Sehr geehrte Frau Staatsministerin Böhmer,
sehr geehrter Herr Starikovich,
sehr geehrter Herr Dr. Lemper,
sehr geehrter Herr Ostrowski,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Ein kurzer Blick zurück
Als am 20. Dezember 1955 die Bundesrepublik Deutschland mit Italien das erste Anwerbeabkommen abschloss, ahnte keiner der verantwortlichen Akteure, dass die damals ethnisch noch relativ homogene deutsche Gesellschaft einen Transformationsprozess zu einer dauerhaften Zuwanderungsgesellschaft durchlaufen würde. Die Vereinbarung mit Italien galt als Petitesse, ging es doch zunächst nur um den temporären Arbeitseinsatz von italienischen Saisonarbeitern in der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die Arbeitsverträge galten für sechs oder zwölf Monate und die Rückkehr der sogenannten "Gastarbeiter" galt als sicherer Sachverhalt. Diese Sicht der Dinge änderte sich auch nicht, als der Einsatz der "Gastarbeiter" auf Bergbau und Industrie drastisch ausgeweitet wurde. In rascher Folge wurden weitere bilaterale Anwerbeabkommen mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien geschlossen.
Die deutsche Aufnahmegesellschaft betrachtete die zugewanderten Arbeiter bestenfalls als Gäste, die im Rotationsprinzip ausgetauscht werden sollten. Im Zuge der Ölpreiskrise 1973 kam es jedoch zum Anwerbestopp. Das hatte weitreichende Folgen für die Lebensplanung auch der bereits in Deutschland lebenden Zuwanderer. Eine Rückkehr in die Heimatländer mit der Option einer erneuten Arbeitsmigration nach Deutschland war plötzlich ausgeschlossen. Auch reichten die Löhne durchweg nicht, um wie geplant in wenigen Jahren die erhofften Rücklagen für den Aufbau einer Existenz in der Heimat anzusparen. Beides führte dazu, dass die angestrebte Rückkehr aufgeschoben wurde und stattdessen die Familien ebenfalls nach Deutschland zogen. Die „Gastarbeiter“ richteten sich aufs Bleiben ein und hatten nun ganz andere Bedürfnisse: die soziale und ökonomische Absicherung der Familie, die Sicherung des Aufenthaltsstatus und der schulischen und beruflichen Ausbildung der Kinder und auch kulturelle und religiöse Belange.
Übrigens: Wenn ich hier nur die westdeutsche Entwicklung erwähne, dann deshalb, weil es sich hier um sehr viel höhere Zahlen handelte als in der DDR. Aber auch dort gab es die sogenannte Ausländerbeschäftigung. Die Vertragsarbeiter der DDR unterlagen einem strikten Rotationssystem, das die Rückkehr in die Herkunftsländer verbindlich machte. Ein Familiennachzug war nicht gestattet. Die DDR setzte eine Politik durch, die sich viele im Westen Deutschlands gewünscht hatten, aber nicht durchsetzen konnten.
Nun aber zurück zur Bundesrepublik.
Zuwanderer als zivilgesellschaftliche Akteure – Erste Schritte auf einem langen Weg
Spätestens in der Mitte der 70er Jahre waren die "Gastarbeiter" faktisch zu Zuwanderern geworden. Vor allem die staatlichen Akteure haben aber die zahlreichen Aufgabenstellungen, die dadurch in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie Erziehung, schulische Bildung, Arbeit usw. zu bearbeiten waren, kaum wahrgenommen. Eine umfassende gesellschaftliche Integration der Zuwanderer war in dieser Phase offensichtlich nicht erwünscht. Im kommunalen Raum befanden sich Zuwanderer als Klienten durchweg in asymmetrischen Beziehungen zu den staatlichen und kommunalen Akteuren der Sozialverwaltung und anderer Behörden.
Verantwortlich für diesen durchgehend unvorteilhaften Klientenstatus waren jedoch nicht nur die Akteure der Aufnahmegesellschaft. Die Zuwanderer haben sich über lange Zeit nicht mit den Prinzipien und Wirkmechanismen der deutschen Zivilgesellschaft auseinandergesetzt. Ursache dafür ist die Tatsache, dass die meisten von ihnen aus eher prekären Lebensverhältnissen kamen, die durch erhebliche Bildungsbenachteiligungen gekennzeichnet waren. Hinzu kam, dass es in den Zuwanderungsmilieus zunächst keine Organisationen gab, die aktiv für die Interessen der Migranten hätten eintreten können. Sofern Zuwanderer in den 70er und 80er Jahren Vereinigungen gegründet hatten, verfolgten diese in enger Abstimmung mit den Herkunftsländern eher religiöse Zielsetzungen. Zu nennen ist in diesem Kontext insbesondere die türkische DITIB, die bis zum heutigen Tag eng mit dem türkischen Staat verwoben ist.
Der Wandel vollzog sich erst in den späten 80er und 90er Jahren. Die Verantwortungsträger in Bund, Ländern und Kommunen konnten sich aufgrund der eindeutigen Faktenlage nicht länger der Einsicht verschließen, dass Deutschland seit mehr als zwei Dekaden zu einem Zuwanderungsland geworden war. Schließlich waren neben der Zuwanderung von Gastarbeitern und ihren Familien auch viele Aussiedler bzw. Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Bis 1987 waren es 1,4 Millionen, die meisten von ihnen aus Polen. Ab 1988 stiegen die Zahlen der jährlich zugewanderten Aussiedler und ihrer Familienangehörigen sprunghaft an. Insgesamt wanderten zwischen 1991 und 2006 rund 1,9 Millionen Menschen als Aussiedler nach Deutschland ein, vornehmlich aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Aussiedler und ihre Familienangehörigen haben zwar einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung und sind damit als einzige Migrantengruppe von Anfang an den Einheimischen rechtlich gleichgestellt. Trotzdem gibt es Integrationsbarrieren, insbesondere da die Berufsabschlüsse aus ihren jeweiligen Heimatländern in Deutschland häufig nicht anerkannt werden.
Der Ruf nach einer vernünftigen Integrationspolitik, an der auch Zuwanderer teilhaben sollten, wurde nun lauter. Die Zuwanderer hatten Migrantenselbstorganisationen (MSOs) in relativ großer Zahl gegründet, die zunehmend im kommunalen Raum als Interessensvertretung der jeweiligen Zuwanderungsgruppen in Erscheinung traten. Der Einfluss und die Wirkmöglichkeiten der MSOs waren in dieser Phase zumeist nur gering. Ihre Paritizipationsmöglichkeiten beschränkten sich lange Zeit hauptsächlich auf die kommunalen "Ausländerbeiräte", denen allenfalls eine beratende Funktion zukam. Außerdem vertraten die MSOs durch ihre ethnische Homogenität im zivilgesellschaftlichen Kontext eher partikulare, auf die eigene Gruppe bezogene Interessen, dass heißt, ihnen fehlte die gesamtgesellschaftliche Perspektive. Hinzu kam oftmals ein niedriger Professionalisierungsgrad der Vereinsakteure.
Betrachtet man die vergangenen drei Dekaden in ihrer Gesamtheit, kommt man nicht umhin festzustellen, dass Menschen mit Zuwanderungshintergrund in kommunalen Gestaltungsprozessen bislang nur in geringer Zahl als gleichberechtigte Partner in Erscheinung getreten sind. Überaus deutlich wird das bei der Vergabe von Geldern für das Sozial- und Gesundheitswesen. Als Zuwendungsempfänger treten hauptsächlich die großen Träger der Wohlfahrtsliga in Erscheinung – also die Caritas, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz und die AWO. Der Vollständigkeit halber erwähne ich hier auch den Paritätischen Wohlfahrtsverband und die Jüdischen Gemeinden. Beide Organisationen sind jedoch erheblich kleiner als die erstgenannten Wohlfahrtsverbände. De facto bedeutet dies, dass Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Ganztagsschulen, Familienzentren, Seniorenzentren, Integrationszentren usw. von den etablierten Großorganisationen der Wohlfahrtspflege nach dem Subsidiaritätsprinzip betrieben werden. Die MSOs oder andere von Zuwanderern geleitete Organisationen spielen bislang kaum eine Rolle. Dies ist selbst in Stadtvierteln der Fall, in denen mehrheitlich Zuwanderer leben. Menschen mit Migrationshintergrund sind in fast allen Lebensbereichen immer noch in erster Linie Klienten und weniger gleichberechtigte bürgerschaftliche Akteure. Die Tatsache, dass Integrationsprozesse – also der Weg zur gleichberechtigten Teilhabe – sich so langsam und vielerorts auch konfliktreich vollziehen, ist jedoch kein deutsches Spezifikum. Dies zeigt unter anderem ein Blick in die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, die ihrem Selbstverständnis nach von Anfang an ein Einwanderungsland waren. Erste große migrationssoziologische Studien gab es bereits in den 1920er Jahren. Stark rezipiert und kontrovers diskutiert wird bis zum heutigen Tag der von Robert E. Park aufgestellte "race-relation-cycle", ein Sequenzmodell, das den Integrationsprozess in die Phasen Kontakt, Konflikt, Akkomodation und Assimilation unterteilt. Vor dem Hintergrund der seit Jahren in Deutschland sehr kontrovers geführten Integrationsdebatte ist Parks Phasenmodell außerordentlich aufschlussreich.
Folgt man den theoretischen Annahmen des Begründers der Chicagoer Schule, Robert Ezra Park, gestaltet sich der Integrationsverlauf von Zuwanderungsgruppen in der Regel nicht gleichmäßig und reibungslos. Vielmehr sind die Beziehungssequenzen nach der Phase des ersten Kontakts durch gravierende Konflikte bestimmt. Verursacht werden diese durch neue Anspruchshaltungen auf Seiten der Zuwanderer, die auf eine Verbesserung der Lebenssituation zielen. Nach Park entsteht hierdurch eine Wettbewerbssituation um knappe Ressourcen (Arbeitsplätze, Wohnungen, soziale Leistungen usw.). Die Folgen dieses Spannungsverhältnisses zwischen Aufnahmegesellschaft und Zuwanderern zeigen sich in der dritten Phase – der Akkomodation. Die Zuwanderer ziehen sich zunächst in ihre Eigengruppe zurück und neigen zur Segregation. Benachteiligungen und Diskriminierungen werden zur Normalität. Nach Park kann diese Phase relativ lange andauern. Erst in der vierten Phase – der Assimilation – treten deutliche Verbesserungen ein. Die Spannungen lassen nach, da sich Zuwanderungsgruppen und Mehrheitsgesellschaft sukzessive vermischen.
Assimilation meint im Parkschen Sinne übrigens nicht die vollständige Preisgabe der kulturellen und ethnischen Identitätsanteile, sondern bezieht sich maßgeblich auf den bürgerschaftlichen Kontext. Als Folge der Vermischung, die sich in allen Sphären der Lebenswelt vollzieht, lösen sich ethnische Identifikationen und Dimensionen auf; die Zuwanderer werden zu bürgerschaftlichen Akteuren. Dieser vierphasige Integrationszyklus ist im Modellverständnis der Chicagoer Schule immer erfolgreich und unumkehrbar. Auch wenn Kritiker dieses Modells die lineare Abfolge der Phasen in Frage stellen und vor allem die letzte Phase der Assimilation ablehnen oder in Zweifel ziehen, möchte ich das Stufenmodell von Park einfach einmal auf deutsche Verhältnisse anwenden, und würde sagen, dass wir uns derzeit im letzten Teilabschnitt der dritten Stufe befinden. Viele Konflikte sind bereits ausgestanden und Fortschritte sind in einigen gesellschaftlichen Bereichen erkennbar. Sofern man Parks wünschenswerten Annahmen vom unumkehrbaren und letztlich erfolgreichen Integrationsprozess folgen kann, ist also Optimismus geboten. Hierfür sprechen durchaus auch handfeste Fakten, die im Laufe der schrill geführten Integrationsdebatte der letzten zwei Jahre leider nur allzu oft untergegangen sind.
Was haben wir erreicht?
Allen Unkenrufen zum Trotz können wir zunächst einmal feststellen, dass sich in Deutschland alle demokratisch gesonnenen Parteien in Bund, Ländern und Kommunen zur Zuwanderungsgesellschaft bekennen. Ungeachtet einiger rechtspopulistischer Ausfälle von wenigen exponierten Parteimitgliedern sprechen die Parteiprogramme hier eine deutliche Sprache. Differenzen gibt es natürlich in den konkreten Sachfragen. Weitgehend unumstritten ist jedoch die Notwendigkeit einer langfristigen Integrationspolitik, die als wichtiges Zukunftsthema in das Zentrum des Politikinteresses vorgerückt ist.
Erste wichtige Weichenstellungen wurden bereits vorgenommen. In zahlreichen Kommunen und einigen Bundesländern hat die Entwicklung und Umsetzung von Integrationsplänen und -konzepten bereits vor einigen Jahren begonnen. Außerordentlich erfolgreich auf diesem Gebiet ist z.B. die Stadt Stuttgart, die im Jahr 2001 das "Stuttgarter Bündnis für Integration" ins Leben rief. Zwischenzeitlich wurde das Bündnis und sein Zehn-Punkte-Programm, das stark auf politische Partizipation und bürgerschaftliches Engagement setzt, mehrfach ausgezeichnet und gilt vielen Städten als Vorbild.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist im Umbau der ehemaligen Ausländerbeiräte zu Integrationsräten zu sehen. Schon die Umbenennung drückt ein Umdenken weg von einer exkludierenden hin zu einer inkludierenden Haltung aus. Die Integrationsräte können sich mit allen kommunalen Angelegenheiten befassen, setzen sich aber vor allem für ein gleichberechtigtes Zusammenleben ein. Dazu gehören Chancengleichheit und Akzeptanz auf allen Ebenen des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Einige Städte – wie Düsseldorf – sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und haben die Ausländerbeiräte durch Integrationsausschüsse abgelöst. Im Gegensatz zum Integrationsrat, dem wesentlich nur eine beratende Funktion zukommt, ist der Integrationsausschuss ein vollwertiges kommunales Beschlussorgan.
Sehr wichtige Schritte haben darüber hinaus die Zuwanderer und deren Organisationen selbst unternommen. Viele verorten sich ganz bewusst nicht mehr ausschließlich als MSO und streben eine Etablierung als reguläre kommunale Träger an. Die Liste der erfolgreichen Organisationen hat mittlerweile eine beachtliche Länge und wächst täglich. Ich möchte hier nur beispielhaft zwei Organisationen aus dem Bereich der russischsprachigen Migranten nennen:
Da ist zum einen der Verein AVP (Akzeptanz Vertrauen Perspektive e.V.), der in Düsseldorf aktiv ist. Er ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Förderung der Integration russischsprachiger Jugendlicher und Heranwachsender einsetzt. Vor allem aber ist der Verein ein anerkannter Träger der Jugendhilfe und hat sich somit als kommunaler Träger etabliert.
Zum zweiten möchte ich hier natürlich den Verein Phoenix nennen, dessen Migelo-Projekt ja der Anlass für die heutige Veranstaltung ist. Auch die haupt- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter von Phoenix setzen sich durch vielfältige Projekte für die Integration der russischsprachigen Bevölkerung ein. Zugleich verfolgen sie aber auch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, z.B. mit den Kultur- und Integrationszentren, die der Verein in Zusammenarbeit mit anderen ortsansässigen Trägern in verschiedenen Kölner Stadtbezirken betreiben. Diese Zentren verstehen sich als Begegnungsstätten für Migranten und Einheimische. Die Türen sind für alle geöffnet, unabhängig von der Nationalität, der Religion oder der politischen Orientierung.
Was haben wir (noch) nicht erreicht?
Diese Beispiele zeigen, dass Zuwanderer heute erfolgreich als gleichberechtigte bürgerschaftliche Akteure im kommunalen Raum in Erscheinung treten können. Dieser begrüßenswerte Sachverhalt kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Vielzahl von Problemstellungen bisher noch nicht oder nur unzureichend bearbeitet wurden.
Ein großes Thema für die nächsten Jahre ist mit Sicherheit die interkulturelle Öffnung bei Organisationen des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Wohlfahrtspflege. Auf der Angebotsebene dieser Organisationen hat es in den letzten Jahren durch den Abbau von Zugangsbarrieren (wie sprachlichen Schwierigkeiten oder beiderseitige Vorurteile) durchaus beachtliche Fortschritte gegeben. Nicht so günstig sieht es bei der Organisationsentwicklung aus. Bislang sind nur wenige Menschen mit Zuwanderungshintergrund als Beamte oder Angestellte in Behörden tätig. Durchaus kritisch nachfragen können wir auch bei den Großorganisationen der Wohlfahrtspflege. Caritas und Diakonie betreiben z.B. in großer Zahl Einrichtungen, die mit der Integration von Zuwanderern befasst sind. Leitungs- und Führungspositionen können in diesen Einrichtungen aber im Regelfall ausschließlich durch Mitglieder der jeweiligen Kirchen besetzt werden und Menschen mit Zuwanderungshintergrund bekleiden selten Spitzenpositionen. Gleiches gilt für die Parteien.
In dieser Frage wird oft der Einwand erhoben, dass Zuwanderern für Spitzenpositionen in Politik, Verwaltung und Wohlfahrt schlicht die notwendigen Qualifikationen fehlten. Es ist zwar richtig, dass die Zahl der Abiturienten unter Migranten relativ gering ist. Deshalb muss in diesem Kontext stets darauf hingewiesen werden, dass der Abbau von Bildungsbenachteiligungen höchste Priorität hat. Andererseits dürfen wir aber nicht außer Acht lassen, dass immer mehr gut qualifizierte Migranten mit Abitur oder Hochschulabschluss Deutschland verlassen, weil sie in ihren Herkunftsländern bessere Chancen auf gute Jobs haben.
Modernisierungsbedürftig sind auch die Strukturen und die Zusammensetzung der Wohlfahrtsverbände. Sie stammen aus einer Zeit, in der es noch keine Zuwanderung gab. Folglich spielen die konfessionell gebundenen Großorganisationen, die ohne jede Frage vielerorts eine hervorragende Arbeit leisten, eine sehr bedeutende Rolle. Ich würde mir wünschen, dass zukünftig auch Organisationen mit anderen weltanschaulichen oder religiösen Orientierungen, die Kindergärten, Altenheime und Beratungseinrichtungen betreiben, einen festen Platz in unserer Gesellschaft finden könnten.
Wünschenswert wäre außerdem eine gesteigerte Offenheit der autochthonen Einrichtungen dafür, dass sie in Kooperationen mit Migranten-Organisationen nicht nur ihrerseits Wissen und Kompetenzen weitergeben, sondern umgekehrt auch selber vieles lernen können.
Die Bundeszentrale für politische Bildung bemüht sich in diesem Zusammenhang darum, Menschen mit Zuwanderungshintergrund weitere Möglichkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements zu bieten. Beispielsweise mit dem Modellprojekt "Jugend, Religion, Demokratie", das seit dem Jahr 2009 von der bpb gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung in Berlin und Stuttgart durchgeführt wird. Ziel dieses Projektes ist es, Schülerinnen und Schüler mit Einwanderungsbiographie ab der siebten Klasse dabei zu unterstützen, ein Bewusstsein für demokratische Teilhabe und gesellschaftliche Partizipation zu entwickeln sowie für einen differenzierten Umgang mit Fragen von Identität, Religion und Gesellschaft zu gewinnen. Hier sind natürlich auch die Migranten-Eltern gefragt, ihre Kinder darin zu unterstützen.
Fazi
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Die Transformation althergebrachter Strukturen vollzieht sich selten schnell. Die Gestaltung eines erfolgreichen Integrationsprozesses ist daher eine langwierige Aufgabe, in dem es Rückschläge, Verzögerungen und manchen Umweg geben kann. Alle Beteiligten brauchen Ausdauer und viel Energie. Unser Ziel ist eine offene Zivilgesellschaft, in der Menschen jeder Herkunft und Religion die gleichen Lebenschancen haben. Für den Erfolg unabdingbar ist das entschiedene bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit und ohne Zuwanderungshintergrund. Best Practice in diesem Sinne ist die Arbeit im MIGELO-Projekt, dessen besonderer Erfolg auch darin besteht, sich überregional etabliert zu haben MIGELO befähigt andere Menschen, Verantwortung zu übernehmen. Zuwanderer werden dadurch zu gleichberechtigten zivilgesellschaftlichen Akteuren, die aktiv an der Gestaltung ihrer Lebenswelt teilhaben. Das ist ein Stück gelungene Integration, auf das alle Beteiligten stolz sein können.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochen Wort -