum gewiss nicht bundesweit, aber doch an exponierter Stelle, nämlich in West-Berlin. Hier führte in den Jahren 1981 und 1982 ein vom dortigen Innensenator in Auftrag gegebenes und durch das Ausländerreferat der Polizeibehörde durchgeführte Ermittlungsersuchen zu dem Ergebnis, dass in 1.088 von 1.625 untersuchten Fällen – folglich zwei Drittel – eine "Zweckverbindung" festgestellt wurde. Lag dieser Anteil bei Beteiligung türkischer Staatsangehöriger bei 68,3 Prozent, wurde er bei afrikanischen Männern gar auf 95 Prozent taxiert – erschreckend hohe Zahlen, weshalb den Berliner Standesbeamten empfohlen wurde, a priori ihre Mitwirkung bei solchen Eheschließungen abzulehnen, wenn ausreichende Anhaltspunkte allein für die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis vorlagen. Das Bundesjustizministerium bestätigte dieses Herangehen, indem Standesbeamte zu einer Ablehnung bei entsprechenden Verdachtsfällen ermutigt wurden. Der zunehmende politische Druck führte gar dazu, dass vereinzelt Forderungen nach einem Eheaufhebungstatbestand erhoben wurden.
Das Thema wurde in jenen Jahren auch medial überaus breit verarbeitet. Hohe Wellen schlugen in diesem Zusammenhang insbesondere solche Berichte, wonach Männer aus afrikanischen Herkunftsstaaten Prostituierte ehelichten, um dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Demgegenüber standen Artikel über die sogenannten Katalogehen, also zwielichtige Heiratsagenturen, die für westdeutsche Männer vor allem südostasiatische Ehepartnerinnen zu vermitteln versuchten und somit ein "Nebenprodukt" der heiratsmarktlichen Entwicklungen waren. Zwar kam in diesen Medienbeiträgen immer wieder auch das Thema Frauenhandel auf; eine Vielzahl hiervon allerdings war gekennzeichnet von einem eher verharmlosend-exotisierenden Duktus. Dies unterstreicht abermals eine markante geschlechtsspezifische Differenz bei der Wahrnehmung grenzüberschreitender Sexualität.
Nur andeutungsweise ist hier Platz für Reaktionen und Entgegnungen Betroffener. Die puren Zahlen deuten es an: Es waren Tausende Paare, die trotz der geschilderten administrativen, gesellschafts- und symbolpolitischen Barrieren ungeachtet familiärer, behördlicher oder sozialer Hindernisse ihre Ehepläne geltend machen konnten. Dieser Umstand verweist auf die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten intimer Beziehungen und Individualisierungsdynamiken. Maßgeblich unterstützt wurde diese Entwicklung und die Sichtbarmachtung der Rechte dieser Paare durch die im Jahr 1972 gegründete "IAF", die Interessensgemeinschaft für mit Ausländern verheiraten Frauen, die Vorgängerinstitution des heutigen Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften. Der Verein bot seinen Mitgliedern und Ratsuchenden Hilfe zur Selbsthilfe bei juristischen, kulturellen, sozialen und psychologischen Anliegen, ferner juristische Hilfe, zum Beispiel bei Ausweisungen oder Kindesentführungen. Den Betroffenen verschaffte er eine Öffentlichkeit und war bestrebt, Fragen und Nöte wie zu Scheinehen – aus Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten ein Eingriff in die Grundrechte und unzulässige Kriminalisierung – bundesweit anzugehen. Gleichzeitig bettete die IAF jene Fragen in umfassendere ausländerrechtliche Debatten ein, beklagte institutionelle Verzögerungstaktiken, Diskriminierungen, etwa auf dem Wohnungsmarkt oder bei der Stellensuche sowie in Alltagssituationen – und sensibilisierte gleichzeitig dafür, dass jene Diskriminierung häufig auf die weibliche Partnerin übertragen wurde, wodurch diese mitsamt den gemeinsamen Kindern zu Fremden im eigenen Land zu werden drohte. Mit diesen Initiativen beförderte die IAF eine zunehmend normalisierte Sicht auf diese Familien – was keineswegs heißt, dass dieses Engagement heutzutage nicht mehr nötig wäre.
Schlussbemerkungen
Der Blick auf binationale und interkulturelle Eheschließungen verrät weit mehr über die Gesellschaft als solches: Hieran lassen sich umfassende Wandlungsprozesse ablesen, ob bezogen auf Fragen der Migration, des Sozialen und des Rechtlichen, des Familiären oder Alltäglichen. Illiberale Kontinuitäten sind in der administrativen Praxis und in der Wahrnehmung politischer, institutioneller oder kirchlicher Vertreter gegenüber bestimmten nichtdeutschen Ehebewerbern nach Kriegsende zunächst kaum zu übersehen und stehen in einer längeren Linie: Sie verweisen auf Kontinuitäten in der Wahrnehmung, die Beharrlichkeit von Ausgrenzungsnarrativen und vorhandenen Wissensordnungen samt längerfristigen sexualpolitischen Aufladungen. Dazu gehörte prominent der pauschal daherkommende Verdacht auf Scheinehen, der im Zuge neuer Migrationsbewegungen und partner- beziehungsweise heiratsmarktlicher Entwicklungen in den 1980er-Jahren einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Gleichwohl büßten diese überkommen-ablehnenden Herangehensweisen im Laufe der Jahre an Bedeutung ein (ohne gänzlich zu verschwinden); zugleich ist eine gewisse Normalisierung im Umgang mit solchen Ehevorhaben erkennbar. Dafür stehen die eingangs angeführten statistischen Entwicklungen, die eine deutliche Ausweitung und Ausdifferenzierung partnerschaftlicher Strukturen hierzulande spiegeln. Diese Akzentverschiebungen kennzeichnen einen bemerkenswerten Wandel der Paarbeziehung und Eheschließungen in der Bundesrepublik. Dieser lässt vermuten, dass eine Erweiterung des Partnermarktes immer auch einen allmählich veränderten Umgang mit dem "Anderen" und somit bei der Aushandlung übergreifender Fragen – wie die Verhandlung von Zugehörigkeit – befördern mag.
Zitierweise: Christoph Lorke, "Deutsch-ausländische Ehen in der Bundesrepublik – Zwischen Grenzen und Paragraphen, Ablehnung und Anerkennung", in: Deutschland Archiv, 20.10.2021, Link: www.bpb.de/342258
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