In den Jahren 1949 und 1950 reisten über 1.100 junge Menschen aus Griechenland in die DDR ein. Es war die erste geschlossene Gruppe von politischen Immigranten in den jungen Staat. Die griechische Immigration in die DDR stand dennoch jahrzehntelang am Rande des Forschungsinteresses, was auch an der geringen Zahl der immigrierten Personen liegen mag. Das inzwischen zunehmende Interesse der Geschichtswissenschaft an sozialwissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Ansätzen trägt seit den 1960er Jahren zur Erforschung neuer Aspekte der Aufnahme und Integration von Immigranten bei. Für die DDR-Forschung rückte die vor etwa einem Jahrzehnt begonnene sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung der Historiker mit den Begriffen des "Fremden" und "Fremd-Seins" das Thema ins Blickfeld.
Die SED beabsichtigte, mit der Asylgewährung für politische Immigranten die kommunistische Bewegung in der sogenannten "Dritten Welt" zu unterstützen und den hohen Stellenwert von Solidarität in der DDR zu belegen. Nach Ansicht einiger Historiker wollte der SED-Staat damit internationale Reputation und diplomatische Anerkennung gewinnen. Aber genau dieses instrumentelle Verhältnis sei der Grund dafür gewesen, dass die politischen Immigranten nur begrenzt in der DDR-Gesellschaft integrierbar gewesen seien und somit keine gleichberechtigten Mitglieder einer sozialistischen Gesellschaft, sondern nur geduldete Gäste einer transnational definierten Gemeinschaft waren.
Am Fallbeispiel der griechischen Immigranten werden die gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse sichtbar, die das "Fremde" und seine Wirkung in der DDR-Aufnahmegesellschaft verdeutlichen. Basierend auf Archivbeständen und Zeitzeugenaussagen wird gezeigt, wie die Griechen bis zur offiziellen Erlaubnis ihrer Rückkehr nach Griechenland Anfang der 1980er Jahre vom SED-Regime, dem Ministerium für Staatssicherheit und der DDR-Bevölkerung wahrgenommen wurden, und wie sich ihr Bild in der DDR-Gesellschaft unter dem Einfluss politischer Umbrüche änderte.
Ankunft der griechischen Immigranten
Zwei Transporte mit Flüchtlingen aus Griechenland suchten 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) beziehungsweise 1950 in der DDR Zuflucht. Es handelte sich überwiegend um Kinder und Jugendliche, Familienmitglieder von Angehörigen der linksgerichteten Demokratischen Armee, die in Begleitung von griechischen Betreuern kamen. Kurz vor dem Zusammenbruch des kommunistischen Widerstandes im griechischen Bürgerkrieg, der zwischen 1946 und 1949 stattfand, flüchteten viele Zivilisten aus den Kriegszonen des Landes in die benachbarten sozialistischen Länder Bulgarien, Albanien und Jugoslawien. Nach längeren Aufenthalten in diesen Ländern, und nach geheimen Vereinbarungen zwischen den kommunistischen Bruderparteien, wurden die Bürgerkriegsflüchtlinge auf die sozialistischen Länder Polen, ČSSR, Rumänien, UdSSR und Usbekistan verteilt. In der Sowjetischen Besatzungszone erfolgte die Einladung der Flüchtlinge im Rahmen des SED-Parteitages im März 1949. Die SBZ entschied sich, aufgrund ihrer weitgehend zerstörten Infrastruktur und ihrer begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten, nur junge Personen aufzunehmen. In der SBZ beziehungsweise DDR jeweils im August 1949 und Juli 1950 angekommen, wurden die Immigranten gruppenweise in ehemaligen Schlössern und verlassenen Villen untergebracht und den Bezirken Dresden, Leipzig, Halle, Erfurt, Potsdam, Rostock sowie Ost-Berlin zugeteilt.
Die Führung der Kommunistischen Partei Griechenlands (Κομμουνιστικό Κόμμα Ελλάδος, ΚΚΕ) ihrerseits glaubte an einen baldigen Aufbau des Sozialismus in Griechenland und ging davon aus, den Aufenthalt der Jugendlichen in der DDR in fünf bis sechs Jahren beenden zu können.
Die Unterbringungsstätten wurden "Heime" genannt. Dort sollte die psychische und gesundheitliche Erholung sowie die Erziehung und Bildung der griechischen Kinder stattfinden. Während sie anfangs in den Heimstätten über einen eigenen Lehrplan verfügten, wurden sie später vollständig in das DDR-Bildungswesen integriert und erhielten die gleiche Erziehung und Bildung wie die einheimischen Kinder. Wie die gleichaltrigen Deutschen sollten sie die sozialistischen Wertevorstellungen verinnerlichen. Mit den in der DDR erworbenen Qualifikationen sollten sie später den Sozialismus in Griechenland aufbauen. Zuständig für Unterkunft, Verpflegung und Erziehung der griechischen Immigranten war die Volkssolidarität. Ab 1953 übernahm diese Aufgaben ein dem Ministerium für Volksbildung untergeordnetes griechisch-deutsches Komitee namens "Freies Griechenland". Den Kontakt zur KP Griechenlands hielt die Abteilung Internationale Verbindungen des Zentralkomitees der SED.
In den Jahrzehnten nach ihrer Ankunft wandelte sich die gesellschaftliche Stellung der Griechen, zunehmend gerieten sie mit der Partei- und Regierungsführung in Konflikt. Es lassen sich vier Phasen der Wahrnehmung der griechischen Immigranten durch das SED-Regime unterscheiden:
Ab 1949: Mit der Ankunft der griechischen Bürgerkriegsflüchtlinge verkündete das SED-Regime Völkerfreundschaft und Solidarität.
Ab 1955: Die allmähliche Eingliederung der jungen Griechen löste ihre anfangs feste Bindung an die Staatspartei auf und führte zu wachsender Unabhängigkeit.
Ab Anfang der 1960er Jahre: Das propagandistisch aufgeladene Bild des griechischen "Klassenkämpfers" verblasste zusehends. Das ursprünglich geschaffene "Freundbild" wandelte sich, getrieben durch die Staatssicherheit, zu einem "Feindbild".
1970er Jahre: Die griechischen Immigranten spielten keine Rolle mehr für die politischen Ziele des SED-Regimes. Mit der Ankunft der letzten politischen Immigrantengruppe, den Chilenen, verloren die Griechen endgültig an Aktualität und Relevanz.
Aufnahme der Griechen wird als humanitäre Tat propagiert
Die Medienberichterstattung nach Ankunft der Immigranten liefert einen Hinweis darauf, wie die Griechen zunächst wahrgenommen wurden. Ein Pressebericht in der Sächsischen Zeitung vom 9. August 1949 bezeichnet die Aufnahme als einen wohltätigen Akt, den Deutschland den Ländern schulde, in die es im Zweiten Weltkrieg einmarschiert ist: "Der sächsische Minister des Inneren Hoffmann brachte zum Ausdruck, daß die Aufnahme Kinder griechischer Freiheitskämpfer für die Bevölkerung der Ostzone nicht nur ein Akt der Solidarität sei, sondern vor allem ein Teil von Wiedergutmachung, die das deutsche Volk an den vom Hitlerfaschismus heimgesuchten Völkern zu leisten habe. Minister Hoffmann appellierte an die deutsche Jugend, den Besuch der griechischen Kinder als Anlass zur Verstärkung ihres Kampfes um die Völkerverständigung zu nehmen."
Mehrere Berichte bis 1952 propagierten die Griechen als vorbildliche Freiheitskämpfer und treue Genossen, die in der DDR Schutz fanden und die Möglichkeit zur Ausbildung erhielten.
Das SED-Regime erhoffte sich mit der Aufnahme der griechischen Flüchtlinge, seine humanistischen Ideale dokumentieren zu können und so den noch jungen Staat auch gegenüber der eigenen Bevölkerung zu legitimieren. Die Medien waren bemüht, die aufgenommenen Griechen als "Freunde" und nicht als "Fremde" im Sinne von "Unvertrauten" darzustellen, um somit eine emotionale Nähe zu den jungen Flüchtlingen zu schaffen.
Entstalinisierung ab 1956 verunsichert griechische Immigranten
Die Aufstände im Ostblock zwischen 1953 und 1956, gefolgt von der Geheimrede des sowjetischen Führers Nikita S. Chruschtschow im Februar 1956 beim XX. Parteitag der KPdSU, hatten auch Auswirkungen auf die KKE. Die Verurteilung der stalinistischen Politik und das Ende des Personenkultes stürzten die KKE und viele ihre Mitglieder, darunter auch diejenigen in der Emigration, in eine Identitätskrise. Das Zentralkomitee der KKE berief unmittelbar nach dem Parteitag der KPdSU im März 1956 das 6. Plenum ein. Dieses setzte den Generalsekretär Nikos Zachariadis und das gesamte Politbüro ab. Der Ausschluss Zachariadis‘ aus der Partei führte zu heftigen Auseinandersetzungen, insbesondere in der großen griechischen Exilkolonie Taschkent in Usbekistan. Die innerparteilichen Konflikte erreichten 1968 mit der Spaltung der KKE einen Höhenpunkt.
Die Aufstände vom Juni 1953 in der DDR und der ČSSR sowie drei Jahre später in Polen und Ungarn beeinflussten auch die griechischen Jugendlichen, die zu dieser Zeit noch in den Heimen untergebracht waren. Das Erleben dieser politischen Krisen während der kritischen Adoleszenzphase hinterließ bei vielen der Heranwachsenden Zweifel und ungeklärte Fragen. Da für die meisten die Partei eine nicht in Frage zu stellende Bedeutung besaß und der 1956 abgesetzte Zachariadis diese Partei personifizierte, löste seine Entmachtung Unsicherheit aus. Zutreffend stellt Stefan Troebst fest, dass die aus dieser Unsicherheit folgenden Rückzugs- und Protesterscheinungen der Kinder und Jugendlichen von den Erziehern als Anzeichen ideologischer Devianz gedeutet wurden.
Aus der politisch turbulenten Zeit zwischen 1955 und 1957 finden sich Berichte, die zum ersten Mal auf vermeintliche Mängel in der Erziehung der griechischen Jugendlichen hinwiesen. Der Arbeitsplan des Heimkombinates "Freies Griechenland" vom 5. Mai 1956 versuchte mögliche Ursachen für ein fehlendes sozialistisches Bewusstsein zu benennen: "Wir haben zu wenig berücksichtigt, daß die Herausbildung eines solchen Bewusstseins, das zur Richtschnur des gesamten Denken und Handelns wird, die Lösung von drei Hauptaufgaben erfordert. Der erzieherisch ideologische Einfluss muss aktiv vom Standpunkt unserer marxistischen Weltanschauung ausgeübt werden. Diese Aufgaben haben wir erfüllt. Sittliches Verhalten, sittliche Gewohnheiten und Fertigkeiten können nur durch Übung und Gewöhnung gefestigt werden. Diese Aufgaben haben wir vernachlässigt [...]."
Das musste intensiviert werden. Aufgrund der instabilen politischen Lage in Griechenland und der sich abzeichnenden tiefen Spaltung innerhalb der KKE wurde die geplante Rückführung der Immigranten bis Mitte der 1950er Jahre immer unwahrscheinlicher. Die SED sah nun keine andere Möglichkeit, als die Griechen in das DDR-System zu integrieren. Die Griechen sollten als Immigranten mit hoher politischer Zuverlässigkeit zusammen mit den zurückgekehrten deutschen Exilanten aus der Sowjetunion die Aufbauarbeiten in der SBZ unterstützen. Diese Aufgabe erforderte ihre vollständige Integration, insbesondere die Eingliederung in die Arbeitsgesellschaft. So plante das Ministerium für Volksbildung 1955 die Arbeit mit den griechischen Immigranten besonders auf die politisch-ideologische Erziehung zu konzentrieren, die Schüler in der Fachausbildung stark zu fördern sowie Maßnahmen zur weiteren fachlichen Qualifizierung der Berufstätigen einzuleiten.
Asylrecht begünstigt Integration
Positiv auf die gesellschaftliche Eingliederung der Griechen wirkten die Verordnungen des Ausländerrechts. Die Verfassung von 1949 billigte jenen Ausländern Asyl zu, die "wegen ihres Kampfes für die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze im Ausland verfolgt werden."
Die Griechen waren diesen Einschränkungen nicht ausgesetzt. Sie besaßen unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis und waren DDR-Bürgern weitgehend gleichgestellt. Anders als diese, konnten sie auf Antrag sogar Westreisen unternehmen. Dafür wurde politische Loyalität von ihnen eingefordert.
Nachdem die jungen Griechen Mitte der 1950er Jahre aus den Heimen entlassen wurden und ihre intensive Betreuung nachließ, konnten sie ihre Freizeit eigenständig gestalten. Das Knüpfen von Kontakten zu DDR-Bürgern wurde alltäglich. In ihrem autobiografischen Bericht erwähnt die Zeitzeugin Afroditi:
Insbesondere im beruflichen Umfeld wurden Kontakte geknüpft. In der mitgliederstarken Organisation des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) waren alle berufstätigen Griechen Mitglied.
Durch ihre Zugehörigkeit in den sozialen Organisationen und ihre Aktivitäten im beruflichen Umfeld nahmen die griechischen Immigranten am sozialen Leben teil. Sie brachten sich aktiv ein und wurden dadurch als Teil des Ganzen betrachtet. Ausgesprochene Fälle von Missgunst, Verachtung oder öffentlicher Diskriminierung konnten in der Untersuchung nicht festgestellt werden. Dazu trug vielleicht auch bei, dass das Ausmaß der sozialen Hilfsleistungen nicht öffentlich kommuniziert und bis Mitte der 1950er Jahre sukzessive zurückgefahren wurde.
Spaltung der Kommunistischen Partei Griechenlands
Ende der 1960er Jahre spitzten sich die fraktionistischen Gruppenbildungen innerhalb der KKE immer weiter zu.
Beeinflusst durch die Bewegung des Eurokommunismus begannen etliche griechische KP-Mitglieder in der DDR aber schon Mitte der 1960er Jahre die moskautreue Linie der SED zu hinterfragen. Kritische Äußerungen über den Sozialismus, gepaart mit Sympathiebekundungen für die Distanzierung Chinas vom Sowjetblock, nahmen zu. In Betrieben und bei Versammlungen der griechischen Gruppe wurden diese von anderen Genossen vermerkt. Solche als Fraktionisten bezeichnete Gruppierungen können zwischen 1963 und 1967 insbesondere für die DDR-Bezirke Karl-Marx-Stadt und Dresden belegt werden.
Staatssicherheit beginnt Überwachung der Griechen
Die Akten beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) dokumentieren, dass das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ab Anfang der 1960er Jahre politische Immigranten und andere Ausländer, die sich länger im Land aufhielten, massiv überwacht hat.
Für besonders gefährdet hielt das MfS die Immigranten in Ost-Berlin, die Kontakte zu griechischen Gastarbeitern in West-Berlin hatten. Aus Sicht der DDR-Staatssicherheit stellten die griechischen Gastarbeiter in der Bundesrepublik eine Bedrohung für die Loyalität und den inneren Zusammenhalt der Griechen in der DDR dar. Die Teilnahme von Griechen in West-Berlin an Aktionen der Studentenbewegung oder aber auch die Zugehörigkeit zu antikommunistischen Organisationen konnten die gesamte griechische Gemeinschaft in der DDR negativ beeinflussen.
In einem Schreiben vom 9. April 1968 informiert die Hauptabteilung XX des MfS die MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die "Spaltertätigkeit" eines Griechen und bittet um die Einleitung "operativer Maßnahmen" (© BStU, MfS, Chemnitz, StOp-90, Band 2, S. 161–162.)
In einem Schreiben vom 9. April 1968 informiert die Hauptabteilung XX des MfS die MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die "Spaltertätigkeit" eines Griechen und bittet um die Einleitung "operativer Maßnahmen" (© BStU, MfS, Chemnitz, StOp-90, Band 2, S. 161–162.)
Ziel intensiver Überwachung innerhalb der griechischen Immigration war die entstehende Fraktionsbildung unter den Griechen. Die Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund) des MfS konnte im April 1968, also unmittelbar nach der bereits erwähnten Spaltung der griechischen KP, berichten: "Es wurde festgestellt, dass die Spaltergruppen in den letzten Wochen auf dem Territorium der DDR eine aktive Tätigkeit entfalten. Von Rumänien, Westdeutschland und Westberlin aus erfolgten der Druck und die Einschleusung von schriftlichen Materialien in die DDR. Diese illegal in das Gebiet der DDR eingeschleusten Materialien werden in Briefsendungen an die griechischen Studenten, Arbeiter, Angestellten und Wissenschaftler, die in der DDR wohnhaft und tätig sind, versandt. Außerdem wurde festgestellt, daß in den letzten Tagen mehrfach ungesetzliche Zusammenkünfte stattfanden, wo durch die Spaltergruppe versucht wurde, ihre Basis zu erweitern. Eine besondere Aktivität entwickelten die Spaltergruppen in den Bezirken Berlin, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig."
Dissidenz, nicht Widerstand
Die eher diffusen Aktivitäten griechischer Immigranten wichen zweifellos von den strikten SED- und KKE-Parteilinien ab. Es waren eher unkoordinierte Aktionen einzelner Personen oder kleinerer Gruppen, die beispielsweise Flugblätter verbreiteten. Trotz vielfacher Versuche, eine organisierte staatsfeindliche Tätigkeit aufzudecken, konnte das MfS eine organisierte "Spaltertätigkeit" der Griechen nicht mit Fakten belegen. Nach der Definition Christoph Kleßmanns sind diese Aktionen eher mit dem Begriff Dissidenz zu beschreiben.
Die angewandten Überwachungsinstrumente weisen aber auf eine Wahrnehmung der Griechen als potenzielle Träger unerwünschter Aktivitäten hin. Während die Griechen anfänglich vor Verfolgung geschützt wurden, gerieten sie nun ins Visier der Staatsicherheit. Die Kategorisierung als Klassenfeinde vollzog sich jedoch vorranging auf der MfS-Ebene und war keineswegs in der gesamten Gesellschaft der DDR verankert. Das durch das MfS konstruierte Feindbild spiegelt die Alltagserfahrungen der DDR-Bevölkerung, also der Nachbarn, der Mitschüler oder der Arbeitskollegen, nicht wider. Ab 1970 ließ das Interesse des MfS an den Griechen zudem nach. Viele Ordner beim BStU enthalten nur bruchstückhafte Dossiers über Personen und Berichte über abgebrochene Maßnahmen.
Viele Griechen kehren in den 1970er und 1980er Jahren in ihre Heimat zurück
Insgesamt lässt sich ein durchgehender Wandlungsprozess der griechischen Immigration in der DDR feststellen. Das öffentliche Bild variierte je nach aktueller politischer Situation. Das ursprüngliche Ziel, die politischen Immigranten auf ein sozialistisches Griechenland vorzubereiten, endete mit den politischen Entwicklungen in ihrer Heimat. Seit Beginn der 1970er Jahre spielten sie als politische Immigrantengruppe nur noch eine Nebenrolle.
Das Militärregime in Athen bemühte sich gar um eine Annäherung zwischen Griechenland und der DDR, was im April 1973 zur Herstellung diplomatischer Beziehungen führte. Als dann die Militärjunta in Griechenland gestürzt und im Sommer 1974 der Übergang zum parlamentarischen Regierungssystem erfolgte, wurde nach 27 Jahren illegaler Existenz die KKE wieder zugelassen. All das begünstigte die Rückkehr der politischen Flüchtlinge aus der DDR. Im Dezember 1982 beschloss die sozialdemokratische Regierung Griechenlands unter Andreas Papandreou die freie Rückkehr der ehemaligen Verfolgten zu gestatten.
Schlussbetrachtung
Die Aufnahme griechischer Immigranten in der DDR war begleitet von einer positiven Berichterstattung in der lokalen Presse und zahlreichen Solidaritätsaktionen, mit denen die humanistischen und antifaschistischen Ideale der jungen Republik herausgestellt werden sollten. Somit lag der Aufnahme der Griechen eindeutig auch eine ideologisch-politische Motivation zugrunde. Das vom SED-Regime propagierte Bild der kämpferischen Griechen blieb in den ersten zwei bis drei Jahren im Alltag des Staates präsent. Danach ging die Berichterstattung über die griechische Immigrantengruppe zurück.
An den MfS-Berichten ab Mitte der 1960er Jahre wird das neue Bild der SED-Führung von den Immigranten sichtbar: Sie wurden nun zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Das vom jungen SED-Regime anfangs vermittelte Bild des griechischen Klassenkämpfers wurde allmählich durch das Bild eines potenziellen Abweichlers ersetzt. Jedoch spiegelt die Wahrnehmung der Staatssicherheit nicht die Stimmung der gesamten Gesellschaft wieder. Der politische Widerspruch, den manche Griechen formulierten, erreichte keinen hohen Politisierungsgrad und bildete keine organisierte Opposition gegen die Staatsmacht.
Die gute Ausbildung der Griechen, die sie ursprünglich zum Aufbau des Sozialismus in ihrem Heimatland einsetzen sollten, erwies sich als Faktor rascher gesellschaftlicher Anpassung innerhalb der DDR-Gesellschaft. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte auch das Asylrecht, das den Griechen enorme Freiheiten im Vergleich zu anderen Ausländern und erst recht zu den DDR-Bürgern zugestand. Als ab 1956 deutlich wurde, dass die geplante Rückkehr auf absehbare Zeit nicht möglich sein würde, wurden Anstrengungen unternommen, die Griechen stärker in die Gesellschaft zu integrieren.
Die anfangs erwähnte Deutung, dass die Fremden zu der sozialistischen Nation, die als geschlossene Gemeinschaft imaginiert wurde, keinen Zugang bekamen, kann für das Fallbeispiel der Griechen nicht bestätigt werden.
Zitierweise: Maria Panoussi, Die griechischen politischen Immigranten in der DDR, in: Deutschland Archiv, 29.7.2014, Link: www.bpb.de/189030