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Grußwort anlässlich des 50. Jubiläums der Landeszentrale für politische Bildung Saarland | Presse | bpb.de

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Grußwort anlässlich des 50. Jubiläums der Landeszentrale für politische Bildung Saarland

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Ein Jubiläum fordert geradezu dazu heraus, sich die Frage zu stellen: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?

Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Dr. Jellonnek, sehr geehrter Herr Professor Sarcinelli, meine sehr verehrten Damen und Herren,

auch ich bin heute Abend gerne gekommen, um der Landeszentrale für politische Bildung im Saarland meine Glückwünsche zu ihrem 50. Jubiläum auszusprechen. Und ich richte diese Glückwünsche an Sie, Herr Dr. Jellonnek, der Sie die Landeszentrale seit 12 Jahren leiten und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie dabei unterstützen. Ich denke dabei auch an die fruchtbaren Kooperationen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam durchgeführt haben und danke Ihnen für die hervorragende Zusammenarbeit.

Ein Jubiläum fordert ja geradezu dazu heraus, den Blick in die Vergangenheit zu richten und sich die – fast schon philosophische – Frage zu stellen: Wo kommen wir her und wo gehen wir hin?

Wo kommen wir her?

Keine Angst, ich werde nun nicht 50 Jahre politische Bildung rekapitulieren. Ich möchte lediglich auf die unterschiedlichen Dimensionen politischer Bildung zu sprechen kommen, die ihr heutiges Erscheinungsbild bestimmen.

Die Anfänge der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das Motiv für die Gründung der Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung in der Nachkriegszeit, war durch den Anspruch seitens der Politik geprägt, dass die politische Bildung die Demokratie im Bewusstsein und im Handeln der Menschen verankern sollte. Sie wurde als positive Form des Verfassungsschutzes verstanden. Während zuerst die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Vordergrund stand, rückte auch bald Ende der 50er Jahre die Abwehr der kommunistischen Ideologie in den Fokus. Politische Bildung sollte die Bevölkerung gegen totalitäre Versuchungen immunisieren.

Hier manifestiert sich ein normatives, geradezu missionarisches Verständnis von politischer Bildung. Sie wird als Instrument betrachtet, um Missstände zu beheben und Gefahren abzuwehren.

Im Zuge der voranschreitenden Demokratisierung der bundesdeutschen Gesellschaft hat sich auch die politische Bildung mit sich selbst auseinandergesetzt und sich eine weitere Dimension eröffnet. Im Laufe der virulenten Diskussionen, die in der Profession stattfanden, kristallisierte sich der Anspruch heraus, dass das Erziehungsziel der politischen Bildung der mündige Bürger und die mündige Bürgerin sein müsse. Politische Bildung soll Wissen und Kompetenzen vermitteln, die es den Menschen erlauben, sich ein eigenes Urteil zu bilden und selbstbestimmt Entscheidungen zu fällen. Der politische Bildner soll nicht Urteile und Überzeugungen vermitteln, sondern eine eigenständige Auseinandersetzung fördern.

Zwischen diesen Polen ihres Selbstverständnisses bewegt sich die politische Bildung in der Demokratie. Sie ist einerseits unparteiisch darum bemüht, die Bandbreite politischer Positionen darzustellen und dem Einzelnen seine Entscheidung zu überlassen, gleichzeitig fußt sie aber auf der normativen Grundlage von Demokratie, Toleranz und Menschenrechte. Sie ist nicht wertfrei.

Auch die Landeszentrale für politische Bildung Saarland bewegt sich in dieser Spannweite politischer Bildung.

Mit ihrem Engagement in der Gedenkstätte "Gestapo-Lager neue Bremm" und den hier angesiedelten Projekten, in denen sich zum Beispiel auch Jugendliche mit dem Nationalsozialismus auseinander setzen, ist natürlich das Ziel verbunden, deutlich zu machen, dass ein totalitäres Regime keine wünschenswerte Alternative zur Demokratie darstellt und dass der Nationalsozialismus und die damit einhergehenden unsagbaren Verbrechen nie wieder geschehen dürfen.

Dagegen hat der medienpädagogische Schwerpunkt, den die Landeszentrale unter anderem in ihrer Arbeit setzt – wie ich finde – weniger normativen Charakter, sondern ist ganz stark darauf ausgerichtet Kompetenzen zu fördern, die es dem Einzelnen erlauben, sich ein eigenes Urteile zu bilden. Die Kino-Seminare beispielsweise, die alljährlich im Rahmen der Schul-Film-Wochen landesweit im Saarland stattfinden, tragen dazu bei, die visuelle Lesefähigkeit junger Menschen zu fördern. Bilder werden in unserer Medienwelt immer wichtiger. Über Bilder werden auch politische Botschaften transportiert, so dass es ein wichtiges Anliegen der politischen Bildung sein muss, dass junge Menschen lernen, Bilder und Filmsprache zu verstehen. Damit erwerben sie gleichzeitig auch die Kompetenz, diese zu bewerten und zu beurteilen.

Wo gehen wir hin?

Der Gegenstand politischer Bildung ist die Politik. Das ist ohnehin ein weites Feld. Und ich brauche nur das Stichwort Globalisierung zu nennen, um anzudeuten, dass dieses Feld in den letzten Jahrzehnten komplizierter, die Verflechtungen dichter und die Handlungsfelder vielfältiger geworden sind. Das stellt hohe Anforderungen auch an die politische Bildung.

Nicht nur weil sich dadurch mehr Themen und Arbeitsfelder ergeben, sondern auch weil diese Umstände es erforderlich machen, dass sich die politische Bildung weiterhin sehr selbstkritisch mit ihrem Selbstverständnis auseinandersetzt und sich zeitgemäß fortentwickelt.

Es gibt ja berechtigte Sorge darüber, dass der Wissensgesellschaft, in der Bildung eine maßgebliche Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist, eine Spaltung droht; dass diejenigen mit geringer Bildung gänzlich aus gesellschaftlichen Prozessen ausgeschlossen werden.

Es ist demnach eine wichtige Zukunftsaufgabe – und hier ist die politische Bildung ja bereits unterwegs – neue Konzepte zu entwickeln, mit denen auch Menschen für Politik und Beteiligung gewonnen werden können, die klassische Bildungsangebote wie Bücher, Seminare und Workshops nicht wahrnehmen. Man kann sie erreichen im Verbund mit anderen Disziplinen, wie z.B. der Sozialarbeit, der kulturellen Bildung oder auch der Sportpädagogik. Man muss dafür aber bislang geltende Grenzen überschreiten, neue Orte aufsuchen und die didaktischen Konzepte anpassen.

Die Landeszentrale Saarland hat diesen Weg ja auch bereits eingeschlagen – mit dem Projekt "Doppelpass – Streetsoccer als Angebot für Toleranz und Zivilcourage", das sie als Partner begleitet.

Eine mobile Streetsoccer-Anlage wird an einschlägigen Szene-Treffs aufgebaut, um auf diese Weise überhaupt erst mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen, die ansonsten kaum zu erreichen sind und insbesondere auch solche, die rechtsextremistisch beeinflusst sind. In diesem Projekt arbeiten politische Bildung, Streetwork und Sportpädagogik zusammen, um Jugendliche in ihrer sozialen wie psychischen Kompetenz zu stärken und ihnen Werte wie Toleranz, Fairness und Zivilcourage zu vermitteln.

In Projekten wie diesen geht es darum, Schnittstellen von politischer Bildung zu kulturellen oder alltagsbezogenen Themen herzustellen und niedrigschwellige Einstiege zu ermöglichen, ohne die politische Bildung völlig zu verwässern. Es geht darum, einen Kern, einen roten Faden politischer Bildung in solche Projekte einzuziehen. Hier ist sicherlich noch viel an Qualitätsentwicklung zu leisten, indem wir alle aus den Erfahrungen, die wir sammeln, lernen. Aber ich denke, nicht nur die Landeszentrale Saarland, sondern die gesamte politische Bildung ist hier auf einem guten Weg.

Und ich möchte noch eine weitere Zukunftsaufgabe für die politische Bildung benennen, bei der ich die Landeszentrale bereits unterwegs sehe: Ich denke, dass die Einrichtungen politischer Bildung auch bei der Weiterentwicklung und Ausprägung der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielen können, und zwar über die Vermittlung von Kenntnissen und Kompetenzen hinaus. Sie können aktiv bei der Schaffung örtlicher und regionaler Netzwerke sein und auch moderierende und kooridinierende Aufgaben übernehmen, so wie es die Landeszentrale hier im Saarland macht, indem sie seit 2003 die Landeskoordination für "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" ausübt.

Der irische Dramatiker George Bernhard Shaw hat einmal gesagt: "Demokratie ist eine Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden als wir es verdienen."

Da hat er recht und ich möchte ergänzen: Damit wir es verdienen, gut regiert zu werden, braucht es auch in Zukunft eine pluralistische politische Bildungslandschaft, die breite Bevölkerungsschichten erreicht.

Ich wünsche der Landeszentrale für politische Bildung Saarland mit ihrer sehr zukunftsorientierten Bildungsarbeit weiterhin viel Erfolg.

Vielen Dank

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten