Deutsch-türkische Vereinbarung vom 30. Oktober 1961
Zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei ist durch Notenwechsel vom 30. Oktober 1961 eine Vereinbarung zur Regelung der Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrepublik Deutschland getroffen worden, die rückwirkend am 1. September 1961 in Kraft getreten ist und wie folgt lautet.
Verbalnote
Note der Türk. Botsch. vom 30. Oktober 1961
Die Türkische Botschaft beehrt sich, den Empfang der Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 30. Oktober 1961 – 505 – 83 SZV/3I – 92.12 – zu bestätigen, mit der die Regierung der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen hat, die Vermittlung von arbeitsuchenden türkischen Staatsangehörigen in eine Beschäftigung bei Arbeitgebern in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Vereinbarung zu regeln, die folgenden Wortlaut haben soll:
1.
Im Interesse einer geregelten Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrepublik Deutschland werden auf deutscher Seite die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (im folgenden Bundesanstalt genannt) und auf türkischer Seite die Türkische Anstalt für Arbeits- und Arbeitervermittlung (im folgenden Türkische Anstalt genannt) zusammenarbeiten und für die praktische Durchführung der Vermittlung ihre regionalen Dienststellen einsetzen. Sie werden sich bemühen den Ablauf des Vermittlungsverfahrens im Rahmen dieser Vereinbarung zu verbessern und zu vereinfachen.
2.
Die Bundesanstalt errichtet zur Erleichterung der Zusammenarbeit eine Verbindungsstelle in der Republik Türkei, deren Sitz, Tätigkeit und Anwesenheitsdauer sie mit der Türkischen Anstalt vereinbart. Die zuständigen türkischen Behörden unterstützen die Verbindungsstelle bei der Durchführung ihrer Aufgaben in geeigneter Weise.
Die Kosten der Tätigkeit der Verbindungsstelle übernimmt die Bundesanstalt. Der Verbindungsstelle werden von der Türkischen Anstalt die erforderlichen, mit den üblichen Büromöbeln eingerichteten und sich für eine ärztliche Untersuchung der Bewerber eignenden Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt.
3.
Die Verbindungsstelle und die Türkische Anstalt unterrichten sich laufend gegenseitig über die vorliegenden Beschäftigungsangebote von Arbeitgebern in der Bundesrepublik Deutschland für türkische Arbeitnehmer und über die diesen Angeboten entsprechenden Bewerbungen türkischer Arbeitnehmer. Auch ohne vorliegende Beschäftigungsangebote können Bewerbungen von Arbeitnehmern, die durch Ausbildung oder längere Tätigkeit Fachkenntnisse in einem bestimmten Beruf erworben haben, zur Vermittlung vorgeschlagen werden.
Die Beschäftigungsangebote enthalten genaue Angaben über die geforderten beruflichen Fähigkeiten der Bewerber, die Art und die etwaigen Besonderheiten der vorgesehenen Beschäftigung sowie ihre voraussichtliche Dauer. Sie enthalten ferner Angaben über die jeweils maßgebenden Lohn- und sonstigen Arbeitsbedingungen, die Möglichkeiten der Unterkunft und Verpflegung sowie alle anderen Einzelheiten, die für die Entscheidung des interessierten Bewerbers wesentlich sind.
4.
Die Bundesanstalt übermittelt ferner der Türkischen Anstalt zur Unterrichtung der interessierten türkischen Arbeitnehmer eine zusammengefaßte Darstellung über die allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland sowie Lohnbeispiele für die hauptsächlich in Betracht kommenden Berufe. Die Zusammenstellung enthält auch Angaben über die Höhe der Abzüge vom Arbeitslohn an Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung sowie über die wichtigsten Vorschriften und Leistungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit. Diese Angaben werden, soweit erforderlich, nach dem jeweiligen Stand berichtigt.
5.
Die Türkische Anstalt sorgt durch die ihr als geeignet erscheinenden Verfahren für die Sammlung der eingegangenen Bewerbungen, für eine Vorauswahl der Bewerber und übernimmt die Vorstellung der Bewerber bei der Verbindungsstelle. Bewerber, für die im Strafregister eine Freiheitsstrafe eingetragen ist, werden nicht vorgestellt. Das gleiche gilt für Bewerber, denen die zuständigen türkischen Stellen die Ausstellung eines Passes verweigern können. Die Verbindungsstelle stellt ihrerseits fest, ob die von der Türkischen Anstalt vorgestellten Bewerber die beruflichen und gesundheitlichen Voraussetzungen für die jeweils angebotene Beschäftigung und den Aufenthalt in der Bundesrepublik erfüllen.
6.
Für jeden angenommenen Arbeitnehmer wird ein schriftlicher Arbeitsvertrag in deutscher und türkischer Sprache entsprechend der Anlage zu diesem Notenwechsel ausgestellt. Dieser Arbeitsvertrag wird einerseits von dem Arbeitgeber oder dessen bevollmächtigten Vertreter und andererseits von dem Arbeitnehmer unterschrieben sowie von der Türkischen Anstalt und der Verbindungsstelle mit einem Durchgangsvermerk versehen.
7.
Die türkischen Behörden tragen dafür Sorge, daß für den Arbeitnehmer ein Paß ausgestellt wird und dieser im Zeitpunkt der Einreise mindestens noch ein Jahr gültig ist. Die türkischen Konsulate werden dafür Sorge tragen, daß der Paß erforderlichenfalls einen Monat vor Ablauf seiner Gültigkeitsdauer verlängert wird.
Die Verbindungsstelle stellt dem Arbeitnehmer kostenlos eine Legitimationskarte aus. Die Legitimationskarte ersetzt die nach den Vorschriften über die Ausübung einer Beschäftigung durch nichtdeutsche Arbeitnehmer erforderliche Arbeitserlaubnis für längstens ein Jahr, und sie befreit den Inhaber für die Dauer ihrer Gültigkeit vom Einreisesichtvermerkszwang.
Der Arbeitnehmer muß ferner im Besitz einer von der zuständigen türkischen Behörde ausgestellten Bescheinigung über seinen Familienstand sein.
8.
Die Verbindungsstelle organisiert in Zusammenarbeit mit der Türkischen Anstalt die Reise der Arbeitnehmer von dem vereinbarten Abreiseort – in der Regel Istanbul – zu dem jeweiligen Beschäftigungsort in der Bundesrepublik Deutschland. Die Türkische Anstalt sorgt dafür, daß sich die Arbeitnehmer rechtzeitig zum Abreiseort begeben. Von der Verbindungsstelle erhalten die Arbeitnehmer eine nach der Reisedauer bemessene Reiseverpflegung oder einen entsprechenden Barbetrag. Die Reisekosten der Arbeitnehmer vom vereinbarten Abreiseort bis zum Beschäftigungsort, einschließlich der Kosten der Reiseverpflegung, werden von der Bundesanstalt vorgelegt und von dem künftigen Arbeitgeber durch Zahlung eines Pauschalbetrages an die Bundesanstalt getragen. Eine Regelung für die Rückreisekosten ist der Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag vorbehalten.
9.
Die Arbeitnehmer sind dazu anzuhalten, daß sie sich unverzüglich nach ihrer Ankunft in dem Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland bei der örtlichen Meldebehörde anmelden und spätestens innerhalb von drei Tagen, jedoch möglichst vor der Arbeitsaufnahme, bei der Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis beantragen. Beabsichtigt der Arbeitnehmer länger als ein Jahr eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, so muß er einen Monat vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Legitimationskarte bei dem für seinen Aufenthaltsort zuständigen Arbeitsamt eine Arbeitserlaubnis beantragen, deren Erteilung sich nach den allgemeinen Vorschriften über die Ausübung einer Beschäftigung durch nichtdeutsche Arbeitnehmer richtet. Ebenso muß er eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen. Die Aufenthaltserlaubnis wird über eine Gesamtaufenthaltsdauer von zwei Jahren hinaus nicht erteilt. Die Dienststellen der Bundesanstalt werden den türkischen Arbeitnehmern, besonders in der ersten Zeit der Eingewöhnung durch Erteilung von Auskünften allgemeiner Art behilflich sein.
10.
Die Regierung der Republik Türkei wird türkische Arbeitnehmer, die auf Grund dieser Vereinbarung in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einreisen, jederzeit formlos zurückübernehmen, die für die Rückreise erforderlichen Reiseausweise ausstellen und erforderliche Durchreisesichtvermerke beschaffen.
11.
Diese Vereinbarung gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Regierung der Republik Türkei innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Vereinbarung eine gegenteilige Erklärung abgibt.
12.
Die Vereinbarung tritt rückwirkend am 1. September 1961 in Kraft. Sie für ein Jahr abgeschlossen und verlängert sich stillschweigend jeweils um ein weiteres Jahr, falls sie nicht von einer der beiden Regierungen spätestens drei Monate vor Ablauf ihrer Gültigkeit gekündigt wird.
Die Türkische Botschaft beehrt sich, dem Auswärtigen Amt mitzuteilen, daß sich die Regierung der Republik Türkei mit den Vorschlägen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland einverstanden erklärt. Demgemäß bilden die Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 30. Oktober 1961 – 505 – 83 SZV/3 – 92.42 – und diese Antwortnote eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Türkei und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Vermittlung von türkischen Arbeitnehmern nach der Bundesrepublik Deutschland. Die Türkische Botschaft benutzt diesen Anlaß, das Auswärtige Amt erneut ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.