Historischer Rückblick
Die ältesten Spuren griechischer Migration nach Deutschland gehen auf das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit zurück. Die Einwanderung beschränkte sich damals jedoch auf vereinzelte Kleriker und Gelehrte, die im Austausch mit deutschen Humanisten wie Martin Crusius (1526 bis 1607) standen, sowie auf Glücksritter, die in Mitteleuropa eine bessere Zukunft suchten. Seit dem 18. Jahrhundert kam es im Zuge der Intensivierung des Balkanhandels zur Bildung griechischer Kaufmannskolonien zunächst in Österreich, später auch in Schlesien und Sachsen mit Zentren in Breslau, Chemnitz und insbesondere Leipzig, wo Pelzhandel und -verarbeitung wichtige Betätigungsfelder waren. Als bedeutende Universitätsstadt war Leipzig zugleich Anziehungspunkt einer damals ebenfalls zunehmenden Bildungsmigration aus Griechenland und entwickelte sich schließlich gemeinsam mit Halle zu einem wichtigen Publikationszentrum griechischer Bücher im Zeitalter der Aufklärung. Griechische Studenten besuchten zu dieser Zeit in wachsender Zahl auch andere deutsche Hochschulen, wobei insbesondere die Universität München eine bedeutende Rolle spielte, wo dies unter anderem durch einen bayerischen Philhellenismus begünstigt und nach Einsetzung Ottos von Wittelsbach als erstem König des unabhängigen Griechenland (1832) auch aktiv gefördert wurde.
Abgesehen von der studentisch-akademischen Migration nach Deutschland, die sich bis zum Ersten Weltkrieg ungebrochen fortsetzte, kam es im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer wachsenden Zuwanderung griechischer Unternehmer. Diese entwickelten vielfältige Handelsaktivitäten und etablierten sich dabei nicht zuletzt im Tabakgewerbe, dessen wichtigste Zentren in Dresden und Hamburg lagen. So gab es in der Hansestadt 1923 trotz der durch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen verursachten wirtschaftlichen Einbrüche nicht weniger als 65 griechische Unternehmen, darunter drei Zigarettenfabriken und mehr als 30 Tabakhändler beziehungsweise -makler.
Teils aus wirtschaftlichen Gründen, teils durch Assimilation bedingt, erwies sich eine sichtbare Präsenz von Griechen in Deutschland in der Folgezeit allerdings als rückläufig. Ein Tiefpunkt in dieser Entwicklung wurde während des Zweiten Weltkrieges erreicht, wenn man von den Zwangsdeportationen der deutschen Besatzer in Griechenland sowie der Anwerbung von Fremdarbeitern für das "Großdeutsche Reich" absieht. Letztere bewirkte, dass im Zeitraum von 1942 bis 1944 insgesamt rund 20.000 Griechen ins Reich kamen, um der erdrückenden wirtschaftlichen Not in ihrer von den Deutschen besetzten Heimat zu entgehen.
Ein eigenes Kapitel griechischer Zuwanderung nach Deutschland bildet schließlich die politisch motivierte Migration von Angehörigen des kommunistischen Lagers nach Ostdeutschland während des griechischen Bürgerkrieges 1946 bis 1949. Es handelte sich dabei um 1240 Kinder, die zunächst in Radebeul bei Dresden untergebracht wurden, sich später als Erwachsene in verschiedenen Städten Sachsens und Thüringens niederließen (unter anderem Karl-Marx-Stadt/Chemnitz, Erfurt, Leipzig, Bautzen und Zwickau) und nach 1974 beziehungsweise 1981 zum größten Teil nach Griechenland zurückkehrten.
Griechische Arbeitsmigration nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Präsenz von Griechen in Deutschland hat – wie zu sehen war – zwar eine lange Vorgeschichte, blieb aber bis Mitte des 20. Jahrhunderts zahlenmäßig unbedeutend. Dies änderte sich grundlegend mit dem Zuzug griechischer Arbeitsmigranten, die sich seit Beginn der 1960er Jahre als sogenannte Gastarbeiter dauerhaft oder vorübergehend in Westdeutschland niederließen und deren Zahl bis 1976 auf vermutlich über eine halbe Million stieg. Ihre Zuwanderung wurde von einem im März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland geschlossenen Anwerbeabkommen ausgelöst und in der Folgezeit von beiden Staaten befördert. Auf deutscher Seite wollte man damit dem Arbeitskräftemangel in der schnell expandierenden einheimischen Industrie entgegenwirken und hatte zu diesem Zweck schon mit Italien (1955) und Spanien (1960) entsprechende Abkommen abgeschlossen, worauf weitere folgten (Türkei 1961, Portugal 1964, Tunesien 1965 und Jugoslawien 1968). Der griechischen Regierung ging es dagegen darum, mit der Arbeitsmigration ein Ventil für die notorische Unterbeschäftigung in der eigenen Wirtschaft zu schaffen, auf diese Weise soziale Konfliktpotenziale zu entschärfen und damit indirekt auch zur Stabilisierung des zehn Jahre nach Ende des Bürgerkrieges immer noch prekären politischen Status Quo beizutragen. Nicht zuletzt lag die Arbeitsmigration nach Westdeutschland ganz auf der Linie der von Griechenland damals eifrig betriebenen Anbindung an die noch junge Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), was sich 1961 auch im Assoziierungsvertrag niederschlug.
Das Anwerbeabkommen von 1960 war als formales Regelwerk zur Kontrolle und Lenkung der Arbeitsmigration konzipiert. Es enthielt dementsprechend detaillierte Bestimmungen zur Vermittlung und Auswahl geeigneter Bewerber, Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen, Übernahme von Reisekosten, Unterbringung, medizinischen Versorgung sowie arbeitsrechtlichen Gleichstellung der Migranten, für welche Anstellungsverträge von zunächst einem Jahr vorgesehen waren, die üblicherweise schon vor der Übersiedlung geschlossen wurden.
Dieses Abkommen, mit seiner starken Betonung der regulierenden Funktion des Staates, war in seiner Form neuartig und bildet die Realität griechischer Arbeitsmigration nach Deutschland in dieser Zeit nur unzulänglich ab, da es in der Praxis zahlreichen Einschränkungen unterlag. Beispielsweise kamen damals nur etwa die Hälfte aller griechischen Zuwanderer im Rahmen des Anwerbeabkommens nach Deutschland, während die übrigen auf anderen Wegen migrierten, sei es aufgrund persönlicher Einladung durch einen deutschen Arbeitgeber (in der Regel auf Vermittlung eines bereits dort angestellten Verwandten oder Landsmanns), im Zuge von Familienzusammenführung oder einfach nur mit einem Touristenvisum. Ein beachtlicher Anteil griechischer Gastarbeiter wechselte zudem nach ihrer Ankunft aus verschiedenen Gründen mehrfach Arbeitgeber und Wohnort. Die meisten ließen sich in den westlichen und südlichen Bundesländern nieder, wo die Schwerpunkte von Metallverarbeitung, Auto- und Elektroindustrie lagen, an erster Stelle in Nordrhein-Westfalen (etwa ein Drittel), gefolgt von Baden-Württemberg (etwa ein Viertel) und Bayern (annähernd ein Fünftel).
Die Mobilität der Neuankömmlinge innerhalb des Aufnahmelandes betraf nicht nur die Individualmigranten, sondern auch die im Rahmen des Abkommens Zugewanderten, die zur Erfüllung der Anwerbekriterien oftmals falsche Angaben zu ihrer handwerklich-technischen Qualifikation gemacht hatten – die meisten von ihnen waren bis dahin nur in der Landwirtschaft tätig gewesen. Hinzu kommt die temporäre Remigration griechischer Zuwanderer, die in den Anfangsjahren noch sehr verbreitet war. So waren bis 1964 zwischen 30 und 40 Prozent von ihnen wieder nach Griechenland zurückgekehrt, und insgesamt migrierten 58 Prozent der griechischen Arbeiter in Deutschland mindestens zwei oder dreimal.
Die obengenannten Faktoren machen die Ermittlung des exakten Umfangs der griechischen Arbeitsmigration in dieser Periode praktisch unmöglich, und die für den Zeitraum von 1960 bis 1976 genannte Zahl von 623.320 Personen kann nur als Annäherungswert verstanden werden.
Die quantitative Dimension der griechischen Zuwanderung nach Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich sehr gut damit illustrieren, dass im Jahr 2000 zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Griechenlands in den vorangegangenen 40 Jahren für einen kürzeren oder längeren Zeitraum in Deutschland gelebt hatte.
Wirtschaftliche Bedeutung
Abgesehen von ihrer demografischen Dimension hatte die griechische Arbeitsmigration nach Deutschland starke wirtschaftliche Auswirkungen, die sich in der Anfangszeit vor allem in Form von Rimessen, das heißt Geldüberweisungen der Arbeitsmigranten in ihre Heimat, niederschlugen. Bereits 1963 lag deren Anteil am privatwirtschaftlichen Devisenzufluss nach Griechenland mit Abstand vor der Handelsschifffahrt und dem damals stark expandierenden Tourismussektor, wobei annähernd 40 Prozent solcher Überweisungen allein aus Deutschland kamen.
Dies dürfte auf häufigen Familiennachzug zurückzuführen sein, der zusammen mit der Zunahme weiblicher Arbeitsmigration zu einer deutlichen Veränderung des Profils der griechischen Diaspora in Deutschland führte. 1961 bestand diese noch zu 82 Prozent aus Männern im Durchschnittsalter von 25 bis 32 Jahren, die entweder unverheiratet waren oder deren Familien in Griechenland lebten. Von 1965 bis 1970 sank dagegen der Männeranteil auf 55 Prozent, während der Anteil der berufstätigen Frauen bis 1972 auf 85 Prozent stieg. 1972 hatten nur noch 16 Prozent der verheirateten männlichen Arbeitsmigranten Frau und Kinder in Griechenland, während sich 84 Prozent mit ihren Familien inzwischen fest in Deutschland niedergelassen hatten.
Die unabhängige weibliche Erwerbstätigkeit stellte in dieser Form ein neues Phänomen dar, denn in den vorangegangenen Perioden griechischer Auswanderung in den transatlantischen Raum waren Frauen üblicherweise nur in der Rolle von Begleiterinnen im Rahmen traditioneller Familienstrukturen ausgewandert, welche auf diese Weise auch in die Aufnahmegesellschaft übernommen und dort fortgeschrieben wurden. Die neue Rolle griechischer Nachkriegsmigrantinnen in Deutschland und Westeuropa als eigenständige berufstätige Ehefrauen und Mütter trug demgegenüber dazu bei, den damals beginnenden Prozess der Neubestimmung tradierter Geschlechterbeziehungen zu befördern.
Nur wenige Träger einer gewollten Integration
Der Familiennachzug der 1970er Jahre trug wesentlich dazu bei, der Präsenz griechischer Arbeitsmigranten Dauer zu verleihen und ihre Kohärenz als Gruppe zu stärken. Hatten diese ihren Aufenthalt bis dahin als grundsätzlich vorübergehend betrachtet, wie es auch ihrem offiziellen Status als Gastarbeiter entsprach, wurde Deutschland für sie nun faktisch wie mental zum neuen Lebensmittelpunkt. Damit erhielt die Frage der Selbstverortung und Integration in der Aufnahmegesellschaft eine zuvor nicht dagewesene Relevanz.
Keine klaren Konzepte des griechischen Staats
Diese Maßnahmen folgten jedoch keinem klaren strategischen Konzept und wiesen zudem Widersprüche auf, wie das Beispiel der Bildungspolitik zeigt. Diese beschränkte sich zunächst auf die Entsendung von Lehrpersonal für die Erteilung von muttersprachlichem Ergänzungsunterricht für griechische Schulkinder, die ansonsten ins deutsche Schulsystem eingegliedert wurden, wo es bereits vorbereitende Sprach-Integrationsklassen gab. Nach dem Ende der Militärdiktatur 1974 und insbesondere nach dem Regierungswechsel von 1981 ging man jedoch, auf Grundlage bilateraler Abkommen, dazu über, Schulen in Deutschland einzurichten, die ihre Finanzierung, Lehrpläne und Personal vom griechischen Staat bezogen. Die Abschlüsse, welche in den meisten Bundesländern nicht als gleichwertig anerkannt wurden, sollten auf das Studium an griechischen Hochschulen vorbereiten, wofür 1983 per Gesetz sogar erleichterte Zugangsbedingungen geschaffen wurden. Dies stand der Integration der in Deutschland aufwachsenden Kinder eindeutig entgegen, wurde aber nicht zuletzt deswegen betrieben, weil es den Wünschen eines lautstarken Teils der griechischen Diaspora Rechnung trug. Die schulische Segregation wurde insbesondere von den zahlreichen „Vereinen griechischer Eltern und Erziehungsberechtigter“ in Deutschland angestrebt, deren Vorstellungswelt nach wie vor vom Gedanken einer zukünftigen Rückkehr in die Heimat bestimmt war.
Dies hatte allerdings mit der Zeit immer weniger Bezug zu den tatsächlichen Lebensplanungen von Griechen in Deutschland. Einen deutlichen Indikator dafür liefern die seit Ende der 1980er Jahre stetig rückläufigen Schülerzahlen griechischer Schulen in Deutschland, die schon Ende der 1990er Jahre kaum noch ein Viertel ihrer Zielgruppe erreichten. Seit der Jahrtausendwende wurden auch die Angebote muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts nur noch von knapp der Hälfte aller griechischen Kinder in Deutschland wahrgenommen.
Organisationen der Migrantinnen und Migranten als Integrationshindernis
Zum Verständnis dieser in bildungspolitischer Hinsicht durchaus kritisch zu bewertenden Entwicklung ist die Rolle der griechischen Migrantenorganisationen und ihr Verhältnis zur griechischen Politik zu berücksichtigen, die einige Spezifika aufweist. Anders als in der transatlantischen Diaspora vollzog sich ihre Formierung in Deutschland nicht auf der Basis kirchlicher Gemeindestrukturen, zumal diese zu Beginn der 1960er Jahre noch gar nicht existierten. Ihr Aufbau begann erst später durch die 1963 vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel gegründete Orthodoxe Metropolie Deutschlands mit Sitz in Bonn, die seit 1981 als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist. Die griechischen Gemeinden in Deutschland, die sich bereits 1965 zu einem Dachverband zusammengeschlossen hatten und von denen heute rund 150 existieren, hatten von Beginn an einen rein säkularen Charakter.
Eine veränderte Diaspora
Ähnliches ist auch für einen Teil der schier unübersehbaren Zahl von landsmannschaftlichen Organisationen festzustellen, die einen beachtlichen Teil des griechischen Vereinswesens in Deutschland ausmachen. Dies ist allerdings vielfältiger, denn das Spektrum umfasst heute sowohl Sportclubs, studentische und berufsspezifische Organisationen sowie nicht zuletzt eine große Zahl von Bildungs- und Kulturvereinen, die mit ihren verschiedenen Aktivitäten einen ernstzunehmenden Beitrag zur Kulturvermittlung und Integration leisten. In diesem Zusammenhang sind auch die mittlerweile 47 Deutsch-Griechischen Gesellschaften zu erwähnen, deren bereits 1961 gegründeter Dachverband ein seit 1964 ununterbrochen erscheinendes Jahrbuch mit dem Titel "Hellenika" herausgibt.
Krisenbedingt lässt sich seit einigen Jahren eine neue Migration von Griechen nach Deutschland beobachten, die zwar quantitativ bei weitem nicht das Ausmaß vergangener Auswanderungswellen erreicht, aber im Hinblick auf einen drohenden "brain drain" besorgniserregend erscheint, da es sich meist um überdurchschnittlich qualifizierte junge Menschen handelt. Die mittelfristigen Auswirkungen dieser Entwicklung lassen sich heute kaum abschätzen. Sicher ist jedoch, dass die Situation griechischer Migranten in Deutschland heute in vieler Hinsicht besser ist als vor einem halben Jahrhundert, denn Globalisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt das Voranschreiten der europäischen Integration haben ihr Heimatland ebenso wie ihr Aufnahmeland pluralistischer gemacht und einander angenähert. Die neue Diaspora ist weit weniger als früher dem Dilemma zwischen Assimilation und (Selbst-)Ghettoisierung ausgesetzt, sondern kann Integration im Sinne von Teilhabe ohne Aufgabe des Eigenen leben.
Zitierweise: Ioannis Zelepos, Griechische Migration nach Deutschland, in: Deutschland Archiv, 23.1.2017, Link: www.bpb.de/241095