"Wie wollen wir in Zukunft zusammen leben"? Diese Frage gehört zu den drängendsten unserer Gesellschaft und beeinflusst die Museen unmittelbar. Sie stehen in der Verantwortung, auf den gesellschaftlichen Wandel - gerade auch durch die hohe Zahl der Schutzsuchenden - nicht nur zu reagieren, sondern den transkulturellen Dialog zu gestalten.
Am 23. und 24. Oktober trafen sich etwa 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Museumspädagogik und kultureller Bildung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, um über die Rolle von Museen angesichts der Flüchtlingssituation und die Nachhaltigkeit bereits etablierter Programme zu diskutieren. Die Tagung wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, dem Museumsdienst Köln, dem Bundesverband Museumspädagogik e.V., dem Landesverband Museumspädagogik NRW e.V. und den Neuen Deutschen Organisationen veranstaltet.
Am ersten Tag sorgte eine Reihe von übergreifenden Impulsreferaten für eine theoretische Unterfütterung des Themas. Den Beginn markierten Statements aller vier Kooperationspartner. Für die Stadt Köln stellte Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach fest, dass „Kultur für alle“ in der Domstadt schon lange Realität sei. Sie plädierte für einen neuen Slogan: „Kultur durch alle“, um die intendierte Breitenwirkung deutlich zu machen. Dr. Caroline Hornstein-Tomić, Stellvertreterin des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, stellte dar, dass die bpb ihren Fokus auf den Übergang von der Willkommenskultur zum transkultu¬rellen Dialog lege. Anja Hoffmann, Vorsitzende des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V., betonte den Willen der Museumspädagogen zum transkulturellen Dialog, unterstrich aber zugleich die Notwendigkeit von tragfähigen Konzepten und Finanzierungsmodellen. Für die Neuen Deutschen Organisationen betonte Fatema Mian deren Willen zu einer intensiven Kooperation auch im Bereich der kulturellen Bildung.
Drei Expertinnen sprachen im Themenfeld „Diversität stärken“ über Wandel in seinen unterschiedlichen Facetten. Den ersten Impuls setzte die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Riem Spielhaus von der Universität Göttingen, die über den Wandel der Gesellschaft referierte: „Unsere Institutionen müssen die Gesellschaft spiegeln, wenn sie relevant sein wollen“. Zugewanderte seien an Kunst und Kultur interessiert, aber nur dann, wenn ihre Geschichten und ihre Perspektiven auch darin vorkämen. Es sei also nicht weniger als ein Neudenken der Kultureinrichtungen gefragt. Museumsfachfrau Léontine Meijer-van Mensch vom Museum Europäischer Kulturen Berlin beleuchtete den Wandel des Publikums und seine neuen Erwartungen an das Museum. Dialog sei der Schlüssel zu einer gelungenen Vermittlungsarbeit. Meijer-van Mensch riet den Museen zu einer empathischen Wende („empathic turn“) und damit zu einer positiven Hinwendung zu allen potenziellen Zielgruppen. Karima Benbrahim vom IDA e.V. (Informations- und Doku-mentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. Düsseldorf) sprach über die Notwendigkeit des institutionellen Wandels auch in der Personalpolitik.
Am Nachmittag des ersten Tages diskutierte die Tagung unter dem Motto „Partizipation und Kooperation leben“ die Entwicklung und Bereitstellung von konkreten Angeboten. Dabei spielten die internen und externen Rahmenbedingungen für Projekte an Museen ebenso eine Rolle wie erfolgreiche Beispiele aus anderen Kultursparten. Doris Hefner (culturalive) referierte Probleme und Anforderungen in der Programmentwicklung mit und für Geflüchtete, während Eleonore Hefner (Bundesvereinigung soziokultureller Zentren e.V.) soziokulturelle Herangehensweisen anbot und unter anderem die Museen aufforderte, nach draußen zu gehen und eine aufsuchende Vermittlungsarbeit zu leisten.
Danach galt es, die internen Rahmenbedingungen von Museen abzustecken. Prof. Dr. Wiebke Ahrndt (Deutscher Museumsbund) diskutierte mit Dr. Tayfun Belgin (Osthaus-Museum Hagen), Sandra Vacca (Domid e.V.) und Julia Hagenberg (Kunstsammlungen NRW) über die Aufgabe von Museen im Angesicht einer zunehmend spürbaren Polarisierung der Gesellschaft. Ohne zu einem einheitlichen Ergebnis zu kommen, waren sich die Experten darin einig, dass Museen keinesfalls als reine Musentempel oder Orte der Stille agieren könnten, sondern aktiven Anteil am Diskurs haben und die unterschiedlichsten Zielgruppen partizipativ integrieren sollten.
Wie dies mit geflüchteten Menschen gelingen kann, machten die über die Tagung verteilten Projektpräsentationen aus dem gesamten Bundesgebiet deutlich, die zugleich die Grenzen und Probleme aufzeigten. Zwei Beispiel des Museumsdienstes Köln, Projekte des Fußballmuseums Springe und des Naturkundemuseums Bielefeld, ein stadtweites Führungsprogramm aus Frankfurter Museen, ein Spiel, das für das Grassi Museum in Leipzig entsteht und das Projekt „Multaka“ der Staatlichen Museen zu Berlin, mit Führungen durch Geflüchtete, zeigten die Bandbreite der Möglichkeiten: Führungen von und für geflüchtete Menschen, Sprachkurse, Ausstellungen, Kooperationen mit Migrantenorganisationen oder Begegnungsprojekte – die Museumspädagogik nutzt verschiedenste Ansätze, um die Rolle von Museen als Orte des Willkommens zu stärken. Dass sie dabei noch von anderen Kunstsparten lernen können, stellten Dr. Maren Ziese (Willy-Brandt-Haus Berlin und Carolin Gritschke (Haus der Geschichte Bande-Württemberg) dar. Insbesondere Theater und offene Kunstprojekte führen oftmals einen Dialog auf Augenhöhe zwischen Institutionen und Geflüchteten.
Um den Diskurs anzustoßen, wurde für den zweiten Tag bewusst auf das Format des Barcamps gesetzt, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam in die Zukunft zu denken. Beim Barcamp gilt das Motto „No spectators, only participants!“ Das Programm wurde direkt vor Ort von den Teilnehmenden erstellt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren eingeladen, ein Thema, eine Präsentation oder eine Frage zur gemeinsamen Bearbeitung in der Gruppe vorzuschlagen. So kam es zu mehr als 20 Diskussionsrunden, in denen Methoden, Formate aber auch grundsätzliche Fragen und Probleme erörtert wurden.
Die Ergebnisse des Barcamps sowie die Dokumentation der Vorträge und Diskussionsrunden werden in einer Sonderausgabe der Zeitschrift „Standbein/Spielbein“ zusammengefasst und 2017 publiziert.
Schon jetzt liefert der Tagungsblog Externer Link: www.museum-flucht-dialog.de vertiefende Einblicke und Informationen.
Erste Eindrücke der Tagung finden Sie hier: