Lieber Theo Länge,
sehr geehrte Damen und Herren,
Theo Länge hat bis heute kaum eine Gelegenheit ausgelassen, sich tatkräftig für die Zukunft unserer Demokratie einzusetzen. Wenn man sich seine Berufsbiografie ansieht, so kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass sein Engagement für die politische und speziell für die außerschulische politische Bildung nicht nur sein Beruf, sondern auch seine Berufung ist. Insofern ist dem Weiterbildungstag dafür zu danken, dass die politische Bildung ausdrücklich gewürdigt wird und nicht hinter der beruflichen Bildung abtaucht.
Wir wissen alle, dass Interesse für Politik und Bildung nicht erst mit einem wissenschaftlichen Studium entsteht. Es wird also bereits wichtige persönliche Erfahrungen gegeben haben, die Theo Länge bewogen, Politik und Geschichte zu studieren. Nach zunächst drei Jahren als Ausbildungslehrer wechselte Theo Länge an die Evangelische Akademie Bad Boll. Dort arbeitete er zwischen 1973 und 1984 als Jugendbildungsreferent, Studienleiter, Fachbereichsleiter und Direktionsmitglied. Hier war er nicht mehr nur als Bildungspraktiker tätig, sondern auch als Organisator und Interessenvertreter mit Blick auf fachliche und bildungspolitische Anliegen der außerschulischen politischen Bildung. Theo Länge blieb auf diesem Pfad: 1984 wurde er Bundesgeschäftsführer der Evangelischen Akademien in Deutschland und 1991 Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Arbeit und Leben, der er bis heute ist.
Neben seinen hauptberuflichen Aufgaben hat Theo Länge zahlreiche Ämter wahrgenommen. Es wird Sie nicht überraschen, dass auch diese der politischen Bildung verpflichtet sind. Ich kann hier nur eine Auswahl nennen. 15 Jahre war Theo Länge Vorsitzender des "Bundesausschusses für politische Bildung", dem Zusammenschluss von rund 30 bundesweit agierenden Trägern der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, zuvor vier Jahre stellvertretender Vorsitzender. Er war stellvertretender Vorsitzender der "Konzertierten Aktion Weiterbildung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und Mitglied des ständigen Ausschusses der Aktion Weiterbildung. Er hat an der Evaluation und Realisierung des Kinder- und Jugendplans vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend in verschiedenen Funktionen mitgewirkt und wurde in den Evaluationsbeirat "Politische Erwachsenenbildung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung berufen. Ich habe ihn vor allem als Interessenvertreter am Runden Tisch der Bundeszentrale für politische Bildung kennen gelernt, an dem wir unsere Zusammenarbeit mit den Träger politischer Bildung diskutieren und organisieren. Theo Länge hat außerdem regelmäßig in Veröffentlichungen die jeweils aktuelle Lage der Profession "Politische Bildung" beschrieben und diskutiert. Sie sehen: Theo Länge hat sich in unterschiedlichen Institutionen und Funktionen mehr als ein Vierteljahrhundert lang unermüdlich für die Interessen und die Koordination der außerschulischen politischen Bildung eingesetzt.
Sich einer solchen Aufgabe zu widmen, erfordert hohen Sachverstand, Überzeugungskraft, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz. Denn Bildungspolitik ist bis in die Gegenwart kein politisches Feld, auf dem man schnell und einfach Erfolge einfahren kann. Die Bedeutung von Weiterbildung und politischer Bildung für Demokratie, gesellschaftliche Entwicklung und wirtschaftlichen Erfolg wird zwar immer wieder eifrig betont. Fordert man aber für diese die nötigen Ressourcen ein, dann ist man mit einer "Elastizität" der Entscheiderinnen und Entscheider konfrontiert, die einem einige Geduld abverlangt. Theo Länge jedenfalls hat sich sich im ständigen Ringen um Aufmerksamkeit, um den Erhalt und Ausbau von Strukturen und Handlungsräumen unbeirrt behauptet.
Engagement für die politische Bildung ist Engagement für die Demokratie.
Wir wissen aus historischer Erfahrung, dass Diktaturen und Ideologien als "große Vereinfacher" furchtbare Opfer gefordert haben und immer noch fordern. Unsere heutige Demokratie ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen uns jeden Tag neu für sie entscheiden. Diese tägliche Entscheidung immer wieder herauszufordern, ist Aufgabe politischer Bildung. In diesem Sinne sind politische Bildnerinnen und Bildner tatsächlich "Überzeugungstäterinnen und -täter". Engagierte Menschen wie Theo Länge schöpfen daraus die Energie, andere davon zu überzeugen, dass Demokratie die Sache aller Bürgerinnen und Bürger ist, und dass wir damit alle aufgerufen sind, an Entscheidungen mitzuwirken.
Nun gibt es noch eine besondere Herausforderung in der politischen Bildung. Theo Länge hat diese einmal in einem Gespräch mit mir mit der Konstellation "kommunizierender Röhren" verglichen. Was auf die Politik einwirkt, hat auch Auswirkungen auf die politische Bildung. Dabei hängt das Image der politischen Bildung vom Image der Politik selbst ab. Politische Bildung wird unweigerlich mit Politik in Verbindung gebracht. Angesichts des verbreiteten negativen Images der Politik ist sie aber teilweise mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich von Politik zu distanzieren, um die Bürgerinnen und Bürger überhaupt noch zu erreichen. Zudem wird politische Bildung erst durch Politik ermöglicht, da letztere die Mittel für politische Bildungsvorhaben bereitstellen muss. Eine komplizierte Gemengelage also.
Die Antwort von Theo Länge war immer, nicht nur für die notwendigen Mittel zu kämpfen, sondern auch nach Erneuerung in der Profession zu suchen. Defensivstrategien waren dabei nicht seine Sache. Dass dieser Ansatz auch unangenehme, aber notwendige Diskussionen mit sich bringen kann, darauf hat Theo Länge wiederholt hingewiesen. Seinem Willen zur Innovation entsprechend war es auch seine Initiative, die den Bundesausschuss für politische Bildung zu einer heute bildungspolitisch wirkungsmächtigen Instanz der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung gemacht hat. Auch an der Gründung der Fachzeitschrift "Praxis Politische Bildung" war er wesentlich beteiligt, die seit nun 13 Jahren den Fachdiskurs mit begleitet. Indem Theo Länge den Bundesausschuss gestärkt hat, hat er selbst den Beweis erbracht, dass die wiederholt konstatierte politische Artikulationsschwäche der politischen Bildung überwunden werden kann und muss.
Wenn Theo Länge die Interessen der Träger vertreten hat – auch gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung –, so war ihm immer eine klare Position wichtig. Er ist als Verhandlungspartner konkret, unmissverständlich und, wenn nötig, auch unnachgiebig. Er ist zugleich aber immer bereit, die Position des Gegenüber zu hören und deren Begründung ernst zu nehmen. Er hat Partikularinteressen hintan gestellt und nach dem gemeinsamen Interesse im gesamten Feld der Akteure gesucht. Er war dabei immer politisch-taktisch aufgestellt und hat die Kontroverse nicht gescheut. Und, er hat offene Selbstkritik zugelassen und geleistet. Ich habe ihn als "ehrlicher Makler" der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung kennen und schätzen gelernt. Nur eins habe ich bislang noch nicht geschafft: Ihn als Lobbyisten für die Bundeszentrale für politische Bildung zu gewinnen. Das könnte ich derzeit gut gebrauchen.
Berufung endet nicht mit dem Beruf. Ich bin mir daher sicher, dass sich Theo Länge weiterhin einmischen wird, in Politik und politischer Bildung.
Theo Länge gebührt der Dank unserer Demokratie für all die wertvollen Jahre, die er als treibende Kraft der politischen Bildung bis heute gewirkt hat. Daher müssten ihm heute Millionen Demokratinnen und Demokraten danken. Man müsste also lange anstehen, um an die Reihe zu kommen. Jede Regierung versucht ja, sich die jeweilige Konjunktur auf die Fahnen zu schreiben. Gerade hat die Shell-Jugendstudie der heutigen Generation ein erhöhtes politisches Interesse bescheinigt. Mit Sicherheit ein Verdienst von Theo Länge.
Herzlichen Dank, lieber Theo Länge. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -