Leben mit der „Schutzmacht“
Die amerikanische Militärpräsenz in West-Berlin
Stefanie Eisenhuth
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Viele Berlinerinnen und Berliner versprachen sich von der endlich in der Stadt eingetroffenen US-Armee umfangreiche Hilfe und eine mildere Besatzungspolitik. Stefanie Eisenhuth hinterfragt in diesem Beitrag die vermeintlich lineare Erfolgsgeschichte der Beziehungen zwischen West-Berlin und den USA nach 1945.
Am 3. Juli 1945 vertraute Ruth Andreas-Friedrich, eine im Widerstand gegen das NS-Regime aktive Journalistin aus Berlin, ihrem Tagebuch an:
„Die Amerikaner sind da! […] Die Sieger aus dem Westen, auf die wir seit Anfang April gewartet hatten. Von Tag zu Tag mehr, von Nacht zu Nacht dringender.“ Damit sprach sie vielen Berlinerinnen und Berlinern aus dem Herzen: Nach zwei Monaten unter sowjetischer Besatzung versprachen sie sich von der endlich in der Stadt eingetroffenen US-Armee umfangreiche Hilfe, eine mildere Besatzungspolitik und Schutz vor Übergriffen durch Soldaten der Roten Armee. Am nächsten Nachmittag fand mit militärischer Zeremonie die Übernahme jener sechs Bezirke statt, die von nun an den amerikanischen Sektor Berlins bilden sollten: Kreuzberg, Tempelhof, Neukölln, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf.
Doch dieses Ereignis bildete noch nicht den Auftakt für jene besondere Beziehung zwischen West-Berlin und den USA, die in den nächsten Jahren wachsen sollte. Das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten, zwischen Besatzern und Besetzten wurde täglich neu verhandelt und nicht alle US-Soldaten waren über die ihnen zugeschriebene Rolle als Befreier und Beschützer vor der sowjetischen Siegermacht erfreut. Die damals 19-jährige Ruth Wergau erinnert sich:
„Die ersten Amis, mit denen wir Kontakt hatten, waren ziemlich rabiat, die haben uns alle für verkappte Nazis gehalten. Die wollten mit uns überhaupt nichts zu tun haben. Für uns war das erst mal enttäuschend, denn wir freuten uns natürlich darauf, nicht mehr unter russischer Besatzung leben zu müssen.“ Doch die US-Soldaten waren als Eroberer und nicht als Befreier gekommen. Der kleine „Pocket Guide to Germany“, den sie bei sich trugen, stellte klar und deutlich fest: „You are in enemy country! These people are not our allies or our friends.“ Die Journalistin Margret Boveri stellte deshalb schon nach wenigen Wochen eine gewisse Desillusionierung fest:
„Als ich das letzte Mal anderthalb Stunden für Brot anstand, hörte ich nur auf die Amerikaner schimpfen, die doch zuerst sehnlichst erwartet, dann als Befreier begrüßt wurden. Sie beschlagnahmen nicht nur Häuser, sondern holen auch aus den beschlagnahmten und aus anderen Häusern, was sie woanders brauchen, Betten, Matratzen, Teppiche, Tische und Stühle. Die Leute sagen, ‚auf die feine Tour’ seien sie schlimmer als die Russen.“
Die Rote Armee als Kontrastfolie
Es wird deutlich, dass in Berlin das sowjetische Besatzungsregime stets als Kontrastfolie diente – zumeist fiel das vergleichende Urteil zugunsten der USA aus. Als die Civil Censorship Division im Winter 1945 insgesamt 16.048 Briefe öffnete, um die Einstellung der Berliner zu ihren neuen Machthabern zu analysieren, kam sie zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent aller Kommentare über die US-Armee positiv und 80 Prozent der Kommentare über die Rote Armee negativ ausfielen. Doch erst, als sich das Ziel der Besatzung von „drakonischer Kriegsverhinderung“ hin zu einer Unterstützung beim „konstruktiven Neubeginn“ in Deutschland verschob, was in Form des sogenannten Marshallplans 1948 deutlich zum Ausdruck kam, blickten die Bewohnerinnen und Bewohner der Westsektoren erstmals wieder optimistisch in die Zukunft. Zugleich klagten sie jedoch, zunehmend ein Spielball im aufkommenden Konflikt zwischen den Siegermächten zu sein, wie zeitgenössische Umfragen dokumentieren. Noch wenige Wochen nach Beginn der sowjetischen Blockade im Juni 1948 empfand zwar über die Hälfte der Berliner Westsektoren-Bewohner die Westmächte als „unsere Beschützer“, dennoch waren 43 Prozent zugleich der Meinung, deren Hilfe erfolge primär aus eigennützigem Interesse. Die Amerikaner seien mehr am Ausbau ihrer Macht als am Wohl der Bevölkerung interessiert. Auch als überzeugte Demokraten erwiesen sich die befragten Berliner 1948 noch nicht: Zwar lehnten sie mehrheitlich den sowjetischen Kommunismus ab, bevorzugten aber zugleich noch zu 40 Prozent den Nationalsozialismus; ökonomische Sicherheit war ihnen wichtiger als Freiheit.
Lackmustest für eine „special relationship“
Die erste Berlin-Krise wurde deshalb zum Lackmustest für die Zugehörigkeit zur westlichen Gemeinschaft und ließ schließlich aus den kriegsgebeutelten Bewohnern der drei Westsektoren die „Frontstadt“-Bewohner werden, die sich nun nicht ohne Stolz als „West-Berliner“ bezeichneten und gemeinsam mit ihren „Schutzmächten“ an der immer mehr zur Insel werdenden Halbstadt festhalten wollten. Die Grundlage der neuen „transatlantischen Freundschaft“ bildete der geteilte kämpferische Antikommunismus als eine Art „konsensfähige Integrationsideologie“. Er sorgte dafür, dass sich die politische Kultur West-Berlins in den 1950er Jahren von der westdeutschen deutlich unterschied: Man begrüßte die Präsenz der Westmächte, erachtete die USA in politischer, wirtschaftlicher und (pop-)kultureller Hinsicht als Vorbild und war bereit, Opfer für die Verteidigung der eigenen Freiheit zu bringen – auch wenn dies zu einem Krieg führen würde. Die neue Freundschaft wurde umfangreich inszeniert – zum Beispiel in Form des Luftbrückendenkmals und der Freiheitsglocke. Aus der Reichshauptstadt war „Amerikas Berlin“ geworden.
Einen ersten Grundstein für diese überraschende Umdeutung hatten amerikanische Beobachter schon unmittelbar nach Kriegsende gelegt. In ihren Berichten für die neugierigen Leser in der fernen Heimat hatten sie alte Berlin-Bilder aufgegriffen. Bereits seit dem 19. Jahrhundert „wurde Berlin auf beiden Seiten des Atlantiks als eine Stadt wahrgenommen, die Züge der amerikanischen Gesellschaft und Urbanität trug“. Die NS-Zeit verdüsterte das positive Bild nur vorübergehend. Amerikanische Zeitungsartikel aus der Nachkriegszeit lesen sich, als hätten die letzten zwölf Jahre lediglich eine der Stadt aufgezwungene Pause dargestellt und sie könne nun endlich wieder die lebendige und weltoffene Metropole sein, die sie immer gewesen war. Nach dem Glanz der 1920er Jahre suchend, setzten amerikanische Journalisten, Soldaten und Politiker die Tradition des „urban spectatorship“ fort und schufen mit ihren Berichten eine Kontinuität über die Zäsuren von 1933 und 1945 hinweg. Die Verweise auf das Berlin der Weimarer Jahre ermöglichten die Abgrenzung von der NS-Vergangenheit sowie die Herausbildung einer positiven Kontinuitätserzählung, die dann wiederum anknüpfungsfähig war für die sich nun etablierende Meistererzählung vom „Vorposten der Freiheit“.
Die „special relationship“ zwischen West-Berlin und den USA galt lange Zeit als unverbrüchlich, bis die West-Berliner 1967 in einer Umfrage erstmals bekundeten, den westdeutschen Sicherheitsgarantien mehr zu trauen als den amerikanischen. Das Stillhalten der Alliierten nach dem Mauerbau im August 1961 hatte nur kurzzeitig für Empörung gesorgt. Schnell setzte ein schleichender Prozess der Normalisierung und gesellschaftlichen Ausdifferenzierung ein, der die politischen Akteure auf deutscher wie amerikanischer Seite beunruhigte. Das „heroische, auf Vergemeinschaftung basierende Berlin Amerikas“ wurde mehr und mehr zu einem „deutschen Berlin“.
Konflikte, Konfrontationen und konkurrierende Deutungen
Eine Mischung aus erhoffter Aufregung und Nervenkitzel, politischen und privaten Sehnsüchten sowie der Umstand, dass man mit dem Umzug nach West-Berlin der Einberufung zur Bundeswehr entgehen konnte, lockten nach dem Mauerbau tausende junge Menschen an die Spree. Sie nahmen das Versprechen der Stadt, ein „Vorposten der Freiheit“ zu sein, beim Wort – nur meinten sie damit eher die individuelle Freiheit sowie neue Formen des Zusammenlebens und des politischen oder künstlerischen Engagements erproben zu können. Schnell entstand eine Kluft zwischen der Erfahrungsgemeinschaft der „Blockade- und Mauerbau-Berliner“ und den Vertretern einer jungen Generation, die das bisherige städtische Selbstverständnis kritisierten und ihm eigene Visionen entgegensetzten.
Bei einem Besuch im Sommer 1965 stellte die von Willy Brandt einst als „Mutter Berlins“ bezeichnete US-Diplomatin Eleanor Dulles verwundert fest: Die Kinder jener Generation, mit der „wir Amerikaner zusammengearbeitet“ und „das verwüstete Deutschland“ wieder aufgebaut haben, seien „fest davon überzeugt, daß sie geistig, physisch und wirtschaftlich im Stande seien, politische Zusammenhänge von einem neuen Standpunkt aus zu sehen“. Einige Monate später, im Februar 1966, wurde das West-Berliner Amerikahaus erstmals zum Ziel studentischer Proteste. Der Spiegel beschrieb Szenen, die noch wochenlang für Gesprächsstoff sorgten:
„Die Demonstranten verkeilten sich im Portal des Amerika-Hauses. Einige zerrten am Sternenbanner, andere bombardierten die Kunststeinfassade mit Eiern niedrigster Preisklasse.“ In den USA selbst wurde ebenfalls seit einigen Monaten gegen das militärische Engagement in Vietnam protestiert. Was die deutsche und die amerikanische Studentenbewegung bald miteinander verband, war die Kritik an einem wahrgenommenen „Widerspruch zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit“ und der Wunsch nach mehr Freiheit und Mitgestaltung. Die gemeinsamen Interessen führten vereinzelt zu Kooperationen, an denen sich auch in der Bundesrepublik und West-Berlin stationierte US-Soldaten beteiligten.
Radikale Teilung der Milieus
Für den Zeitgenossen und Historiker Gerd Koenen war die „radikale Teilung der gesellschaftlichen Milieus“ in West-Berlin ausschlaggebend dafür, dass die jungen Menschen mit ihrer Amerikakritik und ihren linksradikalen Forderungen hier auf besondere Gegenwehr stießen:
„Auf der einen Seite standen Zehntausende junger Zugezogener […]. Auf dem Gegenpol gab es die eingesessenen Berliner, für die ‘Frontstadt’ kein Schimpfwort, sondern ein Ehrentitel war. […] Kurzum, was hier aufeinander prallte, waren zwei gegensätzlich radikalisierte Milieus, die sich nur kraß verzerrt überhaupt wahrnahmen.“ Ihr Aufeinandertreffen eskalierte anlässlich einer vom Senat organisierten Kundgebung, die sich gegen den wenige Tage zuvor veranstalteten Vietnamkongress richtete. In einem Demonstrationsaufruf zitierte die Berliner Morgenpost den Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz:
„Es kommt auf jeden von uns an. Wir wollen der Welt zeigen: Dieses Berlin steht für Freiheit und Frieden. Die Welt soll unsere Stimme hören, damit sie erfährt, daß andere, die sich hier getroffen haben, nicht für diese Stadt sprechen“. Über 80.000 West-Berliner fanden sich am 21. Februar 1968 vor dem Schöneberger Rathaus ein, um ihre ungebrochene Loyalität zu den USA zu bekunden. Im Anschluss kam es zu massiven Ausschreitungen, wie Die Zeit berichtete:
„Die Rufe ‚Schlagt ihn tot‘, ‚Lyncht ihn‘, ‚Hängt ihn auf‘ untermalten noch das Geläut der Freiheitsglocke, als ein junger Behördenangestellter als vermeintlicher [Rudi] Dutschke über den Platz geprügelt wurde, in einem Polizeiwagen Zuflucht fand, den der rasende Mob dann demolierte und umzustürzen versuchte.“ Derartig heftige Gegenreaktionen unterschieden West-Berlin von anderen Hochburgen der Studentenbewegung, denn hier ging es um mehr. Die Demonstranten forderten mit ihren pro-vietnamesischen Parolen das antikommunistische und pro-amerikanische Selbstbild der Stadt heraus. Erhitzte Gemüter der lokalen Presselandschaft schlossen die Gegner des Vietnamkriegs deshalb als „Unberliner“ aus der städtischen Gemeinschaft aus – eine Exklusion, die sich zwei Jahrzehnte später mit dem Begriff „Anti-Berliner“ anlässlich der Kreuzberger Krawalle in der Nacht zum 1. Mai 1987 wiederholte. Über zwei Jahrzehnte reagierte die lokale Politik auf Kritik an dem im Kalten Krieg geborenen Selbstverständnis West-Berlins mit Hilfe von Mobilisierungskampagnen, Gegendemonstrationen, Demonstrationsverboten oder ostentativen Freundschaftsbekundungen.
Als die Friedensbewegung um 1980 forderte, West-Berlin müsse endlich von der Front- zur Friedensstadt werden, wolle es den Rüstungswettlauf beenden und die Teilung der Welt überwinden, schlossen sich ihr Zehntausende Stadtbewohner an. Die Sorge um den Frieden war schicht- und generationsübergreifend, weshalb sich der alte „Frontstadtgeist“ nicht ganz so leicht mobilisieren ließ wie anlässlich der Proteste gegen den Vietnamkrieg.
Bestimmte Dinge waren indes noch immer tabu. Als das Aktionsbüro Friedenswoche, ein Zusammenschluss aus 180 Initiativen und Gruppen, zu einer Blockade der in Berlin-Lichterfelde gelegenen US-Kaserne aufrief, gab es heftigen Gegenwind. Während dies andernorts eine übliche Praktik der Rüstungsgegner war, weckte das Stichwort „Blockade“ in West-Berlin alte Erinnerungen. Der Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker nannte das Vorhaben eine „politische Dummheit“ und einen „Anschlag auf den Schutz der Freiheit“, den die Alliierten garantieren würden. Der Steglitzer Bürgermeister bezeichnete die geplante Blockade als „geschmacklos, instinktlos, bösartig und dumm“ und Innensenator Heinrich Lummer drohte den Teilnehmern mit einer Geldbuße in Höhe von 50.000 D-Mark oder Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren aufgrund des Verstoßes gegen deutsches und alliiertes Recht. Die Reaktionen verdeutlichen die besonderen Schwierigkeiten der Friedensbewegung in jener Stadt, in der die „Politik der Abschreckung“ lange Zeit als elementarer Bestandteil der Schutzgarantie der Alliierten gegolten hatte und wo besonders das amerikanische Militär eine wichtige Symbolfunktion innehatte. Als sich am 15. Oktober 1983 vormittags dennoch circa 4000 Demonstranten vor der Kaserne einfanden, bekundeten mehrere Anwohner trotzig ihre Solidarität mit den Amerikanern, indem sie dem Torposten demonstrativ Blumen, Kuchen und Sympathiebriefe übergaben.
Fragen der Rechtstaatlichkeit
Parallel wurden die durch Militärübungen verursachten Manöverschäden zu einem zentralen Topos. Dieser ermöglichte es, die nun schon fast vier Jahrzehnte währende Besatzung als Belastung zu thematisieren, ohne deren rechtliche Grundlage erörtern oder die gegenwärtige globale Lage gegen individuelle Bedürfnisse abwägen zu müssen. Den Hintergrund dieser wachsenden Kritik bildete ein kultureller Wandel: Neben der sowjetischen Bedrohung wurden nun auch Umweltschäden, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel, die Zukunft des Rentensystems oder die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund unter dem Stichwort „Sicherheit“ verhandelt. Die Alliierten bekamen diese Veränderung in Form der Aktivitäten mehrerer Bürgerinitiativen zu spüren, die Partizipation und Transparenz einforderten. Für die US-Armee mündete dies in dem Drama um ein Wohnungsbauvorhaben auf dem Düppeler Feld. Befürworter wie Gegner ließen die Debatte zum politischen Bekenntnis werden: Wer gegen die Bebauung ist, ist gegen die Schutzmächte, so die einen. Wer gegen den Willen der Bevölkerung handelt, schadet der deutsch-amerikanischen Freundschaft, so die anderen. Nach Jahren der zähen Verhandlungen entschied der US-Stadtkommandant schließlich, das Besatzungsrecht anzuwenden, um endlich die Wohnungsnot vieler amerikanischer Familien zu beenden. Lokale Initiativen wandten sich vergeblich an das Berliner Verwaltungsgericht, das Bezirksgericht von Washington, den US-Präsidenten Jimmy Carter und den gerade erstmals einberufenen United States Court for Berlin, um einen Baustopp zu erzielen. Im Verlauf wurde den Akteuren ihre Machtlosigkeit deutlich und dass die städtische Meistererzählung eine defizitäre Realität überdeckte: Obwohl West-Berlin sich als „Vorposten der Freiheit“ imaginierte und inszenierte, schränkte der städtische Sonderstatus nicht nur die Souveränität, sondern auch die Rechtsstaatlichkeit ein. Die Rechte der Alliierten wurden infolge dessen zu einem umkämpften Thema der West-Berliner Politik. Zu diskutieren, ob man die „Schutzmächte“ noch brauche, setzte allerdings voraus, dass man sie auch als solche erachtete – und damit den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit, den Verlust des Zweiten Weltkrieges und die daraus resultierende Besatzung, ausblendete.
Wie tief gespalten die Stadt im Hinblick auf das transatlantische Verhältnis war, kam insbesondere 1982 und 1987 im Umfeld der Besuche des US-Präsidenten Ronald Reagan noch einmal deutlich zum Ausdruck. Bis heute prägen die Bilder von bürgerkriegsähnlichen Szenen, von brennenden Fahrzeugen und Barrikaden, die kollektive Erinnerung. Fast vergessen hingegen ist, dass sich 1982 über 80 Prozent der West-Berliner für den Besuch ausgesprochen hatten, sich das Deutsch-Amerikanische Volksfest und die Alliierte Militärparade ungebrochener Beliebtheit erfreuten und bis Mitte der 1980er Jahre knapp Dreiviertel der West-Berliner auch weiterhin keinen Abzug der alliierten Truppen wünschten.
Fazit
In einem 1993 verfassten Rückblick hielt die US-Armee fest, dass in den 1970er Jahren „quality of life concerns“ an die Stelle der einstigen „security concerns” getreten waren. Diese Veränderung habe für ein zunehmendes Hinterfragen der Notwendigkeit der alliierten Präsenz gesorgt. In einem Gespräch mit dem Historiker David E. Barclay zog John Kornblum, einst politischer Berater der U.S. Mission Berlin und Stellvertreter des US-Stadtkommandanten, deshalb ein nachdenkliches Fazit:
„Had the Russians not collapsed in `89 as they did, I personally don’t think we could have held our position in Berlin politically for ten years, maybe not five years.“ Auch wenn dies reine Spekulation ist, so war die Lage schwierig und das Verhältnis zwischen der US-Armee und der West-Berliner Bevölkerung kompliziert geworden. Mit der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 kündigten sich jedoch schnell neue Herausforderungen an, die alte Konflikte in Vergessenheit geraten ließen. Schon im Umfeld des Truppenabzugs 1994 bildete sich jene lineare Erfolgsgeschichte heraus, die noch heute die Erinnerung prägt. Sie findet ihren deutlichsten Ausdruck im Titel der 1998 eröffneten Dauerausstellung des Berliner AlliiertenMuseums, der noch immer lautet: „Wie aus Feinden Freunde wurden“.
Zitierweise: Stefanie Eisenhuth, Leben mit der „Schutzmacht“. Die amerikanische Militärpräsenz in West-Berlin, in: Deutschland Archiv, 1.12.2017, Link: www.bpb.de/260613
M.A., geb. 1977; Historikerin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin sowie am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF), seit November 2017 Koordinatorin für Nachwuchsförderung am ZZF.