Der Aufsatz ist der bpb-Publikation Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Band II, Seite 271-275 entnommen.
Zur Geschichte des Konzentrationslagers
Im Ortsteil Ravensbrück des kleinen ehemals mecklenburgischen Luftkurortes Fürstenberg, direkt am Ufer des Schwedt-Sees, ließ die SS durch Häftlinge aus Sachsenhausen ab November 1938 das Konzentrationslager Ravensbrück erbauen. Es war das einzige große KZ in Deutschland, das für Frauen bestimmt war. 1939 wurden rund tausend weibliche Häftlinge aus dem KZ Lichtenburg hierher verlegt. Im April 1941 wurde ihm ein kleineres Männer-KZ angegliedert.
1939 bis 1945 durchlitten schätzungsweise 110.000 weibliche Häftlinge, viele von ihnen mit Kindern und Neugeborenen, das KZ Ravensbrück und seine Außenlager. Hinzu kamen mindestens 20.000 männliche Häftlinge und über 1.000 weibliche Jugendliche, die seit 1942 im nahen "Jugendschutzlager Uckermark" interniert waren. Zwischen 40.000 und 50.000 wurden durch Hunger, Seuchen, medizinische Versuche, Exekutionen, durch Giftgas und auf den großen Evakuierungsmärschen zum Kriegsende ermordet. Die Asche aus dem Krematorium des Lagers wurde in den Schwedt-See geschüttet.
Das Konzentrationslager wurde ständig ausgebaut und ab 1942 mit seinen mehr als 70 Außenlagern in die Kriegsproduktion einbezogen. So errichtete die Firma Siemens & Halske unmittelbar neben dem Lager einen modernen elektrotechnischen Betrieb mit 20 Werkhallen zu je 600 Quadratmetern. Viele Außenstellen des Lagers waren den Rüstungsbetrieben in und um Berlin zugeordnet.
Seit 1942 führten Ärzte im KZ Ravensbrück medizinische Versuche durch, und zwar fast ausschließlich an polnischen Frauen. Sie infizierten sie mit Bakterien, operierten gesunde Häftlinge zur Überprüfung unerprobter Heilmethoden, führten Zwangssterilisierungen durch und anderes mehr.
Die Frauen, Kinder und Männer im KZ Ravensbrück stammten aus mehr als 20 Nationen. Unter ihnen waren Jüdinnen sowie Sinti und Roma. Den Transportlisten zufolge sind die meisten Häftlinge aus Polen (40.000 Frauen), aus der Sowjetunion und aus Deutschland und Österreich nach Ravensbrück verschleppt worden. Hauptgründe für die hohe Sterblichkeit im Lager waren die zunehmend katastrophalen hygienischen Verhältnisse, die völlig unzureichende Versorgung in der letzten Kriegsphase und die "Vernichtung durch Arbeit". Viele Häftlinge wurden aber auch im Rahmen der "Aktion 14 f 13" zur Vernichtung "lebensunwerten Lebens" ermordet, so benannt nach einem Aktenzeichen in der Dienststelle des Inspekteurs der Konzentrationslager. Zwischen 1.500 und 3.000 meist weibliche Häftlinge wurden in der Endphase durch Gas ermordet. Dies geschah zum Teil in der eigens dafür errichteten Gaskammer, zum Teil auf dem Gelände des "Jugendschutzlagers Uckermark".
Die Rote Armee konnte am 30. April 1945, einige Tage nach der Räumung des Lagers durch die SS, nur noch 3.500 Kranke und Kinder befreien, die zu schwach für die Evakuierungsmärsche gewesen waren. Die sowjetische Armee übernahm das engere Lagergelände und nutzte es bis 1993 als Kaserne. Es war unzugänglich für die Öffentlichkeit wie zahlreiche weitere Liegenschaften in und um Fürstenberg.
Zur Entwicklung der Gedenkstätte
Ravensbrück wurde 1959 als kleinste der drei nach einheitlichen Richtlinien geplanten "Nationalen Mahn- und Gedenkstätten" der DDR eingeweiht. Für das Gedenkstättengelände wurden 3,5 Hektar am Rande des ehemaligen Lagers bereitgestellt. Dies definiert zugleich die Besonderheit dieser Gedenkstätte: Das eigentliche Lager-Areal – das etwa 30 Hektar umfassende engere Lagergelände innerhalb der historischen Mauer sowie die Lagerflächen im näheren und weiteren Umfeld mit den Siemens-Werkstätten, dem "Jugendschutzlager Uckermark", der SS-Siedlung und weiteren Gebieten, insgesamt etwa 170 Hektar – war von der Roten Armee genutzt und daher jahrzehntelang nicht einmal für Gedenkveranstaltungen oder für die Forschung zugänglich.
Als Zentrum der Gedenkstätte wurde der Mahnmalsplatz gestaltet zwischen dem nun durch die historische Lagermauer abgeschirmten ehemaligen Häftlingslager, dem Krematorium und Zellenbau und dem Schwedt-See: eine steinern überbaute Fläche mit Plattform in den See hinein, genau an der Stelle, wo die Asche der Ermordeten verstreut worden war; sie ist damit zugleich auch Massengrabanlage. Auf dieser Plattform direkt am Ufer ragt, wie ein Merkzeichen, auf einem stelenartigen Sockel die Skulptur "Tragende" empor.
Die Einweihungsrede hielt Rosa Thälmann, selbst Ravensbrück-Gefangene und Witwe des im KZ Buchenwald ermordeten Ernst Thälmann. In ihrer Person und in der Dokumentationsausstellung zur Geschichte des Lagers, die 1984 als "Museum des antifaschistischen Kampfes" in der ehemaligen SS-Kommandantur eröffnet wurde, sollte die Kontinuität zwischen dem antifaschistischen Widerstand und der aktuellen SED-Politik zum Ausdruck kommen. Zuvor (1982) begann die Einrichtung der "Ausstellung der Nationen" im ehemaligen Zellenbau in Zusammenarbeit mit den kommunistischen Parteien und Verfolgtenorganisationen der jeweiligen Länder.
Die Gedenkstätte ist seit 1993 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und wird aus Mitteln des Landes Brandenburg und des Bundes finanziert. In Anlehnung an die Empfehlungen der Expertenkommission zur Neukonzeption der brandenburgischen Gedenkstätten (1992) wurde die politisch einseitige und wissenschaftlich nicht haltbare Dokumentationsausstellung 1993 geschlossen und durch eine neue mit dem Titel "Ravensbrück. Topographie und Geschichte des Frauen-KZ" ersetzt. Hinzu kam 1994 die biographische Ausstellung "Ravensbrückerinnen". Anläßlich des 50. Jahrestags der Befreiung, zu dem mehr als 1.000 überlebende Häftlinge die Gedenkstätte besuchten, wurde in einem ehemaligen Funktionsgebäude des Lagers die Foto-Exposition "Ich grüße Euch als freier Mensch" eröffnet.
Zur Situation heute
Wenn der Besucher den Mahnmalsbereich betritt und über den Schwedt-See auf das Städtchen Fürstenberg blickt, fällt es ihm angesichts der landschaftlichen Schönheit besonders schwer, sich die Grausamkeit der Ereignisse an diesem Ort vorzustellen.
Mit dem 1995 – anläßlich des 50. Jahrestags der Befreiung – hergerichteten Eingangsbereich des ehemaligen KZ-Geländes wurde ein erster Teilabschnitt eines geplanten späteren Rundgangs der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieser Rundgang, der bereits Teile des geräumten Kasernengeländes mit Spuren des Barackenlagers einbezieht, soll baldmöglichst sowohl das gesamte engere Lagergelände innerhalb der größtenteils noch vorhandenen historischen Mauer mit Unterbringungsbereich und Industriehof als auch das Siemens-Gelände und das Areal des ehemaligen Jugend-KZ Uckermark umfassen. Das engere Lagergelände ist der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten zur Verfügung gestellt worden. Für das Siemens-Gelände, das Lagergelände Uckermark und zahlreiche weitere Areale, die einst ebenfalls zum KZ-Gesamtsystem gehörten, sucht die Stadt Fürstenberg Nutzungen, die mit der Gedenkstättenarbeit in Einklang zu bringen sind. Ein in einem landschaftsplanerischen Wettbewerb 1997/98 gefundenes Gesamtkonzept soll den gestalterischen Rahmen für den längerfristigen Umgang mit diesen historischen Bereichen definieren und dazu beitragen, Relikte zu bewahren, Spuren kenntlich zu machen und den Gesamtzusammenhang des ehemaligen Lagers zu verdeutlichen.
Die oben genannten Ausstellungen sind – wie auch Büros und Sammelbereich – im ehemaligen SS-Kommandanturgebäude untergebracht. Kleinere und Wechselausstellungen werden im "Zellenbau", im Garagentrakt und in anderen ehemaligen Lagergebäuden gezeigt.
Wenn man – an der Ehrenwand mit einem Zitat von Anna Seghers vorbei – das Gedenkplateau betritt, trifft man auf einige weitere erhaltene KZ-Gebäude und -Elemente: das Krematorium, den Erschießungsgang, die Steinwalze, den Zellenbau mit der Nationen-Ausstellung und mit Gedenkräumen für einzelne Opfergruppen. Auf der das Plateau fassenden Mauer sind die Herkunftsländer der Häftlinge verzeichnet; davor erinnern gesonderte Gedenktafeln aus den Jahren 1988 und 1994 an die jüdischen und die Sinti- und Roma-Opfer. Auf dem nicht gepflasterten Teil des Massengrabfeldes sind Rosen gepflanzt. Die große Bronzeskulptur "Tragende" von Will Lammert (1954–59) prägt das Gedenkstättenbild. Weitere Skulpturengruppen von Lammert, Fritz Cremer (Müttergruppe "Frauen von Ravensbrück", 1958) und anderen Künstlern stehen am Rande des Plateaus, im äußeren Gedenkstättenbereich und am ehemaligen Lagerzugang, dort, wo die Straße der Nationen beginnt und ein Panzer (Selbstfahrlafette) an die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee erinnert.
Die zahlreichen Relikte und Spuren des Konzentrationslagers im engeren Lagerbereich und im näheren und weiteren Umfeld, die derzeit durch Verfall gefährdet sind, sollen nach und nach kenntlich gemacht und nach Möglichkeit in die Gedenkstättenarbeit einbezogen werden: erhaltene Lagerbauten wie Schneiderei und Beutegut-Baracken, Fundamentreste, Schienen, Teile der Lagermauer, Außenstellen und vieles andere mehr. Die SS-Wohnsiedlung vor der Gedenkstätte, in der bis 1992/93 sowjetische Familien gewohnt haben, soll insgesamt erhalten und als ganze oder in großen Teilen im Zusammenhang mit der Gedenkstätte genutzt werden. Die Expertenkommission hat empfohlen, hier eine Tagungs- und Begegnungsstätte zur Frauen- und Jugendgeschichte im Nationalsozialismus einzurichten. Mit deren Realisierung soll 1998 begonnen werden. Ein weiterer Teil der Häuser soll vom "Jugendherbergswerk" genutzt werden.
Externer Link: Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Straße der Nationen
16798 Fürstenberg/Havel
Tel.: 03 30 93 / 6 08- 0