Die Hauptstadt von Belarus liegt nur fünfzig Kilometer von der Quelle der Memel entfernt. Dennoch führt der Njoman, wie der Fluss im Land des Alexander Lukaschenko heißt, ein Schattendasein. Eine Renaturierung des Quellgebiets, wie in den neunziger Jahren vorgeschlagen, wird es nicht geben. Das entspricht ganz der Politik in der Sowjetunion, in der die Geografie des Landes und seine Kultur unter Nationalismusverdacht standen, schreibt Siarhei Bohdan in seinem Beitrag „Mit der Memel in den Westen“.
Um die Anhöhe in Nahwahrudak, einst politisches Zentrum des Großfürstentums Litauen, macht die Memel einen großen Bogen. Dennoch ist der Strom präsent in der Stadt, und das hat vor allem mit Adam Mickiewicz zu tun. Nicht nur die Polen verehren ihn als Nationaldichter. Auch für die Weißrussen ist er die literarische Ikone einer Region, die zu den kulturellen und sprachlichen Grenzlanden in Ostmitteleuropa gehörte, schreibt Uwe Rada in seinem Beitrag „Strom der Erinnerung“.
Grodno ist mit seinen 328.000 Einwohnern zwar nur die fünftgrößte Stadt in Belarus, aber es ist nach Kaunas die zweitgrößte Stadt an der Memel. Vor allem ist es die westlichste Stadt eines Landes, das sich seit geraumer Zeit wieder Richtung Osten orientiert. Die Grenze zu Polen liegt nur 15 Kilometer entfernt, nach Druskininkai in Litauen sind es lediglich 40 Kilometer. Heute liegt Grodno gleich zweimal an der Außengrenze der EU. In der Vergangenheit aber war es Polen, Weißrussen und Juden ein Zentrum, schreibt Felix Ackermann in seinem Beitrag „Palimpsest Grodno“.
Einst hieß die Stadt Ragnit, bevor sie 1945 den Namen bekam, den sie in Russland auch für Memel verwenden – Neman. An Ragnit erinnert heute nicht mehr viel an die deutsche Vergangenheit. Die Ordensburg ist nur noch eine Ruine, gleich nebenan wird ein Atomkraftwerk gebaut. Dennoch will Ludmilla Gulajewa die Geschichte wieder zum Sprechen bringen, schreibt Uwe Rada in seinem Beitrag „Russlands Suche nach der Memel“.
Die Brücke von Tilsit war eist die berühmteste an der ganzen Memel. Heute hält sich der Grenzverkehr zwischen dem zu Russland gehörenden Kaliningrader Gebiet und Litauen in Grenzen. Dennoch ist das Erbe von Tilsit in Sowjetsk wieder Thema. Das gilt auch für die Literatur und den in Deutschland nach wie vor bekannten Tilsiter Johannes Bobrowski, schreibt Uwe Rada in seinem Beitrag „Strom der Erinnerung“.
Als Thomas Mann 1929 auf die Kurische Nehrung kam, war das Wort von der „Sahara des Nordens“ nicht mehr weit. Sogleich ließ sich der Nobelpreisträger in Nida, auf Deutsch Nidden, ein Sommerhaus bauen. Heute dient das Thomas-Mann-Haus am Kurischen Haff, in das die Memel mündet, zum kulturellen Austausch zwischen Deutschen, Litauern und Polen, schreibt Lina Motuziene in ihrem Beitrag „Das Thomas-Mann-Haus in Nida“.
Einst war Memel die nördlichste Stadt Deutschlands, und zu Zeiten der napoleonischen Besatung fand das preußische Königshaus in der Stadt Unterkunft. Nach 1945 wurde aus Memel Klaipėda. Heute ist die Hafenstadt mit ihren 184.000 Einwohnern Litauens Tor zum Westen. Für die Herausbildung einer regionalen Vergangenheit ist das kulturelle Erbe der Vergangenheit von großer Bedeutung, schreibt Nijole Strakauskaite in ihrem Beitrag „Stadt der zwei Namen“.
Das ehemalige Insterburg liegt zwar nicht an der Memel, sondern an der Inster, die sich in der Stadt mit der Angerapp zum Pregel vereinigt. Damit aber teilt die 42.000 Einwohner zählende Stadt das Schicksal vieler Gemeinden und Kirchen im Kaliningrader Gebiet. Nachdem russische Bürger die deutsche Burg vor dem Verfall gerettet haben, bekommt sie nun die orthodoxe Kirche zurück, schildert Bert Hoppe in seinem Beitrag „Der Kampf um die Kirchen“.