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Eröffnung der Ausstellung "Gleichzeitig in Afrika..." | Presse | bpb.de

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Eröffnung der Ausstellung "Gleichzeitig in Afrika..." Grußwort

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"Gleichzeitig in Afrika ..." stellt elf Kunstprojekte und vier Kunstzeitschriften aus Afrika in einer dokumentarischen Gesamtschau, in Einzelausstellungen und -präsentationen, Künstlergesprächen und einem internationalen Symposium vor und ermöglicht die Begegnung mit afrikanischer Kunst.

Sehr geehrter Herr Hanussek,
sehr geehrter Herr Prof. Lüdeking,
sehr geehrter Herr Dr. Zill,
sehr geehrte Frau Krämer,
sehr geehrte Künstlerinnen und Künstler,
sehr geehrte Damen und Herren,

"Gleichzeitig in Afrika ..." stellt elf Kunstprojekte und vier Kunstzeitschriften aus Afrika in einer dokumentarischen Gesamtschau, in Einzelausstellungen und -präsentationen, Künstlergesprächen und einem internationalen Symposium vor und ermöglicht die Begegnung mit afrikanischer Kunst.

"Gleichzeitig in Afrika..." ist – so könnte man sagen – eine Form des Wissenstransfers von Afrika nach Deutschland, eines dringend notwendigen Wissenstransfers, möchte ich hinzufügen. Als die Bundeszentrale für politische Bildung ihren Schwerpunkt "Fokus Afrika: Africome 2004-2006" konzipierte, haben wir bei den vorbereitenden Recherchen feststellen müssen, dass das Wissen breitester Teile der Bevölkerung – ob nun historisch, politisch, wirtschaftlich, kulturell, ja überhaupt auch nur, was die einfachste Länderkunde betrifft – sehr unzureichend ist. Es lässt sich lediglich belegen, dass jedwede Entwicklung in Afrika – vor allem aber jede positive – hier in Deutschland extrem oberflächlich verfolgt wird oder eben gar nicht. Eine nennenswerte analytische Dimension, zum Beispiel eine Reflexion der sich entwickelnden Zukunftschancen des Kontinents gibt es in einer breiteren Öffentlichkeit faktisch nicht. Die eklatanten Lücken im Bewusstsein der Bevölkerung zu schließen und neue Impulse zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit Afrikas Realitäten zu geben, ist daher eine der vordringlichen Zielsetzungen von "Fokus Afrika: Africome 2004-2006".

Dies ist zweifellos notwendig und "Gleichzeitig in Afrika ..." ist in dieser Hinsicht ebenso aufregend wie erkenntnisreich. In zweierlei Hinsicht geht das Projekt über diese Zielsetzung hinaus: Präsentiert wird nicht nur sehenswerte afrikanische Kunst, sichtbar wird immer auch ihr sozialer Ort, ihre Funktion im zivilgesellschaftlichen Kontext. Alle ausgewählten Projekte leisten innerhalb ihres Rahmens nichts weniger als die Herstellung einer Öffentlichkeit: einer sozialen, politischen, kulturellen, eines Kunstdiskurses usw.

Die zweite Erweiterung benennt sich bereits im Titel des Projektes. "Gleichzeitig in Afrika ...". Sie evoziert das Bild eines Filmes, der zwischen Abblende und Aufblende den Titel "Gleichzeitig in Afrika ..." schiebt, um die Synchronität der Ereignisse zu verdeutlichen. Hier Europa, der Norden, die westliche Welt – dort Afrika. Einerseits ein ausdifferenzierter Kunstbetrieb mit unzähligen Museen einschließlich der entsprechenden Tradition, Galerien, Sammler, Kunstbetrieb, Kunstmarkt und Kulturpolitik, Feuilleton und documenta, andererseits eine Kunst- und Kulturlandschaft, die durch Disparatheit und Heterogenität gekennzeichnet ist, verteilt auf 53 Staaten, von denen nur wenige Kunsteinrichtungen wie Museen oder Akademien besitzen, in denen eine kulturelle Öffentlichkeit weitgehend fehlt.

"Afrika hat keine Stimme, weil es keine Museen für Gegenwartskunst gibt, abgesehen von wenigen Orten, wie in Südafrika, Nigeria oder Mali. Die visuellen Künste sind praktisch inexistent", so beschreibt Simon Njami, Kurator der 2004 in Düsseldorf gezeigten Ausstellung Africa Remix die Situation. "Gleichzeitig in Afrika ..." wirft die Frage nach dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie auf, fragt danach, wessen Gegenwart denn gemeint ist, wenn von Gegenwartskunst die Rede ist. Das Globalisierungsmodell, das entworfen wird, wenn gefordert wird, afrikanische Künstler müssten auch in Afrika leben und sie damit gleichzeitig vom Zugang zum weltweiten Kunstdiskurs und Kunstbetrieb ausgeschlossen werden, ist ein sehr einseitiges und definiert Authentisches als Exotisches. In einem Beitrag für das Online-Dossier "Afrika" der bpb hat Till Förster, Professor für Ethnologie an der Universität Basel, in diesem Sinne die Eigenständigkeit zeitgenössischer afrikanischer Kunst betont:

"Die heute gebräuchliche Unterscheidung von alter und zeitgenössischer afrikanischer Kunst ist zu einem nicht geringen Teil dem Bild geschuldet, das man sich einerseits von unwandelbaren Traditionen und andererseits von einem die westliche Moderne nachholenden Kunstschaffen in Afrika machte. Tatsächlich ist die heutige Kunst des Kontinents nicht zwischen den beiden Polen Tradition und Moderne zu verorten. Die zeitgenössische afrikanische Kunst bezieht sich sowohl auf ältere und lokale wie auf regionale und globale Strömungen. Sie ist mithin eigenständig und ein Beleg für die schöpferische Auseinandersetzung der Menschen Afrikas mit der heutigen Welt."

Es ist an der Zeit, unsere eurozentrischen und klischeehaften Bilder durch neue Informationen und eine neue Wahrnehmung zu ersetzen. Afrika ist eben nicht gleichbedeutend mit Rückstand, Krieg, Hunger und Katastrophen – auch wenn uns die Medien teilweise dieses Bild übermitteln. Das moderne Afrika steht im 21. Jahrhundert, im Kontext der Globalisierung, vor ähnlichen Herausforderungen wie die übrige Welt auch. "Fokus Afrika: Africome 2004-2006" wird versuchen – und ein Stück weit ist uns das, denke ich auch schon gelungen – das gegenwärtig vorherrschende Bild vom einheitlichen, perspektivlosen Afrika zu falsifizieren, Vorurteile aufzubrechen und die positiven Aspekte der Entwicklungen in Afrika aufzuzeigen, ohne allerdings dabei die Probleme des Kontinents zu verschweigen.

"Gleichzeitig in Afrika ...", dieses sehr außergewöhnliche und engagiert vorangetriebene Projekt von Christina Hanussek bietet hierzu eine hervorragende Gelegenheit. Ihnen, Herr Hanussek, möchte ich herzlich danken für diese gute Zusammenarbeit. Ebenso gilt es Dank zu sagen den hiesigen Partnern, der Universität der Bildenden Künste, dem Einstein Forum und der galerie //plattform//. Herzlichen Dank Ihnen allen!

Wir müssen Afrika stärker in den Mittelpunkt unserer Bemühungen rücken. Diese Bemühungen sollten zuvorderst gerichtet sein auf ein besseres Verständnis des afrikanischen Kontinents und seiner Kulturen. Wir sollten den Versuch unternehmen hier zu sein und gleichzeitig in Afrika! In diesem Sinne wünsche ich der heute hier eröffneten Ausstellung, allen weiteren Ausstellungen und dem internationalen Symposium am kommenden Freitag viel Erfolg!

– Es gilt das gesprochene Wort –

Fussnoten