Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Wandel und Neuformierung 1969-1981 | Geschichte der Bundeszentrale für politische Bildung | bpb.de

Geschichte der bpb Reichszentrale für Heimatdienst 1918-1933 Gründung und Aufbau 1952-1961 Interview mit Carl Christoph Schweitzer Etablierung und Ausbau 1961-1969 Wandel und Neuformierung 1969-1981 Konsolidierung und technischer Fortschritt 1981-1989 Politische Bildung für das vereinte Deutschland 1989-1998 Neue Aufgaben, neue Wege 1999 – 2011 60 Jahre bpb Erlasse Direktoren und Präsidenten Redaktion

Wandel und Neuformierung 1969-1981

/ 6 Minuten zu lesen

In den 1970er Jahren durchläuft die bpb eine Reihe struktureller und programmatischer Reformen. Mit dem "Beutelsbacher Konsens" werden 1976 drei Zielsetzungen der politischen Bildung definiert, die bis heute Gültigkeit haben.

Erstausgabe der Politischen Zeitschrift (PZ) von 1971.

Das Jahr 1969 markiert einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der erste sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt gab dem Umbruch ein Gesicht. Politischer und gesellschaftlicher Wandel, außenpolitische Neuanfänge und Entspannungshoffnungen, aber auch die neuerliche Verhärtung zwischen den Blöcken, der deutsche Terrorismus, Massenarbeitslosigkeit und das Bewusstwerden der Grenzen des Wachstums sollten das kommende Jahrzehnt prägen.

Neue Leitung und neue Aufgabenbeschreibung

1969 steht auch in der bpb für einen signifikanten Übergang. Der Gründungsdirektor Dr. Paul Franken schied aus dem Amt, sein Nachfolger wurde ab dem 1.1.1969 der 1923 geborene Dr. Hans Stercken (CDU).

Externer Link: Am 10. September 1969 trat ein neuer Erlass in Kraft, der den Aufgabenzuschnitt der bpb neu formulierte. Hatte es noch im Gründungserlass von 1952 geheißen "Die Bundeszentrale für Heimatdienst hat die Aufgabe, den demokratischen und europäischen Gedanken im deutschen Volk zu festigen und zu verbreiten", so lautete ihre Aufgabe nun "im deutschen Volk das Verständnis für politische Sachverhalte zu wecken, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken." Im Planungs- und Tätigkeitsbericht der bpb von 1969/70 fand diese Ausrichtung ihren Ausdruck: "Realitätsbezogener, weniger verklärend und harmonisierend und die Sensibilität für Interessenkonflikte und Macht stärkend" – so wollte die bpb jetzt arbeiten. Ob es allerdings Aufgabe der staatlichen politischen Bildung sein konnte, Foren parteipolitischer Auseinandersetzungen zu schaffen und ob und welche Handlungsorientierungen für das politische Engagement der Bürger/innen gegeben werden sollten – das blieb eine der großen Diskussionen der 1970er Jahre, die geprägt waren von schwerwiegenden Auseinandersetzungen über das Selbstverständnis politischer Bildung. Der Konflikt nährte sich insbesondere aus der Frage, ob politische Bildung emanzipatorischen oder eher affirmativen Charakter haben müsse, ob sie systemstabilisierend oder systemverändernd wirken solle. In diesen Zeiten grundlegender Meinungsverschiedenheiten gelang es aber immerhin auf einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg im Jahr 1976 mit dem Externer Link: "Beutelsbacher Konsens" einen Minimalkonsens zu finden, der bis heute in der politischen Bildung Gültigkeit hat. Hier wurden drei Prinzipien festgeschrieben: Das Überwältigungsverbot (keine Indoktrination), das Gebot, kontrovers diskutierte Themen auch im Politik-Unterricht kontrovers darzustellen, sowie Schüler dahin gehend zu fördern, dass sie ihre eigenen Interessen analysieren und vertreten können. Auch die 1977 verabschiedeten "Leitlinien für die Sacharbeit der Bundeszentrale für politische Bildung" spiegelten diesen Konsens wieder.

Einrichtung des Wissenschaftlichen Beirats

Der neue Erlass aus dem Jahr 1969 sah die Einrichtung eines Externer Link: Wissenschaftlichen Beirats für die bpb vor, der den Direktor unterstützen sollte und von dessen einstimmig gefassten Empfehlungen der Direktor nur mit Zustimmung des Innenministers abweichen durfte. Das zunächst fünfköpfige Gremium trat erstmals am 27. April 1970 zusammen. In seiner Gründung fand das in Politik und gesellschaftlichem Umfeld gewachsene Interesse an der wissenschaftlichen Begleitung und Bewertung der politischen Bildungsarbeit seinen Niederschlag. Überhaupt ist in diesen Jahren eine Intensivierung der Forschungstätigkeit zu konstatieren. Dies kam in der Anregung und Förderung von Grundlagenforschungen zur politischen Bildung durch die bpb ebenso zum Ausdruck wie in der - der bpb von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung übertragenen - Zuständigkeit für die Curricula-Forschung und ‑Entwicklung im Bereich der außerschulischen politischen Bildung. Als Ergebnis dieser Curricula-Forschung wurden didaktisch aufbereitete Lehr- und Lernmaterialien in Kooperation mit anderen Trägern politischer Bildung und Experten/innen der Erwachsenenbildung erarbeitet und in der Schriftenreihe veröffentlicht.

Reorganisation des Direktoriums

1973 wurde die Führungsspitze der bpb neu organisiert Externer Link: (Neuer Erlass vom 21.6.1974). An die Stelle eines Direktors trat eine Dreierspitze. Als Direktoren wurden Franklin Schultheiß (SPD) und Horst Dahlhaus (FDP) berufen. Dr. Hans Stercken (CDU), bis dahin alleiniger Direktor, wurde zum Geschäftsführenden Direktor ernannt. Ihm folgte 1976 Josef Rommerskirchen (CDU) nach, die Geschäftsführung übernahm ab 1976 bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1992 Franklin Schultheiß. Mit der neuen, politisch nicht unumstrittenen Führungsstruktur sollte eine Beteiligung aller Bundestagsfraktionen an der Leitung der Bundeszentrale für politische Bildung gewährleistet werden. Nicht mehr Überparteilichkeit, wie in den Anfangsjahren postuliert, sondern politische Ausgewogenheit sollte die Arbeit der bpb kennzeichnen.

Für die Entscheidungsfindung im Direktorium wurde ein komplexes Verfahren entwickelt. Grundsätzlich mussten Entscheidungen einstimmig fallen. Falls keine Einstimmigkeit herzustellen war, entschied nach Wochenfrist eine Mehrheit im Direktorium, wobei dem unterlegenen Direktor noch die Möglichkeit blieb, die Zustimmung des Innenministers zu beantragen.

Neue Organisationsstrukturen

Bereits Ende der 60er Jahre war die Organisationsstruktur des gesamten Hauses überarbeitet und die einzelnen Referate zu fünf Arbeitsgruppen zusammengefasst worden. Sie nannten sich seit Anfang der 1970er Jahre: "Massenmedien", "Publizistik", "Außerschulische politische Bildung", "Politische Bildung für die Schule" und "Zentrale Verwaltung". Dazu kamen das Referat "Generalplanung" sowie das Ostkolleg, dessen Aufgaben in der Neuformulierung des Externer Link: Erlasses über das Ostkolleg vom 1. November 1975 eine Erweiterung erfuhren. In § 2 dieses Erlasses heißt es: "Das Ostkolleg hat die Aufgabe, durch Tagungen über Ideologie, Wirtschaft, Recht, politisches System, gesellschaftliche Struktur und geschichtliche Grundlagen des Kommunismus in seinen verschiedenen Ausprägungen, vornehmlich in Osteuropa, umfassend zu informieren und zu orientieren. Ferner sollen durch Gegenüberstellung und Vergleich die Strukturen, Möglichkeiten und Probleme freiheitlich-demokratischer Ordnungen bewusst gemacht werden." Das Wissenschaftliche Direktorium des Ostkollegs setzte sich jetzt aus sieben bis neun Mitgliedern zusammen, die auf Vorschlag des Direktoriums der bpb vom Bundesminister des Innern berufen wurden. Es sollte auf der Grundlage gegenseitigen Einvernehmens mit dem Direktorium der bpb vertrauensvoll zusammenarbeiten. Aus ihrer Mitte wählten die Mitglieder jedes Jahr ihren Vorsitzenden.

Neue Themen, neue Angebote

1977 arbeiteten 129 Frauen und Männer in der bpb, davon waren 23 verbeamtet, 86 angestellt und 20 als Arbeiter beschäftigt, der Etat war auf über 25 Mio. DM angestiegen. Fragen der Friedenssicherung und die wachsende Umweltproblematik, vor allem aber die Auseinandersetzung mit dem linksextremistischen Terrorismus bildeten neue Schwerpunkte im Aufgabenspektrum. Eine Maßnahme in diesem Zusammenhang war das Aktionsprogramm zur geistig politischen Auseinandersetzung mit dem Terrorismus und Extremismus, das im Jahr 1975 konzipiert und in den Folgejahren fortgesetzt wurde.

Erstausgabe der Politischen Zeitschrift (PZ) von 1971.

Zum Hauptmedium der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit aktuellen Themen entwickelte sich in den 1970er Jahren die Beilage Externer Link: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) der Wochenzeitung Externer Link: Das Parlament. Daneben traten neue Produkte wie die Reihe Kontrovers, deren Titel die Richtung des hier geführten Diskurses vorgab. Das erste Heft aus dem Jahr 1969 beschäftigte sich mit dem Thema "Wählen mit 18?!". Die Reihe war für den Einsatz in der Schule in der Sekundarstufe II vorgesehen. Die Darstellung von kontroversen Standpunkten erfolgte anhand von ausgewählten Dokumenten und Quellentexten, die eine sachlich fundierte Basis für die Urteilsbildung und eine weiterführende Diskussion ermöglichen sollten. Auch die Popularisierung politischer Bildung stand auf der Tagesordnung, wie sie die 1971 erstmals erschienene PZ anstrebte. In ästhetischer Anlehnung an die Boulevardmedien wurde mit der PZ – der Name ist die Abkürzung für "Politische Zeitung" - der Versuch unternommen, über Themenhefte zu "Frauen" oder "Umweltschutz" politische Bildung einem breiteren und jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Die erste Ausgabe erschien unter dem Titel "Wir sind die Sklaven der Nation. Hausfrau: ein mieser Job. Küche, Kinder, Krise". "Mit der Hand am Puls", so das Motto der Redaktion, sollte eine Zielgruppe angesprochen werden, die mit den herkömmlichen Angeboten der politischen Bildung nur schwer zu erreichen war. Speziell an Schüler der Sekundarstufe I sowie an Berufs- und Berufsfachschüler/innen wandte sich seit 1975 die Zeitschrift Zeitlupe mit ansprechend aufbereiteten Hilfen für den Unterricht. Eine weitere Innovation stellte der Externer Link: Schülerwettbewerb dar, der 1971 unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten erstmals ausgeschrieben wurde und seither jährlich stattfindet. Der Schülerwettbewerb löste das traditionsreiche Preisausschreiben ab und zielte auf die Förderung der Urteilsfähigkeit der jungen Teilnehmer/innen. 1977 beteiligten sich bereits 3.000 Klassen mit rund 100.000 Schülerinnen und Schülern. Parallel zum Schülerwettbewerb gab die bpb dann ab dem Schuljahr 1979/80 den Schülerkalender zur politischen Bildung heraus.

Neuland betrat man 1975 auch mit der Entwicklung des Lokaljournalistenprogramms. Aus den zunächst veranstalteten Fortbildungs-Seminaren gingen bald Publikationen wie das "ABC des Journalismus" und "Materialien für Lokaljournalisten" hervor und es entstand ein bis heute wachsendes Netzwerk innovationsfreudiger Journalistinnen und Journalisten. Seit 1981 gibt die bpb in Zusammenarbeit mit dem Projektteam Lokaljournalismus das Magazin Externer Link: "Drehscheibe" heraus, das Ideen, Themenvorschläge und handwerkliche Tipps für Lokaljournalisten enthält.

Fussnoten

Weitere Inhalte