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Eröffnungsrede anlässlich der Veranstaltung "Freiheit und Sicherheit – Transformation als gesellschaftliche Herausforderung" | Presse | bpb.de

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Eröffnungsrede anlässlich der Veranstaltung "Freiheit und Sicherheit – Transformation als gesellschaftliche Herausforderung"

/ 4 Minuten zu lesen

Transformation ist nicht nur in Hinsicht auf die Bundeswehr eine gesellschaftliche Herausforderung – unsere Gesellschaft insgesamt ist gefordert, und damit insbesondere auch die politische Bildung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie heute – zum dritten Mal in Folge hier in Bensberg – zu unserer traditionellen Veranstaltung, bei der sich Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Streitkräfte, der zivilen politischen Bildung und der Polizei informieren und austauschen können.

In diesem Jahr haben wir der Veranstaltung die sehr offene Überschrift "Freiheit und Sicherheit" gegeben, mit dem Untertitel "Transformation als gesellschaftliche Herausforderung".

Wenn der Untertitel auch im Wesentlichen auf den Transformationsprozess der Bundeswehr gemünzt ist, so lässt er sich doch angesichts des Dauerumbaus in unserer Gesellschaft auch treffend auf die stetigen Veränderungen, Anpassungen und Neujustierungen dort übertragen.

Transformation ist nicht nur in Hinsicht auf die Bundeswehr eine gesellschaftliche Herausforderung – unsere Gesellschaft insgesamt ist gefordert, und damit insbesondere auch die politische Bildung.

2004 sind wir an dieser Stelle der Frage nachgegangen, wie die Bundeswehr ihre neuen Aufgaben innerhalb der internationalen Gemeinschaft erfüllen kann und welche Konsequenzen dies für ihr Selbstverständnis und ihren Auftrag hat.

In diesem Jahr wollen wir das Themenspektrum auf der Zeitachse erweitern und nach Tendenzen, nach absehbaren Entwicklungen und Szenarien für die nächsten zehn Jahre fragen; die Einfluss auf den laufenden Transformationsprozess in der Bundeswehr – und natürlich auch auf die Gesellschaft insgesamt – haben können und haben werden.

Dahinter steht die weitergehende weitergehende Frage: Kann sich dadurch die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit verschieben?

Ob es um die Bevölkerungsentwicklung geht, um Migrationsströme oder darum, wie sich die Rohstoffmärkte entwickeln – die absehbaren Tendenzen machen klar, dass es immer schwieriger wird, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, zu verfolgen und klare Positionen zu beziehen.

Zwei Beispiele:

Welche Folgen hat ein dauerhaft hoher oder ein noch einmal steigender Ölpreis für die Entwicklungsländer, für die entwickelten Länder, für die Öl produzierenden Länder? Und für deren Beziehungen untereinander? Welche Konflikte können sich daraus ergeben?

Soll bzw. muss die Türkei aus strategischen Gründen in die EU? Oder überhebt sich die EU wirtschaftlich und – vorsichtig ausgedrückt – bevölkerungspolitisch, wenn sie die Türkei aufnimmt?

Ähnlich schwierige Fragen stellen sich in der Sicherheitspolitik und in Hinsicht auf absehbare neue Bedrohungen, z.B. durch den transnationalen Terrorismus. Durchleuchten, bearbeiten und diskutieren werden Sie diese Fragen insbesondere am Donnerstag mit ausgewiesenen Experten.

Das zentrale Anliegen dieser Veranstaltung ist nach wie vor, darüber nachzudenken und auch darüber zu streiten, wie die politische Bildung an der Transformation der Bundeswehr mitwirken kann. Was sie dazu beitragen kann, die "neuen" Soldatinnen und Soldaten auszubilden, die wir für die vielfältigen und schwierigen Auslandseinsätze brauchen.

Vom Staatsbürger in Uniform ist gefordert, dass er mitdenkt, dass er gegebenenfalls als Einzelner folgenreiche Entscheidungen trifft.

Er soll jedenfalls nicht geradlinig "nur" der gehorsame Befehlsempfänger sein. Dazu muss er hochqualifiziert sein und die Hintergründe seines Einsatzes ebenso durchschauen können wie die größeren Zusammenhänge, in denen der Auftrag steht.

Eine – unter Umständen folgenschwere – Entscheidung treffen, für sich selbst, für Untergebene oder gegen Vorgesetzte, das ist nicht nur im Kosovo oder in Kunduz schwierig. Es war auch in Coesfeld für die Betroffenen offenbar nicht selbstverständlich, die Grenzen zwischen Befehl und Gehorsam einerseits und der Mündigkeit eines Staatsbürgers in Uniform andererseits ganz klar zu sehen und zu ziehen.

Deutsche Soldaten operieren an der Nahtstelle zwischen Freiheit und Sicherheit – nicht nur im Einsatz, sondern auch bei der Vorbereitung darauf.

Die wachsende Bereitschaft des Parlaments und der deutschen Politik, die Bundeswehr in aller Welt einzusetzen, erfordert Soldatinnen und Soldaten, die als Menschen und Staatsbürger ebenso wie als "Einsatzkräfte" vorbereitet sind auf alles das, was ihnen im Einsatz begegnen kann. Denn unsere Soldatinnen und Soldaten müssen auch in Banda Aceh, am Hindukusch und am Horn von Afrika Staatsbürger in Uniform sein.

Genau deshalb können sie (und werden sie) in Gewissensentscheidungen zwischen militärischem Auftrag und dem Eintreten für Menschenwürde und Menschenrechte geraten – mehr jedenfalls als die Soldaten anderer Armeen mit anderem Selbstverständnis.

Wie sie mit dieser Schere zwischen den jeweiligen "rules of engagement" ihres konkreten Einsatzes und ihrer Rolle als zivilisierte, mündige Soldaten der Bundesrepublik Deutschland umgehen, darauf müssen wir sie vorbereiten, dabei müssen wir sie beraten. Und wir müssen uns über die möglichen Folgen klar sein und sie tragen.

Ich sage bewusst wir, weil hier unsere gesamte Gesellschaft gefragt ist und nicht allein das Parlament; erst recht nicht allein die Ausbilderinnen und Ausbilder in der Bundeswehr. Und auch nicht allein die politische Bildung.

Wir müssen sicherstellen – wie in der ersten Bensberger Veranstaltung 2003 formuliert –, dass diese "Botschafter/innen in Uniform" in ihren Auslandseinsätzen nicht nur Sicherheit herstellen, sondern dort auch Freiheit beispielhaft vorleben können.

Mit dieser Veranstaltung möchten wir den Diskurs zu diesem schwierigen Thema in der Bundeswehr und in der Gesellschaft fördern. Scheuen Sie dabei nicht die Kontroverse.

Freiheit und Sicherheit in der Balance zu halten, beides auch im Einsatz vorzuleben, das ist ein hoher Anspruch. Die Art und Weise, wie er erfüllt werden kann, ist jede sehr gründliche Auseinandersetzung wert.

Ich wünsche Ihnen fruchtbare Diskussionen ebenso wie neue Einsichten und interessante Begegnungen. Der Veranstaltung wünsche ich gutes und ertragreiches Gelingen.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten