Sehr geehrter Herr Prof. Vogel,
sehr geehrte Frau Dr. Gotzmann,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
"Saubere Leistung ? Doping in Sport und Gesellschaft" ist der Titel dieses Kongresses, zu dem ich Sie im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung als einem der drei Kooperationspartner neben der Nationalen Antidoping Agentur Deutschland und dem Hygiene-Museum Dresden sehr herzlich begrüße. Der Ort dieser Veranstaltung ist nicht zufällig gewählt, findet doch seit Mitte April hier im Haus die vielbeachtete Ausstellung Auf die Plätze. Sport und Gesellschaft statt. Eine Ausstellung, die konstatiert, dass der Sport längst die Turnhallen, Übungsplätze und Fitness-Studios verlassen hat und weite Teile unseres Alltagslebens prägt.
So wundert es nicht, dass die Dopingthematik inzwischen ein Dauerbrenner ist – sowohl im Sport selbst, in den Medien als auch auf der Ebene politischer Entscheidungsfindung. Das hat dazu geführt, dass nicht nur die einzelne Sportlerin und der einzelne Sportler im Blickpunkt des Interesses stehen, sondern auch die strukturelle Ebene des Sportgeschehens insgesamt. Während die persönliche Verantwortung ohne Zweifel eine entscheidende Bedeutung in der Dopingprävention spielt und auch weiterhin spielen wird, müssen jetzt auch die komplexen Strukturen des professionalisierten Leistungssports als mögliche und nicht weniger wirkungsmächtige Ursachen für das Doping untersucht werden.
Vor diesem Hintergrund versteht sich diese Tagung als Beitrag zur Verhältnisprävention. Wir wollen die gesellschaftlichen Verhältnisse reflektieren, in die das Sportgeschehen eingebettet ist und wir wollen zeigen, inwieweit ein sportspezifisches Problem wie Doping entscheidend von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt und auf sie zurückwirkt. Eine umfassende und gründliche Untersuchung der Doping-"Verhältnisse" unter Beteiligung aller relevanten Wissenschaften ist dabei der Ausgangspunkt. So eine praktisch orientierte Analyse erweitert die auf das Individuum zielende Verhaltensprävention um wichtige Einsichten in den strukturellen Rahmen, der das Doping und alle damit zusammenhängenden Probleme überhaupt erst ermöglicht.
Die Komplexität des Problems verlangt, das Thema Doping in verschiedenen, aber zugleich auch miteinander zusammenhängenden Bereichen zu untersuchen. Daher widmen wir uns in den nächsten Tagen den zentralen Feldern Optimieren, Kontrolle, Medien, Pharmakologisierung und dem Problem der Grenzen, womit Grenzen der Leistungsfähigkeit wie auch die Grenzwerte beim Doping ins Spiel gebracht werden. Wir wollen diese Problemfelder sowohl mit Expertinnen und Experten für die Dopingproblematik als auch mit Fachleuten diskutieren, die aus anderen relevanten wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Teilbereichen kommen. Wir werden die Rahmenbedingungen beleuchten, die das individuelle Handeln des Sportlers ebenso wie dessen persönliche Einstellung prägen. Dabei ist der tieferliegende Zusammenhang von individuellem, moralisch zu verantwortendem Verhalten und gesellschaftlichen Verhältnissen von besonderem Interesse. Wer Dopingprävention will, muss diesen Kontext verstehen. Es geht dabei nicht darum, den dopenden Sportler zu entlasten, sondern Prävention so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Neben den Kontrollen eröffnet die Verhältnisprävention daher für den Sportler auch neue Perspektiven, sich in seiner oft nicht ganz einfachen Situation selbstbestimmt und selbstbewusst gegen eine Pharmakologisierung seines Sports zu entscheiden.
Die gesellschaftlich vorherrschende Tendenz technologischer und ökonomischer Verbesserung bildet auch einen integralen Bestandteil des Sports. So fördert jeder Wettbewerb die Optimierung von Fähigkeiten. Dies gilt im Sport wie auch in der Gesellschaft. Konflikte ergeben sich dann durch Fragen nach der Gesundheit und nach dem Sinn des Wettbewerbs. Vor dem Hintergrund biotechnologischer Optimierung muss daher ganz grundsätzlich gefragt werden, inwieweit der Mensch irgendwann an natürliche und moralische Grenzen stoßen wird. Was bedeutet die permanente Leistungssteigerung für das Selbstverständnis und den Körper der Athleten? Durch das Thema "Optimierung" verbindet sich die Problematik im Sport zugleich mit dem sogenannten "Enhancement", der Steigerung der eigenen Fähigkeiten, das im außersportlichen Kontext ebenso nach dem Muster von Verbot oder Freigabe diskutiert wird.
Die Diskussion um Verbot und Freigabe ist in Sachen Doping nicht von der Frage nach Kontrolle und Selbstkontrolle zu trennen, insofern, als dass die weltweite Dopingächtung auf Kontrollen setzt. Diese dienen dem Ziel, die Fairness im Sport aufrecht zu erhalten. Zugleich entstehen damit unvermeidliche Fragen hinsichtlich des Schutzes von Grundrechten, wenn es um die konkrete Umsetzung von Kontrollen geht. Daher kann mit Recht gefragt werden, wer entsprechende Grenzwerte auf Basis welcher naturwissenschaftlicher und juristischer Standards festlegt und kontrolliert. Da vielfältige Formen der Kontrolle auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen kontrovers diskutiert werden, lohnt sich ein Blick auf ähnliche Probleme und deren Lösungsversuche. Das komplexe Spannungsfeld von Kontrolle und Selbstkontrolle wird daher unter zwei Perspektiven diskutiert, einmal im Bereich objektiv-juristischer Normen, dann in moralisch-praktischer Perspektive.
Einen wesentlichen Akteur des Sportgeschehens stellen die Medien dar, die nicht nur Beobachter, sondern auch Agenten im Dopingsystem sind. Neben dem Phänomen einer eigenständigen Dopingberichterstattung bildet die Sportberichterstattung insgesamt den zentralen Multiplikator, der die Wertschöpfung im Sport steuert. Einschaltquoten, Werbeeinnahmen und Sponsoring sind die Arena der Medien und führen zu einer Verschärfung des Wettbewerbs und des Wettkampfs. So ist es kein Wunder, dass es beim Sport nicht mehr nur um die sportlich beste Leistung, sondern auch um den lukrativsten Werbevertrag geht. Worüber wird wie berichtet und welche Interessen verfolgen damit Fernsehen und Zeitungen? Hinsichtlich dieser Entscheidungen gilt es, die Möglichkeiten und Grenzen eines kritischen Journalismus zu diskutieren.
Optimierung, Kontrolle und das mediale Interesse hängen ihrerseits mit dem allgegenwärtigen gesellschaftlichen Phänomen der Pharmakologisierung zusammen. Im Sport gibt es nicht nur Doping als geächteten Konsum pharmakologischer Mittel bzw. medizinischer Verfahren, sondern auch eine große Menge unterschiedlichster erlaubter Interventionen, die aber gesundheitlich ebenfalls problematisch sind. Das Gleiche gilt für die Gesellschaft. Zwischen Selbstmedikation, Internetapotheke und ärztlicher Verschreibung ergibt sich eine stark wachsende Grauzone und damit Fragen, die das Selbstverständnis des Arztes und des Sportarztes ebenso betreffen wie die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen von Medikamenten, den Schutz von Athleten, Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen.
Letzlich geht es beim Sport um Grenzen und Grenzüberschreitung. Die Athleten sollen Leistungsgrenzen überwinden. Für die Teilnahme an internationalen Wettbewerben gibt es Qualifikationsnormen, Grenzwerte, die erreicht werden müssen. In den Körpersubstanzen der Athleten wird wiederum nach Grenzwerten und deren Überschreitung gefahndet. In beiden Fällen stellt sich die drängende Frage: Wie kommen entsprechende Grenzwerte zustande? Einerseits fungieren Grenzwerte als objektive Grenzen der Leistungsfähigkeit, andererseits sollen die Leistungsgrenzen auf der Jagd nach neuen Rekorden immer weiter verschoben werden. Damit unterliegt der Sportler einem unauflösbaren Spannungsgefüge, das zusätzlich noch dadurch verkompliziert wird, dass Grenzwerte in juristischer Hinsicht die normative Funktion der Unterscheidung zwischen legalem und illegalem pharmakologischen Konsum übernehmen. Einen weiteren konfliktträchtigen Bereich stellt die Frage nach dem Geschlecht und der Geschlechtergrenze dar.
Durch die Diskussion mit verschiedenen Expertinnen und Experten sowie Beteiligten und nicht auch zuletzt durch die Tagungsrückschau hoffen wir, die unterschiedlichen Facetten der komplexen gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit der Sportlerin/des Sportlers auf eine instruktive Weise analysieren zu können, um dadurch nicht nur theoretisch über die Sportlerin/den Sportler zu diskutieren, sondern auch einen konstruktiven Beitrag zur Dopingprävention leisten zu können.
Bevor ich nun das Wort an Susanne Illmer übergebe, die das erste Panel moderiert, möchte ich dem Bundesministerium des Innern – hier in Dresden vertreten durch den Leiter des Referates Nationale und internationale Dopingbekämpfung; Toleranz und Fair Play, Herrn Moog – sehr herzlich für die Bereitstellung von Mitteln aus dem Nationalen Dopingpräventionsplan danken, ohne die die Realisierung dieses Kongresses nicht möglich gewesen wäre.
Und damit wünsche ich Ihnen für diese beiden Tage einen intensiven Austausch und produktive Ideen!
- Es gilt das gesprochene Wort -