Donnerstag, 26. September 2002, 19.00 Uhr
Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Genau einen Monat vor der Verleihung des Büchner-Preises am 26. Oktober 2002 besucht der diesjährige Preisträger Wolfgang Hilbig im Rahmen des Begleitprogramms zur Doppelausstellung "Klopfzeichen" die Buchstadt Leipzig. In einer Lesung stellt er Verse aus seiner Erstveröffentlichung "abwesenheit" und aus seinem letzten Gedichtband "Bilder vom Erzählen" vor und berichtet darüber, wie er die kulturpolitische Situation in der DDR und den Literaturbetrieb im Osten und Westen Deutschlands erlebt hat.
Sein literarisches Debüt, der Gedichtband "abwesenheit", konnte 1979 nur im Westen Deutschlands erscheinen. Mit einer unverwechselbaren Stimme hat sich Hilbig als ein moderner Poet vorgestellt, dessen Verse "in ihrer begründeten Fremdheit gegenüber dem Anspruch auf gesellschaftliche Funktionalität" (Wolfgang Emmerich) den neuen Ton eines "radikalen Ich" gefunden haben.
Der 1941 in Meuselwitz, "in der Kohle Sachsens" (Franz Fühmann) geborene Hilbig fand über Umwege zur Literatur. Nach einer Lehre als Bohrwerksdreher arbeitete er in verschiedenen Berufen, darunter 15 Jahre als Heizer. Mit 24 Jahren begann er Gedichte zu schreiben. In der DDR scheiterten all seine Versuche, für seine Texte einen Verlag zu finden, obwohl sich der Autor Franz Fühmann in einem fulminanten Essay für diesen Poeten, der sich keinem literarischen Kanon und keiner politischen Vormundschaft fügen mochte, eingesetzt hat. Erst 1983 konnte beim Leipziger Reclam Verlag eine kleine Auswahl von Gedichten und Prosa unter dem Titel "Stimme Stimme" erscheinen. Zwei Jahre später siedelte Hilbig in die Bundesrepublik über, wo seine ersten großen Prosawerke, "Die Weiber" (1986) und "Eine Übertragung"(1989) neben einem weiteren Gedichtband, "die versprengung" (1986), entstanden.
In seinem Werk, das eng mit seiner Autobiographie und dem Erleben der Kohlelandschaft Sachsens verknüpft ist, wendet sich Hilbig gegen die "schreckliche Zufriedenheit" einer sprachlosen Gesellschaft und einer erstarrten Politik, mit der er sich auch nach seiner Übersiedlung in den Westen beschäftigt. Sein Roman "Ich", 1993 erschienen, dringt in die Labyrinthe des Überwachungsstaates vor und deckt in surreal anmutenden Rollenwechseln die Absurditäten staatlicher Literaturkontrolle auf. Sein bisher letztes großes Prosawerk, "Das Provisorium" (2000), ist "ein Buch des Abschieds (...) nicht allein von dem Staat, dem er damals den Rücken kehrte, sondern letztlich von allen existenziellen Gewissheiten." (Uwe Wittstock). Seine Lyrik zeichnet eindringliche Einsamkeitsbilder und seine Verse sind Zeugnisse einer Sehnsucht Distanz und Abwesenheit in Empathie und Anwesenheit zu verwandeln.
Veranstalter:
Bundeszentrale für politische Bildung & Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Veranstaltungsort:
Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, Grimmaische Straße 6, Eintritt frei
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