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"Zeitungen übersetzen Politik in Alltag" | Presse | bpb.de

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"Zeitungen übersetzen Politik in Alltag"

/ 6 Minuten zu lesen

Mit dieser Rede eröffnete bpb-Präsident Thomas Krüger das "Forum Lokaljournalismus", das 23. bis 25. Januar 2002 in Essen stattfand. Zentrales Thema Forums war "Machthaber und Meinungsmacher – Wer bringt die Demokratie voran?".

(Es gilt das gesprochene Wort)

Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen in Essen. Ich freue mich, dass sie unserer Einladung gefolgt sind und aus der ganzen Republik den Weg in das Herz des Ruhrgebietes gefunden haben, um mit Kollegen und Experten unter dem Titel "Machthaber und Meinungsmacher – Wer bringt die Demokratie voran" über Zukunft und Chancen des Lokaljournalismus zu diskutieren.

Als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung habe ich die Ehre, dieses 10. Forum Lokaljournalismus zu eröffnen. Drei Tage lang haben sie Gelegenheit, sich im Kreise von Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, eigene Erfahrungen weiterzugeben und neue Entwicklungen zu entdecken. Bewährte Referenten werden Anstöße geben. Das Forum Lokaljournalismus ist aber auch eine Ideenbörse, man könnte auch sagen: eine riesige Redaktionskonferenz, ein kollektives Brainstorming im Kreise erfahrener Praktiker.

Eingeladen haben wir all diejenigen, die dem Journalistenprogramm der Bundeszentrale konzeptionell und organisatorisch wertvolle Dienste leisten. Denn das Lokaljournalistenprogramm entsteht nicht am "Grünen Tisch", sondern ist Ergebnis der Diskussionen von engagierten Redakteuren aus der ganzen Republik. Deshalb ist uns sehr daran gelegen, an einem Netz hochmotivierter und interessierter Journalisten weiter zu knüpfen. Sie alle verbindet das Ziel, die Zukunft und die Qualität der Zeitung sichern zu wollen. Jeden Tag kämpfen Sie darum, die Bedeutung des Printmediums gegenüber Radio, Fernsehen und Internet auszubauen. Jeden Tag bemühen Sie sich, den Stellenwert des Lokaljournalismus in der Gesellschaft und in der Verlagshierarchie zu behaupten. Und darüber hinaus unterstützen sie die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung, die in Seminaren und Publikationen dieses immen-se Know-How an Redakteure in ganz Deutschland weitergibt.

Eine Gruppe ist dabei besonders hervorzuheben: Das "Projektteam Lokaljournalisten" steht dem Journalistenprogramm als wichtiges Beratergremium zur Seite. Die sechs gestandenen Journalisten und Journalistinnen begleiten das Programm intensiv, sie liefern Anregungen aus dem Redaktionsalltag, sind Vordenker für neue Projekte und schlagen Themen für Seminare und Publikationen vor. Das Projektteam sorgt dafür, dass die Angebote der Bundeszentrale konkret auf die Bedürfnisse und Wünsche der Redakteure zugeschnitten sind und nicht an deren Praxis vorbei gehen.

Beim Projektteam und allen anderen, die in unserem Programm mitarbeiten, möchte ich mich bedanken für ihre Bereitschaft, neben der täglichen Redaktionsarbeit Zeit und Energie in eine Sache zu investieren, die nicht nur für die Qualität der Tageszeitung, sondern auch für unsere Demokratie wichtig ist.

Ein besonderes Dankeschön geht auch an einen unserer Partner: die Journalistenschule Ruhr, allen voran Frau Gabriele Bartelt-Kircher mit ihrem Team. Ohne ihr Engagement wäre das interessante Programm so nicht zustande gekommen. Das fängt an mit dieser außergewöhnlichen Tagungsstätte, hier im Ruhrlandmuseum, und geht bis hin zu den Sponsoren, die wir mit ihrer Hilfe gewinnen konnten. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank.

Tageszeitungen übersetzen Politik in den Alltag der Menschen. Genau das ist der Grund, warum die Bundeszentrale seit nunmehr 27 ein Journalistenprogramm unterhält. Von der Leistung der Journalisten, also auch von Ihnen, meine Damen und Herren, hängt maßgeblich ab, in welchem Maß die Bürger und Leser Zugang finden zur Politik. Sie sind mit verantwortlich, wie gut die Bürger informiert sind, wie es um ihre Urteilsfähigkeit bestellt ist. Und davon hängt letztlich ab, ob und in welchem Maße die Menschen in unserem Land am Prozess der politischen Willens-bildung teilnehmen können. Die Demokratie, und deren Förderung ist die Maxime der Arbeit der Bundeszentrale, braucht den informierten, orientierten und handlungsbereiten Bürger – heute mehr denn je.

Dass sich das Journalistenprogramm der Bundeszentrale auf Lokalredakteure konzentriert, liegt nicht in dem Glauben begründet, diese hätten eine Fortbildung nötiger als ihre Kollegen aus den Mantelredaktionen. Es liegt vielmehr daran, dass der Lokalteil der im Sinne der Politikvermittlung chancenreichste, aber zugleich auch am schwierigsten zu machende Zeitungsteil ist.

Chancenreich deshalb, weil im Lokalteil darüber berichtet wird, wo und wie die Politik etwas bewegt. Das tut sie – zumindest in der Wahrnehmung der Leser – nicht, wenn in Berlin oder Brüssel über ein Gesetz debattiert wird, sondern in den Kommunen: Wenn ein Kindergarten gebaut wird, wenn ein Jugendclub bezuschusst oder aber "dicht gemacht" wird, wenn ein neues Baugebiet ausgewiesen wird.

Diesen Prozess lebendig zu schildern, ist die Herausforderung an Lokaljournalisten. Gelingt ihnen dies, entwickelt ein Leser Interesse und Neugier für die Politik in seinem Heimatort. Nur dann wird er auch zu Bundestagswahlen gehen, Entscheidungen auf Landesebene verfolgen und sich seiner Rechte und Pflichten als mündiger Bürger bewusst werden.

Der Lokalredakteur hat gegenüber seinen Kollegen aus den anderen Redaktionen den Vorteil, dass er nah dran ist am Leser. Gleichzeitig ist er aber auch nah dran an den lokalen Eliten. Diese Nähe kann unter Umständen schaden, zumindest macht sie die Arbeit des Lokalredakteurs schwierig. Etwa, wenn der Kommunalpolitiker den Redakteur durch viele freundliche Kontakte, exklusive Informationen und das vertrauliche "Du" zur Harmlosigkeit erziehen will. Wenn der Bürgermeister am liebsten den Aufmacher samt Überschrift durchs Telefon diktieren möchte. Oder wenn sich der Redakteur vorwerfen lassen muss, seine Berichterstattung schade dem Image der Stadt.

Anders als der Politikredakteur, der in seinen Leitartikeln den Kanzler zum Rücktritt auffordert, muss der Lokalredakteur davon ausgehen, dass seine Berichte und Kommentare gelesen werden und in der Stadt, der Gemeinde oder der Region hohe Wellen schlagen. Für die Mächtigen unangenehme Nachrichten trotz geringer räumlicher Nachbarschaft und trotz der Abhängigkeit von Informationsquellen, die auch in Zukunft noch weiter sprudeln sollen, ins Blatt zu bringen, das macht die Schwierigkeit der Arbeit im Lokalen aus.

Ich bin fest davon überzeugt: Print hat Zukunft – trotz aller Herausforderungen durch Fernsehen und Internet. Das hat sich etwa in der Berichterstattung nach dem 11. September gezeigt. Die meisten Menschen haben dieses schreckliche Ereignis im Fernsehen mit verfolgt. Wir alle haben die Bilder noch im Kopf. Aber gerade weil das, was wir da gesehen hatten, so unfassbar, so unwirklich war, gab es ein großes Bedürfnis das Geschehene nachlesen zu können. Das belegen die Auflagensteigerungen um 15 bis 20 Prozent, die viele Tageszeitungen am folgenden Tag zu verzeichnen hatten. Einige erschienen gar mit Sonderausgaben, die rasch vergriffen waren.

Der Tageszeitung kommt nach wie vor eine Schlüsselrolle für die Information und Orientierung der Bürger über politische Sachverhalte zu. Die Informationsflut, die durch das Internet und die elektronischen Medien jeden Tag über die Menschen hereinbricht, hat dazu geführt, dass es "die" Öffentlichkeit" heute nicht mehr gibt. "Statt dessen haben wir es mit unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten zu tun", wie es der Bundespräsident Rau kürzlich formuliert hat.

Denn heute sind nur wenige Menschen über das informiert, was doch eigentlich alle angeht. Eine viel größere Anzahl an Menschen ist gerade mal so halbwegs auf dem Laufenden und ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wahlberechtigten kümmert sich kaum um Informationen aus dem politischen Leben und weiß deshalb kaum etwas von dem, was um ihn herum vorgeht. Sie können nicht über das Internet er-reicht werden, sondern nur in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld – von Ihnen mei-ne Damen und Herren, über den Lokalteil.

Wie Sie das in Zukunft noch besser erreichen können, darüber werden Sie in den kommenden zwei Tagen untereinander und mit Experten diskutieren. Dass diese Diskussionen fruchtbar sein werden, daran habe ich keinen Zweifel. Dieser Optimismus liegt zum einen in Ihrer Kompetenz und Ihrem Engagement begründet. Zum anderen bin ich mir sicher, dass die Umgebung, in der sie tagen, ihre Kreativität beflügeln wird. Sie befinden sich hier im Herzen des Ruhrgebietes. Dieses ist ein europaweit einmaliger Wirtschaftsraum mit nahezu sechs Millionen Einwohnern und eine der interessantesten und dynamischsten Regionen Europas.

Immer mehr wächst das Ruhrgebiet zusammen zu einer "Region Ruhr". Das zeigt auch nicht zuletzt die gemeinsame Olympia-Bewerbung. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen wird uns nachher mehr über dieses ambitionierte Vorhaben der Region erzählen.

Auch kulturell hat das Ruhrgebiet viel zu bieten. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich die Kathedralen der Industriekultur hervorragend als Kulturschauplätze eignen. Ein Beispiel werden sie morgen besuchen: Das "Gasometer" in Oberhausen mit der spektakulären und weltweit beachteten Ausstellung "Blaues Gold".

Ob Olympiabewerbung oder Kulturförderung – und das sind nur zwei von vielen Beispielfeldern – all das hat natürlich auch mit Politik zu tun. Und all das interessiert die Bürger, weil es in ihrem direkten Lebensumfeld stattfindet und sie unmittelbar tangiert. Ihre Aufgabe ist es, darüber zu berichten – und zwar so, dass die Bürger die Bedeutung politischer Entscheidungen nachvollziehen können.

Deshalb möchte ich Sie zum Abschluss ermuntern: Bleiben Sie kritisch und streitbar. Äußern Sie unbequeme Wahrheiten. Seien Sie Anwalt der Öffentlichkeit. Wenn Sie diesem Anspruch gerecht werden, dann leisten Sie einen wichtigen Beitrag für die Demokratie.

Pressekontakt:
Bundeszentrale für politische Bildung
Swantje Schütz
Tel. +49 228 99515-519
Fax +49 228 99515-585
schuetz@bpb.de

Weitere Informationen:
Bundeszentrale für politische Bildung
Berthold L. Flöper
Tel. +49 228 99515-558
Fax +49 228 99515-586
floeper@bpb.de

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