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Der Schlossplatz braucht ein Zentrum der Begegnung | Presse | bpb.de

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Der Schlossplatz braucht ein Zentrum der Begegnung

Die Teilnehmer des Pressegesprächs wollen der Öffentlichkeit deutlich machen, warum sie eine öffentliche Nutzung des ehemaligen Staatsratsgebäudes in Berlin für eine große Chance halten, die nicht vertan werden sollte.

Die Internationale Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" hat am 17. April der Bundesregierung und dem Senat von Berlin ihren Abschlussbericht überreicht. Die öffentliche Diskussion über den Wiederaufbau des Schlosses und seine künftige Nutzung ist damit in ein neues Stadium getreten. Dabei geht es aber nicht nur um das Für und Wider, um Form und Inhalt eines neuen Schlossbaues, sondern um das städtebauliche und geistig-kulturelle Profil der historischen Mitte Berlins, die zum Sinnbild für unsere Zukunft werden soll, als Ort "von gesellschaftlich herausragender Bedeutung" - wie es die Kommission gefordert hat.

Der Schlossplatz muss mit Leben erfüllt werden: Er soll sich zur Agora einer modernen Bürgergesellschaft entwickeln. Die Mitte Berlins braucht ein Zentrum der Begegnung von Kultur und Wissenschaft, in dem neue Wege interdisziplinärer Kommunikation erprobt und neue Formen der Kooperation und Vernetzung zwischen den kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen entwickelt werden. Hier muss anschaulich werden, was es bedeutet, wenn sich Berlin als weltoffene Metropole versteht: als eine Brücke zwischen Ost und West, als exponierter Ort für den Dialog der Kulturen und als Labor für das Experiment Zukunft.

Die Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" hat mit ihrer einstimmig verabschiedeten Nutzungsempfehlung für das Staatsratsgebäude einen wichtigen Anstoß gegeben, mit der Realisierung dieser Zielsetzungen schon kurzfristig zu beginnen. Damit in der Mitte Berlins ein "lebendiger Ort der Begegnung und Reflektion" entstehen kann, empfiehlt sie die Rückgabe des Gebäudes an die Bürgergesellschaft, eine vorwiegend öffentliche Nutzung, die durch drei Komponenten konkretisiert wird:

1. Prospekt "Humboldt-Forum"

Das Nutzungskonzept für den neuen Schlossbau wird durch die Leitidee des "Humboldt-Forums" bestimmt. Die Dahlemer Sammlungen für außereuropäische Kunst und Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin, der wissenschaftshistorische Fundus des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik der Humboldt-Universität sowie die Zentral- und Landesbibliothek Berlin können an einem gemeinsamen Ort in Korrespondenz zur Museumsinsel einen Dialog zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft inszenieren, der in dieser Qualität und Verdichtung weltweit eine einzigartige Möglichkeit eröffnet. Mit der Initiative einer ausgewählten Vorschau auf das Humboldt-Forum möchten die dafür empfohlenen Partner die entstehende kulturelle Fülle des Schlossplatzes schon jetzt lebendig und anschaulich in der Öffentlichkeit erlebbar machen.

Im Zeitalter der Globalisierung und der daraus entstehenden Chancen und Probleme sowie des zunehmenden Interesses der Öffentlichkeit an außereuropäischen Kulturen und ihrer Kunst ist es unverantwortlich, ausgerechnet die weltweit einzigartigen Schätze der Staatlichen Museen an der Peripherie zu belassen. Es wäre ein wichtiges Signal der Hauptstadt Berlin als Welthauptstadt, die Zeugnisse der Weltkulturen im Zentrum zu präsentieren, wo sie gleichermaßen der ästhetischen Wahrnehmung wie der öffentlichen Diskussion zur Verfügung stünden.

Das 1999 gegründete Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik verfügt über Sammlungen von ca. 30 Millionen Objekten und arbeitet in interdisziplinärer Kooperation die gemeinsamen Grundlagen von Geistes- und Naturwissenschaften auf. Mit der erfolgreichen Ausstellung "Theatrum naturae et artis: Wunderkammern des Wissens" im Martin-Gropius-Bau hat es die Absicht unterstrichen, seine wertvollen Bestände einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Rahmen des Humboldt-Forums können Kooperationen mit den beiden Partnern entwickelt werden, die im Staatsratsgebäude in einer Vorschau an ausgewählten Themen eine neue museale Verknüpfung von Kunst, Kultur und Wissenschaft erproben.

Teil des geplanten Humboldt-Forums ist die Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Sie möchte der Öffentlichkeit schon jetzt moderne Informations- und Kommunikationsmedien im Staatsratsgebäude zur Verfügung stellen. Nach dem Vorbild des Pariser Centre Pompidou wirbt die Zentral- und Landesbibliothek für einen attraktiven und innovativen öffentlichen Ort in der Mitte Berlins. Mit den erwarteten 10.000 Besuchern täglich kann diese Bibliothek die kulturelle und wirtschaftliche Belebung des Schlossplatzes garantieren.

2. Medien- und Kommunikationszentrum der Bundeszentrale für politische Bildung

Auf Grund seiner besonderen politischen Geschichte und exklusiven Lage bietet sich das Gebäude als Kommunikations- und Begegnungsraum für ein Netzwerk von Anbietern an, in dem mit neuen Ausstellungs- und Veranstaltungskonzepten sowie intermediären Vermittlungsformen modellhafte Angebote zeitgeschichtlicher, politischer und kultureller Bildung entwickelt werden können. Mit dem Aufbau einer Mediathek möchte die Bundeszentrale für politische Bildung themenzentriert die Ressourcen zahlreicher Anbieter aus Kultur, Bildung und Wissenschaft in übersichtlicher Form verknüpfen. Außerdem ist die Entwicklung eines multimedialen Informationssystems beabsichtigt, das an einem zentralen Standort als Wegweiser einen Einblick in die Aktivitäten aller Netzwerkpartner ermöglicht (Infovision). Die Bundeszentrale für politische Bildung wird sich auch um eine Rückkehr des Stadtmodells in das Staatsratsgebäude in einer neuen Präsentationsform bemühen, die auch einen Prospekt auf das künftige Baugeschehen am Schlossplatz enthalten sollte.

Für Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekte haben Partner wie das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die Internationalen Filmfestspiele Berlin besondere Bedeutung.

Die Aura des Staatsratsgebäudes fordert vor allem zur Auseinandersetzung mit der "deutsch-deutschen" Geschichte im 20. Jahrhundert heraus. Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist auf dieses Thema spezialisiert. Sie verfügt über umfangreiche Sammlungen zeithistorisch relevanter Gegenstände, Dokumente, Fotos und audiovisueller Medien. Hieraus werden zu vielfältigen Themen der deutschen Zeitgeschichte Wechselausstellungen erarbeitet – ggf. auch in Kooperation mit anderen Partnern. Zahlreiche bisherige Wechselausstellungen der Stiftung zu einschlägigen Themen ("Endlich Urlaub. Die Deutschen reisen", "Markt oder Plan. Wirtschaftsordnungen in Deutschland", "Ungleiche Schwestern. Frauen in West- und Ostdeutschland", "Foto-Anschlag. Vier Generationen ostdeutscher Fotografen", "Miss Germany. Eine schöne Geschichte") hätten bereits in Berlin gezeigt werden können, wenn der Stiftung Haus der Geschichte geeignete Räume zur Ver-fügung stünden. Darüber hinaus können Präsentationen eigens für das Staatsratsgebäude konzipiert werden sowie in Planung befindliche Wanderausstellungen (bei-spielsweise "Widerstand in der DDR" aus Anlass des 50. Jahrestages des 17. Juni) dort Station machen.

Ergänzend zu den Ausstellungen können die Räume des ehemaligen Staatsratsge-bäudes auch genutzt werden für vielfältige Veranstaltungen – von der Buchvorstellung über Filmabende bis hin zu mehrtägigen internationalen wissenschaftlichen Symposien – , die die Stiftung Haus der Geschichte allein oder mit Partnern durchführt.

Die Berlinale könnte sich im Staatsratsgebäude besonders für Filmemacher aus nicht-europäischen Ländern engagieren. Frankreich, Italien, die Niederlande und Schweden unterstützen bereits die Entwicklung, Produktion und Postproduktion von Filmprojekten für Künstler aus Ländern, in denen es aus politischen und ökonomischen Gründen schwierig ist, Filme herzustellen. Das Staatsratsgebäude könnte Treffpunkt für diese Filmemacher sein. Die Berlinale könnte im Kinosaal des Staatsratsgebäudes zur Vernetzung der Filmszene dieser Länder mit anderen kulturell, politisch orientierten Initiativen und Institutionen einen Beitrag leisten. Mit Hilfe eines noch zu schaffenden Fonds, zu dem auch Industrieunternehmen durch Bereitstellung ihrer Produktionskapazitäten beitragen sollen, könnte den Filmemachern ge-holfen werden. Die Europäer verfügen über genügend Fördersysteme. Es ist sinnvoll, den Künstlern in den Ländern zu helfen, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Filme zu finanzieren.

3. Architektur und Städtebau

Berlin braucht wie andere europäischen Hauptstädte einen Ort, an dem Architektur und Städtebau öffentlich gezeigt, vermittelt und diskutiert werden, so wie in öffentlichen Museen bildende Kunst vermittelt wird. Hier soll auch über die Geschichte des Ortes und über Konzeptionen für die Bebauung des Schlossplatzareals informiert und diskutiert werden. Als Prospekt für eine später an der Stelle der ehemaligen Bauakademie von Schinkel geplanten Deutschen Bauakademie könnte im ehemaligen Staatsratsgebäude ein internationales Forum für öffentliche Debatten über die Zukunft der Stadt aufgebaut werden.

Die Zeit drängt. Die Teilnehmer des Pressegesprächs wollen der Öffentlichkeit deutlich machen, warum sie eine öffentliche Nutzung des Staatsratsgebäudes für eine große Chance halten, die nicht vertan werden sollte. Deshalb haben sie die Initiative ergriffen. Die Bundeszentrale für politische Bildung ist bereit, die Koordinierung mit den Partnern eines Netzwerkes zu übernehmen, wenn die Empfehlung der Expertenkommission die Zustimmung von Bundesregierung und Senat findet.

25.04.2002

Fussnoten