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Die Macht der Bilder | Presse | bpb.de

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Die Macht der Bilder Festrede von Thomas Krüger anlässlich der Buchvorstellung "Das Jahrhundert der Bilder" (Band I 1900 bis 1949, Band II 1949 bis heute) am 11. Mai 2009 in Berlin

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Unser kulturelles Gedächtnis wird immer mehr mit Bildern füllt, von denen zumindest ein Teil zu Ikonen ganzer Generationen werden. Die Befähigung zu Bildinterpretation und Medienkompetenz ist daher zu einer wesentlichen Aufgabe der politischen und der historischen Bildung geworden.

Die Erfindung und Fortentwicklung der Fotografie hat im 20. Jahrhundert zu einer Inflation der Bilder geführt. Die Fortentwicklung der Medien und Übertragungstechniken sorgte dafür, dass immer schneller, immer bessere Bilder jeden beliebigen Adressaten in allen Teilen der Welt von allen Schauplätzen erreichen.

Diese Entwicklung hat Susan Sontag zu Recht folgendermaßen umrissen: Bilder seien heutzutage keine Sammelobjekte mehr, sondern Botschaften, die in Umlauf gebracht würden, und zwar nicht mehr nur von Bildjournalisten, sondern in unserer digitalen Welt von jeder und jedem. Der so genannte "Pictorial Turn" ist in aller Munde: Der kulturelle Wandel hin zu einer Mediengesellschaft, in der zunehmend Bilder und ihre Botschaften an die Stelle von Worten und ihren Nachrichten treten.

Durch die Aufnahme und geistige Verarbeitung dieser Bilderflut, nehmen wir an unserer Zeit teil. Denn die Ereignisse, die uns und unsere Zeitgenossen aufgerüttelt haben, sind uns lediglich durch Bilder bekannt. Sie wirken allerdings vielfach auf uns so unmittelbar und suggestiv, dass wir uns für Augenzeugen des Geschehens halten oder zumindest denen nahezukommen glauben. Jeder, der die Filme über das Zusammenbrechen der Twin Towers gesehen hat, fühlt sich als unmittelbarer Augenzeuge des Geschehens.

Georg Seeßlen hat sich in seinem Essay "Vom Verschwinden des Unglücks in den Bildern" aus Anlass der asiatischen Tsunami-Katastrophe mit der Frage beschäftigt, wie denn die Mediengesellschaft anders trauern solle, als in ihren Medien. In der Tat ist die alle bisherigen Dimensionen übersteigende Spendenbereitschaft der Weltbevölkerung ohne die entsprechenden Bilder kaum vorstellbar.

Gerade eine solche Erfahrung führt uns zu der Frage nach der "Macht der Bilder". Dies umso mehr, wenn wir bedenken, dass sich unser kulturelles Gedächtnis immer mehr mit Bildern füllt, von denen zumindest ein Teil zu Ikonen ganzer Generationen werden. Sicher könnten wir uns hier schnell über eine Reihe von Bildern einigen, die wir alle kennen, die für das vergangene Jahrhundert symptomatisch sind.

Der technische Fortschritt hat uns aber nicht nur eine Fülle von Bildern beschert, sondern auch die Möglichkeit zur Manipulation der scheinbar so objektiven Fotografien und zum Einsatz dieser Bilder und Bilderfahrungen in anderen Zusammenhängen. Daher ist es umso wichtiger, nach den Bildern, ihren Ursprüngen, ihren Veränderungen und der politischen Absicht ihrer Verbreitung zu fragen: Wer bearbeitet welche Bilder oder welche Bildelemente in welcher Absicht?

Eine Untersuchung der Universität Siegen hat vor einigen Jahren zu dem Ergebnis geführt, dass in den Schulgeschichtsbüchern aller EU-Staaten mehr als 50 % aller Bilder in den Kapiteln zum Themenbereich "Europa" identisch sind. Umso verwunderlicher ist es, dass im Geschichtsunterricht die Behandlung dieser Bilder kaum eine Rolle spielt. Dies zeigt – in einer Welt von Bildern – die Dringlichkeit des kritischen Umgangs mit dem Bildmaterial. Die Befähigung zu Bildinterpretation und Medienkompetenz ist zu einer wesentlichen Aufgabe der politischen und der historischen Bildung geworden.

Der vorletzte Historikertag in Konstanz hat die Bedeutung der Bilder als historisch-politische Quelle in den Mittelpunkt seiner Diskussion gestellt; dies war sicher auch ein Verdienst der Arbeiten von Gerhard Paul, der damit für den Verlag Vandenhoeck und Ruprecht wie auch für die Bundeszentrale für politische Bildung zum berufenen Herausgeber dieses zweibändigen Werkes geworden ist, dessen erster Band (es war der zweite: 1949 bis heute) bereits wenige Wochen nach Erscheinen, trotz einer Auflage von 10.000 Exemplaren, bei der Bundeszentrale vergriffen war. Dies zeigt das ungeheure Interesse an diesem Thema und den hohen Bedarf, die Geschichte der Bilder zu ergründen.


- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten