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Rede von Thomas Krüger zum Empfang der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich "60 Jahre Israel" am 4. Mai 2008 in Tel Aviv | Presse | bpb.de

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Rede von Thomas Krüger zum Empfang der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich "60 Jahre Israel" am 4. Mai 2008 in Tel Aviv

/ 6 Minuten zu lesen

Seit 45 Jahren führt die bpb Multiplikatoren der politischen Bildung aus ganz Deutschland nach Israel, um ihnen in 10 bis 12 Tagen die Vielfältigkeit und Lebendigkeit dieses faszinierenden Landes nahe zu bringen. Thomas Krüger zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels.

Sehr geehrter Herr Botschafter Kindermann, sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Freude, in diesen Tagen persönlich mit einer Delegation der Bundeszentrale für politische Bildung in Israel zu sein, um mit Ihnen, unseren Partnern, Referenten und Freunden den 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels zu feiern.

Zu diesem besonderen Geburtstag möchte ich ihnen ein herzliches "Mazal Tov - Yom Holedet Sameach" entgegen bringen.

Seit 45 Jahren führt die Bundeszentrale für politische Bildung Multiplikatoren und Multiplikatorinnen der politischen Bildung und Meinungsführer aus ganz Deutschland nach Israel, um ihnen in zehn bis zwölf Tagen die Vielfältigkeit, Lebendigkeit, aber auch Widersprüchlichkeit dieses faszinierenden Landes und seiner Menschen nahe zu bringen. Ich darf daher sicher zu Recht sagen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung Israels wechselvolle Geschichte und die dynamische Entwicklung seiner Gesellschaft über Jahrzehnte kontinuierlich, aufmerksam und nie gleichgültig begleitet hat.

Zwei Beispiele aus diesen Jahrzehnten verdeutlichen, dass dies manchmal auch ein hautnahes Miterleben war:

So berichtete mir ein ehemaliger Mitarbeiter, einer der vielen passionierten Israelreisenden in unserem Hause, dass er sich mit einer zwar kleinen, aber ausgewählten Gruppe von Journalisten während des Yom-Kippur-Krieges und noch vor Ende der Kampfhandlungen auf eine Reise durch Ihr Land begeben habe. Dabei sei der Busfahrer der Gruppe mehrfach ausgewechselt worden, weil er jeweils als Reservesoldat eingezogen wurde.

Eine andere Studienreisegruppe begann Ihren Aufenthalt genau am Abend des 4. November 1995, als Itzhak Rabin ermordet wurde und das ganze Land in Schmerz und Trauer erstarrte. An eine normale Programmdurchführung war in diesen Tagen natürlich nicht mehr zu denken. Das persönliche Erleben dieses Ausnahmezustandes hat den Teilnehmenden jedoch mehr über Israels Gesellschaft und die Sehnsucht seiner Menschen nach Frieden gezeigt, als akademische Vorträge es in diesem Moment vermocht hätten.

Diese Beispiele ließen sich noch um viele weitere Ereignisse und Erlebnisse erweitern, durch die unsere Teilnehmenden quasi zu Zeitzeugen israelischer Geschichte geworden sind.

Israel kann auf herausragende Erfolge in seiner 60jährigen Geschichte verweisen, von denen ich exemplarisch nur drei erwähnen möchte:

Die Errichtung einer vitalen, pluralistischen und streitbaren Demokratie, die in der Region noch immer ihresgleichen sucht, die Integration von Millionen von Einwanderern aus über 120 Ländern mit ihren so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und den Aufstieg zu einer der führenden Hightech-Nationen in der Welt, gewissermaßen eine Reise von Jaffa nach Java.

Trotz der unbestrittenen Erfolgsgeschichte des jüdischen Staates ist der Wunsch der Gründerväter und -mütter, nämlich den nachfolgenden Generationen ein Leben in Frieden und Sicherheit zu garantieren, leider bis heute nicht in Erfüllung gegangen. Noch immer sieht sich Israel mit der Bedrohung von außen und terroristischen Angriffen konfrontiert, noch immer wird seine Existenz von vielen seiner Nachbarn in Frage gestellt. Und noch immer müssen israelische Familien mit der Sorge um ihre Söhne und Töchter leben, die einen gefahrvollen zwei- bzw. dreijährigen Armeedienst für die Sicherung der Existenz Israels ableisten müssen.

Als zentrale Institution der politischen Bildung in Deutschland sehe ich es als unsere Pflicht und als Herausforderung zugleich an, über die anhaltende Bedrohung Israels und seiner Bürger, aber auch über die vielfältigen Facetten der israelischen Realität aufzuklären. Denn Israel ist sehr viel mehr, als die häufig in Deutschland und Europa medial vermittelten Bilder suggerieren.

Die Teilnehmenden unserer Studienreisen sind in den vergangenen Jahrzehnten stets von dem großen Spektrum an Meinungen und Positionen sowie der Fähigkeit ihrer Gesprächspartner zu einer selbstkritischen Innenansicht überrascht, beeindruckt, ja geradezu verwirrt worden. Und bei aller positiven Verwirrung stand und steht am Ende einer Reise immer die Frage im Raum, was denn nun der geheimnisvolle Kitt ist, der Israel zusammenhält und israelische Identität ausmacht.

Auch ich habe darauf keine abschließende Antwort. Vielleicht lässt sich dieses Phänomen am ehesten mit dem Wort "Israeliness" beschreiben. Oder wie Amos Oz es einmal formuliert hat: "Israel gefällt mir nicht, aber ich liebe es".

Ich bin mir sicher, dass das Israel-Bild derjenigen, die mit uns das Land bereist haben, nicht mehr einem einfachen Schwarz-Weiß-Schema folgt. Und wichtig ist: Diese Erkenntnis behalten sie meist nicht für sich, sondern multiplizieren sie um ein vielfaches in ihrem beruflichen und privaten Umfeld.

Unsere Aktivitäten werden sich zukünftig noch stärker den jungen Generationen unserer beiden Länder widmen, denn sie werden die deutsch-israelischen Brückenbauer der Zukunft sein. Gleichgelagerte Interessen in einer globalisierten Welt bieten insbesondere den jungen Generationen unserer beiden Länder die Chance, sich trotz unterschiedlicher religiöser, ethnischer und kultureller Hintergründe und historischer Belastungen einander anzunähern, Vorurteile und Stereotype zu durchbrechen.

In den vergangenen Jahren haben wir bereits mit Erfolg spezielle Gruppen junger Erwachsener aus der Jugend- und Bildungsarbeit sowie junge Nachwuchsjournalisten ins Land geführt. Für einige der jungen Leute war dies sogar der Auftakt einer Art Liebesbeziehung zu Israel, die sich in mehrmonatigen Aufenthalten in einer israelischen Zeitungsredaktion oder als Volontär in einem Kibbutz fortsetzte und in ihrem Leben neue, nachhaltige Akzente setzte.

In umgekehrter Richtung lädt die Bundeszentrale für politische Bildung im Juni diesen Jahres zwanzig junge Israelis zum deutschlandweit größten Festival junger Politik mit dem Namen "Berlin 08" ein, auf dem sich über 10.000 junger Leute in politischen und kulturellen Foren informieren und aktiv einbringen können. Die israelischen Gäste werden deutschen Jugendlichen in Workshops aus erster Hand über ihren Alltag in Israel und Themen, die sie persönlich bewegen, berichten.

Neben zahlreichen aktuellen Publikationen und Online-Angeboten rückt die Bundeszentrale für politische Bildung das Thema "60 Jahre Israel" insbesondere durch kulturelle Veranstaltungen in Deutschland in den Fokus der Aufmerksamkeit. Kultur ist als globale Sprache über die klassischen Methoden der politischen Bildung hinaus besonders geeignet, das Lebensgefühl und die Lebensentwürfe der Menschen in Israel erfahrbar, ja spürbar zu machen. Zwei Projekte möchte ich besonders hervorheben:

Gemeinsam mit dem Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin und der Jerusalem Cinematheque – Israel Film Archive widmen wir uns in einer großen Retrospektive dem israelischen Kino der 50er bis 70er Jahre, die uns eine weitgehend unbekannte Innenansicht Israels erlaubt. Diese einmalige filmische Retrospektive wird sich nicht auf Berlin beschränken, sondern im Laufe des Jahres noch in anderen deutschen Großstädten zu sehen sein.

Das unbekannte, zeitgenössische Israel steht im Mittelpunkt eines bisher einzigartigen Musikprojekts mit dem Namen Iland, bei dem israelische und deutsche Bands unterschiedlicher populärer Musikrichtungen gemeinsam in Workshops arbeiten und Neues entwickeln. Dieses Projekt bietet die großartige Chance, durch die gemeinsame Sprache, nämlich die Musik, das kreative Potential junger Künstler aus beiden Ländern zusammen zu führen und Neues, Innovatives zu kreieren. Die Ergebnisse dieser ungewöhnlichen deutsch-israelischen Kooperation werden in Konzerten quer durch Deutschland vorgestellt werden.

Mit den Studienreisen hier vor Ort und einer Fülle von Angeboten in Deutschland wird Israel auch zukünftig ein Schwerpunkt in der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung bleiben.

Ich bin überzeugt, dass wir durch unsere Arbeit weiterhin viele Menschen in Deutschland für die Komplexität in Ihrem Land sensibilisieren, zu einem differenzierten Meinungsbild beitragen und neue Projekte zwischen Deutschen und Israelis anstoßen können.

Ich freue mich, mit Ihnen heute Abend ein Stück israelischer Kultur erleben zu dürfen. Im Anschluss an diesen Empfang laden wir Sie ab 21:00 Uhr gemeinsam mit dem Goethe Institut Tel Aviv sehr herzlich zur Performance "Auch So! - Gam Kach!" der Theatergruppe Public Movement ein.

An dieser Stelle möchte ich meinen persönlichen Dank den Kollegen des Goethe-Instituts, allen voran Dr. Georg Blochmann und Amos Dolav aussprechen, deren exzellente und unkomplizierte Kooperation dieses ungewöhnliche Kulturevent erst ermöglicht hat.

ORCHIM MECHUBADIM, KAWOD LI LIFTOACH ET IRUA ZE SHEL HABUNDESZENTRALE FUER POLITISCHE BILDUNG LECHVOD SHISHIN SHANA LEISRAEL.

ANI MEACHEL LACHEM EREW NAAIM WE MEHANE WE MEKAWE SHE MIFGASH ZE JITROM ET CHELKO LE CHIZUK KISHREI ISRAEL-GERMANIA. Toda Raba (Werte Gäste, es ist mir eine Ehre diese Veranstaltung der bpb zu Ehren 60 Jahre Israel zu eröffnen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und hoffe, dass diese Begegnung einen Beitrag zur Stärkung deutsch-israelischer Beziehungen leisten wird.)

− Es gilt das gesprochene Wort −

Fussnoten