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Made in Italy / Made in Germany – Vor welchen Herausforderungen steht der Journalismus heute? | Presse | bpb.de

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Made in Italy / Made in Germany – Vor welchen Herausforderungen steht der Journalismus heute? Rede von Thomas Krüger zur Eröffnung der Konferenz "Medien – Made in Italy / Made in Germany" im Rahmen des Projekts "Va bene?! La Germania en Italiano – Italien auf Deutsch" am 25.10.2010 im Istituto Luigi Sturzo, Rom.

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Rede von Thomas Krüger zur Eröffnung der Konferenz "Medien – Made in Italy / Made in Germany" im Rahmen des Projekts "Va bene?! La Germania en Italiano – Italien auf Deutsch" am 25.10.2010 im Istituto Luigi Sturzo, Rom.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Botschafter Gerdts, liebe Frau Höhn, lieber Herr Staudacher,

im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung begrüße ich Sie sehr herzlich zu "Made in Italy / Made in Germany – Vor welchen Herausforderungen steht der Journalismus heute?" Wie Sie sicher wissen, veranstalten wir gerade zusammen mit unseren Partnern die Reihe "Va bene?! Italien auf Deutsch – La Germania in italiano", zu der auch diese Konferenz gehört.

Seit Jahrhunderten ist Italien ein Sehnsuchtsort der Deutschen. Das antike Rom gilt als Wiege der abendländischen Kultur. Italienische Philosophen, Künstler und Erfinder prägten besonders seit der Renaissance die Entwicklung in ganz Europa. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden die Vorlesungen an den Universitäten auf Latein gehalten.
Johann Wolfgang von Goethe verankerte dann mit seinen Reisen Italien als das Land der schönen Künste und des schönen Lebens im nationalen Gedächtnis der Deutschen. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden der Sonnenuntergang am Strand von Capri und die Gondelfahrt auf dem Canal Grande zum Inbegriff des bundesdeutschen Urlaubstraums. Italien als Klischee.

Doch von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat Italien seit den 90er Jahren einen tiefgreifenden gesellschaftspolitischen und institutionellen Wandel erfahren. Diese Entwicklung und die aktuelle Situation geben die Medien oft nur einseitig und undifferenziert wider. Infolgedessen verfestigen sich Klischees – diesmal negative.
"Italiener und Deutsche kennen sich seit vielen Jahrhunderten so gut, dass sie sich nicht verstehen", hat der ehemalige italienische Botschafter in Deutschland, Luigi Vittorio Ferraris, einmal geschrieben.

Deshalb ist es immer noch wichtig, die existierenden Vorurteile über Italien – und natürlich auch umgekehrt die Vorurteile der Italiener über Deutschland – zu beleuchten und offen zu thematisieren. Gerade in einem immer mehr zusammenwachsenden Europa. Wir freuen uns daher, hier mit unseren italienischen Kollegen und Partnern konzentriert und in einer entspannten Arbeitsatmosphäre reden, diskutieren und uns austauschen zu können. "Va bene?!" will Neugier entfachen, und ich denke, dass das bis jetzt schon ganz gut funktioniert hat.

Das Projekt "Va bene" und unsere Partner möchte ich Ihnen zunächst etwas genauer vorstellen. Im weiteren Verlauf meiner Rede wird es mir dann vor allem um die sich verändernde Medienlandschaft und die gesellschaftliche Verantwortung des Journalismus für die europäische Öffentlichkeit gehen. Letztere zu unterstützen und zu stärken sehe ich als eine Kernaufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung. Auf diesen Auftrag möchte ich ebenfalls zu sprechen kommen und Ihnen unser Angebot empfehlen. Schließlich werde ich Ihnen kurz unser morgiges Programm skizzieren.

Unser geschätzter Partner bei der Organisation dieser Redaktionskonferenz "Medien Made in Italy / Made in Germany" ist – wie Sie wissen – die Konrad-Adenauer-Stiftung mit ihrer Außenstelle in Italien. Sie ist mit Unterbrechung seit 1977 in Rom präsent, um die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien auf politischer Ebene professionell zu beobachten, zu analysieren und zu intensivieren. Denn natürlich schaut Italien auch nach Deutschland, nicht nur auf sein Wirtschafts- und Sozialmodell, sondern auch auf sein politisches System.
Deshalb ist die Konrad-Adenauer-Stiftung Rom in der deutsch-italienischen Debatte mit einem dichten Veranstaltungs- und Publikationsangebot präsent. Mit seinem Team hat Wilhelm Staudacher zum Beispiel das informative Portal "Fremde Freunde?" aufgebaut, das seinen Lesern aus Deutschland und Italien viel Wissenswertes über Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft des jeweils anderen Landes bietet.
In kurzer Zeit hat die Konrad-Adenauer-Stiftung sich damit wieder direkt in Rom als kompetente Anlaufstelle für den deutsch-italienischen Dialog profiliert und ist damit ein natürlicher und wichtiger Partner für unsere Initiative "Va bene?! Italien auf Deutsch – La Germania in italiano".

Das Projekt "Va bene" selbst hat jedoch viele Partner, die ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen will. Es entstand auf Initiative des Goethe-Instituts Italien in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Institut für Auslandsbeziehungen und den italienischen Kulturinstituten in Deutschland. Darüber hinaus unterstützen viele weitere Institutionen und Medienpartner die Arbeit des Projekts. Schließlich freut es uns natürlich sehr, dass wir als Schirmherren die Italienische Botschaft in Deutschland und die Deutsche Botschaft in Italien gewinnen konnten. Allen möchte ich an dieser Stelle sehr herzlich danken.

Vielleicht kam Ihnen die Marke "Va bene" bereits bekannt vor, als wir die Initiative in diesem Jahr anstießen. Unter diesem Namen haben wir uns 2004 drei Tage lang in München mit Italien und Deutschland beschäftigt – und das mit großem Publikumserfolg: Über 3.000 Besucher kamen damals zu unseren Veranstaltungen. Deshalb freut es mich, dass wir unter diesem Namen die Tradition des Austauschs zwischen Deutschland und Italien nun fortführen können. Bereits damals hatten wir den Medien, dem Internet und der italienischen Blogger-Szene im ganz Besonderen viel Platz eingeräumt. Morgen werden wir an diese Themen anknüpfen.

Denn die technische Entwicklung hat die Kommunikation in den letzten Jahren revolutioniert. Beispielsweise hatte sich 2004 der Begriff "Web 2.0" gerade unter Experten herumgesprochen – heute gehört das Web 2.0 zum Alltag.
Früher konnte einmal derjenige, der eine Information besaß und verbreiten wollte, diese wohl gesteuert den einzelnen Menschen über die gängigen Kommunikationskanäle vermitteln. Mit Hilfe der neuen elektronischen Medien können Bürgerinnen und Bürger Kommunikation selbst steuern. Sie können Informationen verifizieren, kommentieren und gegebenenfalls auch falsifizieren und damit ablehnen.

Durch die social media wie Facebook oder Dienste wie Twitter wird diese Entwicklung noch einmal beschleunigt und die Kommunikationssituation nachhaltig verändert: Interessierte und vernetzte Bürger beginnen über ein Thema zu diskutieren und treffen ihre Bewertungen oft bereits zu einem Zeitpunkt, an dem der eigentliche und ursprüngliche Kommunikator sich noch nicht einmal vergegenwärtigt hat, dass eine Kommunikation über ihn in Gang gekommen ist: Derjenige also, der sich als Schnittstelle und Sender von Informationen versteht, wird selbst zum Gegenstand einer Kommunikation.

Es ist also nicht mehr der einzelne Mensch, der nach Belieben von einer "Zentrale" aus mit Informationen bedient wird oder dem diese Informationen vorenthalten werden können – und der damit auch isoliert werden kann. Der klassische Kommunikator, das klassische Medium, hat sein Informationsmonopol verloren.

Das ist eine positive Entwicklung für kompetente Mediennutzer und eröffnet revolutionäre Chancen für unsere repräsentativ organisierte Demokratie. Unsere demokratische Gesellschaft braucht Öffentlichkeit und die findet vor allem medial vermittelt statt. Zeitungen, Radio, TV und Internet sind die Foren für den Austausch von Information und Meinungen; für Streitkultur und gesellschaftliche Kontrolle der Mächtigen; für die Kommunikation gemeinsamer Werte und die Repräsentation verschiedener Interessen. Informationsherrschaft und Herrschaftswissen stoßen in einer funktionierenden modernen Informationsgesellschaft schneller an ihre Grenzen. Wache und aktive Bürger können den Missbrauch von Informationsvorsprung und -überlegenheit erkennen und eindämmen. Doch nicht nur die plebiszitäre Kontrollfunktion wird gestärkt. Der Bruch des Informationsmonopols durch neue Medien demokratisiert die Kommunikation. Jeder Einzelne kann sich heute ohne großen Aufwand öffentlich mitteilen, Debatten initiieren und Interessen organisieren.
An dieser Stelle wird die Debatte im Netz dann zur konkreten Aktion: Besonders kleinere gesellschaftliche Initiativen und Organisationen profitieren ganz praktisch von sozialen Netzwerken, wenn es darum geht, Mitglieder zu vernetzen und Unterstützer zu mobilisieren.

Doch das Potenzial ist hier noch längst nicht ausgeschöpft. Oft genug ist Kommunikation "bottom up" auf die Kommentarfunktion am Ende eines Artikels reduziert. Auch wenn viele Medien bereits versuchen "Leserreporter" zu gewinnen, mangelt es noch an überzeugenden Konzepten für eine Einbindung der Mediennutzer auf Augenhöhe.

Und hier kommt es auf Sie an! Um also das demokratische Potenzial der medialen Entwicklung voll ausschöpfen zu können, brauchen Bürgerinnen und Bürger die Unterstützung der Journalisten!

Die Umsetzung der neuen Möglichkeiten bleibt immer noch eine Herausforderung. Cross-Medialität und Interkativität sind zwar schon seit Jahren Schlüsselworte für erfolgreiche journalistische Darstellungsformen. Doch die Experimentierphase ist noch lange nicht vorbei und immer noch sind Medienmacher fieberhaft auf der Suche nach Konzepten, die nicht nur journalistisch überzeugend, sondern auch gewinnbringend sind.

Der wirtschaftliche Druck ist enorm. Doch wenn immer weniger Redakteure in immer kürzerer Zeit Inhalte produzieren müssen, bleibt die Qualität auf der Strecke. Das entgeht auch den Mediennutzern nicht, die dafür doch schließlich zahlen sollen. Das Web 2.0 hat viel Potenzial für Formate, die Mediennutzer – jenseits der Kommentarfunktion – ernsthaft einbinden und von deren Wissen profitieren. Erfolgreicher Journalismus im Digitalzeitalter funktioniert nur mit begeisterten und aktiven Lesern, Hörern und Zuschauern, denen ein gutes Medienprodukt auch (online) etwas wert ist.

Aber Qualitätsjournalismus ist – das klang schon an – keine übliche Handelsware, sondern ein Kulturgut. Die Pressefreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes ist nicht nur als Abwehrrecht gegenüber dem Staat zu betrachten, sondern es ist Verpflichtung und Selbstverpflichtung für die Medien: Wenn es eine Verfassungsgarantie für die Verbreitung von und den Zugang zu Information gibt, dann ist das quasi der hippokratische Eid, an dem sich Journalisten und Medien selbst messen müssen.
Ihren entscheidenden Beitrag für eine funktionierende Demokratie können Medien nur leisten, wenn engagierte Journalisten ihre Leser, Hörer und Zuschauer mit gut recherchierten Beiträgen verantwortungsvoll informieren. Genau deshalb fördert die Bundeszentrale Veranstaltungen wie diese.

Doch das Thema neue Medien, Journalismus und Öffentlichkeit hat noch weitere Aspekte, auf die ich eingehen möchte. Die beschriebene Entwicklung hat nämlich nicht nur Inklusions- sondern auch Exklusionspotenzial. Dies verschärft sich, wenn wir daran denken, dass Öffentlichkeit heute nicht mehr nur national ist, sondern – vor allem in einem vereinten Europa – auch grenzübergreifend gedacht werden muss.

Die Elektronik-, Informations- und Unterhaltungsindustrie haben Formate, Programme und Endgeräte wie zum Beispiel Podcasts, Tablets und Apps geschaffen, die den Zugang, die Verbreitung und damit auch die Qualität der Information stark verändern: Eine Zeitung beispielsweise wird oft von mehreren Personen genutzt – in der Familie, bei der Arbeit oder auch zurückgelassen in der Bahn. Dagegen bleibt der oft gegen Geld erworbene Inhalt eines Tablets stärker personalisiert, ist im eigentlichen Wortsinn exklusiv, schließt also andere Personen aus und wird dann auch weniger zirkulieren. Damit verschärft sich aber die Diskussion um den freien Zugang zu Informationen: Nicht zur bloßen Rohinformation – sondern zu ihrer mit viel journalistischer Arbeit aufbereiteten, selektiv zusammengestellten, auf individuelle Informationsbedürfnisse zugeschnittenen und punktgenau abrufbaren Variante.

Diese Informationsmöglichkeiten bleiben aber bisher nur auf eine Gruppe einer Informationselite beschränkt. Viele hier von uns, wenn nicht sogar alle, sind ausreichend gebildet, wohlhabend genug und arbeiten eben auch in Berufen, in denen Informationsbeschaffung, Informationsauswahl und Informationsverarbeitung unerlässlich sind.
Im Arbeitsalltag kann das leicht zum Fluch werden. Doch es ist gerade die große Freiheit, sich einen Informationsmix zusammenstellen zu können, der einem eine ausreichend tiefgehende Weltsicht und damit auch die Behauptung der eigenen Persönlichkeit in unserer Gesellschaft ermöglicht.

Der Horizont dieser Gesellschaft – und damit komme ich zum nächsten Aspekt – weitet sich. Die Integration der Europäischen Union ist in den letzten Jahren schnell vorangeschritten. Die Weichen selbst für politische Entscheidungen auf nationaler Ebene werden oft in Brüssel gestellt, ohne dass viele Bürger dafür ein ausgeprägtes Bewusstsein entwickelt, geschweige denn die komplexen Entscheidungsmechanismen durchdrungen haben.
Doch ganz praktisch ist Europa für viele Menschen längst eine Option: Die erreichte Integrationstiefe erlaubt es heute, unbürokratisch zu reisen, den Zweitwohnsitz in südliche Gefilde zu verlagern, europaweit Geschäfte zu machen, zu arbeiten und zu studieren. Dennoch bleibt der gedankliche Bezugsrahmen für viele national. Zwar finden es viele sehr interessant, was ausländische Korrespondenten und Journalisten über andere Länder schreiben, ganz besonders, wenn es das eigene Land ist. Doch die schon angesprochenen gegenseitigen Klischees über die europäischen Nachbarn halten sich hartnäckig.
Es fehlt eine europäische Öffentlichkeit. So weit es sie in Ansätzen gibt, bleibt sie beschränkt auf eben jene Informationselite. Sie betrifft nur die Menschen, die tatsächlich international vernetzt sind, die die Sprachkompetenz, aber auch das Hintergrundwissen mitbringen, um an entsprechenden Debatten teilzuhaben.

Doch wie ist eine europäische Öffentlichkeit denkbar? In den letzten Jahren haben die klassischen Publikationen zunehmend den Weg in die Mehrsprachigkeit gesucht, wie beispielsweise Le Monde diplomatique oder Lettre International. Der Hörfunk (z.B. Deutschlandfunk), aber auch das Fernsehen und eine Reihe von Tageszeitungen setzen auf Überblicksformate, die in Rubriken Raum für europäische Debatten geben. Diese so genannten "Fensterlösungen" basieren jedoch in aller Regel auf Medien, deren hauptsächliche Vermittlung im nationalen Kontext stattfindet.
Es gibt daneben eine Reihe sehr unterschiedlicher Netzformate wie cafebabel.com aus Paris, project-syndicate.org aus Prag und New York, eurozine.com aus Wien oder labforculture.org aus Amsterdam, die Inhalte in mehreren Sprachen zugänglich machen oder sogar mehrsprachig ganze Debattenfelder organisieren.

Auch in Italien gibt es dafür ein schönes Beispiel: Die Wochenzeitschrift Internazionale liefert ein wirklich globales Bild über die etwas langlebigeren Nachrichten: Dabei werden in Titelthemen und Dossiers Fragen abgehandelt, die von allgemeinem Interesse sind oder es zumindest sein sollten. Die Redaktion sammelt die Beiträge über den ganzen Globus hinweg ein, bereitet sie auf, übersetzt sie ins Italienische und macht damit einen kleinen, aber wichtigen Teil des Weltgeschehens in einer schon fast magischen Auswahl zugänglich. Und eben in Internazionale gibt es die Rubrik "Italieni", ein Wortspiel aus "Italiani" und "Alieni", Außerirdische. Und hier findet sich konzentriert ein schnelles Abbild Italiens, das sich einem sonst auch bei der ständigen Lektüre italienischer Zeitungen nur nach Jahren oder sogar Jahrzehnten erschließen würde.

Das fünfsprachige Internetportal euro|topics (Externer Link: www.eurotopics.net), das die Bundeszentrale für politische Bildung betreibt, bildet Debatten in Ausschnitten ab und versucht damit, europäische Diskussionen zugänglich zu machen. Die euro|topics-Presseschau erscheint von Montag bis Freitag in fünf Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch. Hinter den Angeboten von euro|topics steht ein europaweites Netzwerk aus Korrespondenten. In 28 Ländern (EU plus Schweiz) sichten diese mehr als 300 Zeitungen, Magazine und Blogs. Die Korrespondenten wählen die wichtigsten Kommentare, Essays und Reflexionen aus und übersetzen einschlägige Zitate. Kurze Einleitungen erklären den aktuellen Stand der Debatte und werden mit dem Link zum Originaltext bereitgestellt. Damit ist das Portal besonders für Journalisten interessant, um sich einen Eindruck von der Arbeit und dem Meinungsbild der europäischen Kollegen zu verschaffen.

Doch sowohl in Deutschland als auch in Italien informiert sich immer noch der ganz überwiegende Teil der Menschen über Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen. Ein Unterschied ist dabei, dass in Italien das Fernsehen das ungleich wichtigere Leitmedium ist als in Deutschland. In den Abendnachrichten, in den telegiornali, findet der große Informationstransfer und damit auch die Meinungsbildung – auch und ganz besonders die politische – statt. Dabei könnten diese Nachrichten in ihrer Qualität und in ihrer politischen Ausrichtung in Bezug auf die nationale Politik, aber auch gerade gegenüber Deutschland, sehr unterschiedlich sein. Im Prinzip ist das in Deutschland nicht anders, wenn auch in Italien die Dominanz eines Fernsehduopols aus staatlicher RAI und privatem Mediaset besteht, das aber langsam zugunsten einer lebendigeren Landschaft mit einer erstarkenden La 7 (sprich: La Sette) und dem Bezahlsender SKY aufgeweicht wird: Information findet im Regelfall über die Leitmedien und darin über einen spezifischen Sender oder in einer Zeitung statt.

Der kompetente, personalisierte Medienmix ist eben – vielleicht noch? – ein Minderheitenphänomen. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass wir uns über diese Herausforderung Gedanken machen und Lösungen entwickeln. Dazu brauchen wir Journalisten, die gut ausgebildet sind, ein hohes berufliches Ethos haben und ihre gesellschaftliche Rolle als Informations- und damit auch Kontrollorgan, als die vierte Gewalt im demokratischen Staat wahrnehmen können und auch wollen.

Die Förderung des demokratischen Bewusstseins und der Teilhabe ist – das wissen Sie – der Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung. Mit unserer Arbeit richten wir uns in ganz erster Linie direkt an die Bürgerinnen und die Bürger. Aber bei der Vermittlung und Verbreitung unserer Inhalte sind wir auch auf die Medien angewiesen: Sie sind ein wichtiger Kommunikationskanal, um die Menschen zu erreichen, die uns nicht direkt suchen oder eben auch nicht finden können. Wer an den Medien vorbeiarbeitet, der kann in unserer Informationsgesellschaft kaum erfolgreich sein.

In diesem Sinne sind Sie und wir Partner in der Schaffung und Festigung einer demokratischen Öffentlichkeit. Und natürlich brauchen wir nicht nur Sie – wir machen Ihnen auch Angebote. Eines unserer Angebote nehmen Sie gerade wahr. Von einem anderen – euro|topics – habe ich Ihnen erzählt. Aber wir bieten noch mehr: Neben unserem Lokaljournalistenprogramm, Seminaren und Arbeitsmaterialien speziell für Journalisten bieten unsere Publikationen und die Webseite bpb.de Ihnen jederzeit einen großen Recherchepool für Ihre Arbeit.

Unsere Veranstaltung morgen ist eine "deutsch-italienische Redaktionskonferenz". Wir wollen in den nächsten anderthalb Tagen keine sterile Expertentagung durchführen, zu der wir auch Journalisten eingeladen haben, sondern die Veranstaltung eher als kreatives Arbeitstreffen begreifen. Das heißt, dass wir unseren professionellen Hintergrund, unsere unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Meinungen nicht ausschalten, sondern mit in die Diskussionen einbringen sollten. Darin liegt nicht nur der Reiz unseres "Formats", sondern auch sein großes Potenzial. Und deshalb haben wir Sie alle auch ganz gezielt eingeladen.

Vermutlich werden wir – ich möchte da aber keiner spontanen Initiative vorgreifen – kein greifbares Endprodukt in Form einer Zeitung, eines Radio-, Fernseh- oder Onlinebeitrags aus unserer gemeinsamen Redaktionskonferenz mitnehmen. Doch wir werden uns so mit den Themen auseinandersetzen können, dass wir unsere gemeinsamen Adressaten, die Leser, Hörer, Zuschauer und User nicht vergessen. Lassen Sie uns also ganz praktisch und vertraut miteinander reden, diskutieren, vielleicht auch streiten, aber auf alle Fälle immer ergebnisorientiert und für Ihre und unsere Mediennutzer im besten Sinne journalistisch arbeiten.

Beim Blick auf unser Programm versuchen wir fast ein Ding der Unmöglichkeit:

  • Italiener und Deutsche sollen nicht nur begreifen, wie ihre eigenen Medien funktionieren, sondern auch, wie die der anderen arbeiten.

  • Aber wir gehen weiter: Wir wägen nach einer Standortbestimmung die Wechselwirkung zwischen Politik und Medien in beiden Ländern ab.

  • Morgen werden wir Nachwuchsjournalisten treffen und neue Medienformen – immer im deutsch-italienischen Tandem – betrachten. Wir schauen auf ganz neue und ganz alte Medien, die aber überraschend anders genutzt werden, als zu erwarten ist.

  • Uns werden alternative Darstellungsformen für investigativen Journalismus präsentiert: Das "alte" Buch scheint sich ausgezeichnet für diese Aufgabe zu eignen. Journalistennetzwerke erklären uns, wie sie arbeiten. Aber wir beschäftigen uns natürlich auch mit mehrsprachigen, transnationalen Medien und der Möglichkeit einer europäischen Öffentlichkeit.

  • Wir fragen, woher das Geld für Qualitätsjournalismus kommen soll und treffen einen Mann, der in Italien vor einem knappen Jahr eine Tageszeitung mit einer Auflage von mittlerweile über 100.000 Exemplaren ohne die üblichen staatlichen Hilfen mitgegründet hat.

  • Schließlich erwartet uns dann morgen Abend das Goethe-Institut zu unserer Abendveranstaltung.

Bei der Bewältigung dieses dichten und doch auch breiten Programms wünsche ich Ihnen und uns allen gute Arbeit, viel Austausch miteinander und – das meine ich ernst – auch viel Spaß!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten