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"#Netz ohne Hass" (Tagungswerk Berlin, 29.Juni 2017) | Presse | bpb.de

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"#Netz ohne Hass" (Tagungswerk Berlin, 29.Juni 2017) Grußwort zur Veranstaltung

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Hass – ein starkes Wort für ein starkes Gefühl. Womit haben wir es nun zu tun bei dem, was sich seit geraumer Zeit in den Sozialen Medien beobachten lässt und was unter dem Wort Hate Speech in den Sprachgebrauch Eingang gefunden hat? Geht es um Emotionen, die sich Bahn brechen, um Wutbürger, die ihrem Ärger Luft machen?

Sehr geehrter Herr Dr. Geue,
sehr geehrte Damen und Herren,

Hass – ein starkes Wort für ein starkes Gefühl. Hass ist das höchste Gefühl von Verachtung, von starker Antipathie gegenüber Menschen oder Dingen. Hass ist intensiver und langanhaltender als Wut oder Ärger. „Hass macht blind“ ist weit verbreitete Überzeugung. Und ja, wer hasst, der ist gegenüber Argumenten blind.

Hass, so eine Definition von Kenneth Stern, ehemaliger Direktor des American Jewish Committee, bezeichnet die menschliche Definitionsmacht über einen anderen Menschen, die Fähigkeit einen Menschen zu bestimmen, um ihn oder sie dann zu entmenschlichen und zu dämonisieren. Die Geschichte kennt Beispiele dieser Macht.

Womit haben wir es nun zu tun bei dem, was sich seit geraumer Zeit in den Sozialen Medien beobachten lässt und was unter dem Wort Hate Speech in den Sprachgebrauch Eingang gefunden hat? Geht es um Emotionen, die sich Bahn brechen, um Wutbürger, die ihrem Ärger Luft machen?

Stern weist zurecht darauf hin, dass viel entscheidender ist, was Hass mit den Menschen macht, auf die sich der Hass richtet und welche Folgen es für die öffentlichen Kommunikationsräume hat, wenn diese dazu benutzt werden, um definitorische Macht über Menschen auszuüben.

Ablehnung von Gruppen ist schon lange vor Facebook & Co tief in unserer Gesellschaft verankert gewesen. Es scheint dennoch so, dass erst durch soziale Medien Diskriminierung, Beleidigung und Bedrohung „salonfähig“ geworden sind. Das findet seine Ursachen sicherlich auch in den Mechaniken sozialer Netzwerke, in der Aufmerksamkeitsökonomie, der „digitalen Empörungsdemokratie“ so der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.

Christian Stöcker wiederum, ehemaliger Leiter der „Netzwelt“ bei Spiegel Online formulierte es auf der letzten re:publica lapidar, aber treffend: „Natürlich skaliert schlechte Laune in sozialen Medien besser als gute.“ Gleichzeitig müssen wir aber festhalten, dass die vorurteilsbasierte Aggression offenbar zum praktizierten Mittel der Konfliktlösung geworden ist, wohl auch darin gründet, dass wir es verlernt haben politischen Streit zivilisiert auszutragen. Haben wir vielleicht zu lange die Augen und Ohren verschlossen vor bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklungen?

Deshalb sind die Sozialen Medien für viele von uns wie ein „übergroßer und oft verzerrter Lautsprecher“, so hat das ein Kollege mal formuliert. Und dieser Lautsprecher macht den vorhandenen Hass in der Gesellschaft schmerzhaft hörbar.

Das ist gut so! Dass es schmerzt. Das schafft Bewusstsein für eine Problemlage. Der Hass ist deutlich sichtbar. Dass unsere Gesellschaft ein Problem mit zum Beispiel Rassismus hat, ist so nicht mehr von der Hand zu weisen.

Nun soll das hier keine Lobrede auf den Hass im Netz werden. Im Gegenteil: Gerade in den Sozialen Medien können menschenverachtende Äußerungen in einer Spirale aus sich verstärkenden Hassbotschaften münden, die das Meinungsbild im Netz verzerrt und zunehmend polarisiert. Daraus kann ein Klima entstehen, in dem Diskriminierung und Gewalt legitim erscheinen und in dem der freie Meinungsaustausch gefährdet ist. Menschen werden ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht. Das kann kein Demokrat, geschweige denn ein politischer Bildner gut heißen.

Das Internet als öffentlicher Raum und damit als eine Grundlage für Informationsvermittlung und Meinungsbildung sollte uns wichtig genug sein, hier Einhalt zu gebieten. Und ebenso auch der demokratisch ausgetragene Streit, an dem sich alle Menschen beteiligen können, das Prinzip des freien Austausches unter Gleichen.

Die freie Meinungsäußerung ist eine der grundlegenden Prinzipien unserer Gesellschaft. Nur so kann sich der notwendige Meinungs- und Willensbildungsprozess vollziehen. Mit Hass, mit Diskriminierung, mit Rassismus – egal ob on- oder offline – werden die Grenzen der freien Meinungsäußerung in einer nicht tolerierbaren Weise überschritten.

Längst ist zudem die Anonymität des Netzes nicht mehr der maßgebliche Förderer der sprachlichen Verrohung. Der Trend eigener Kenntlichmachung nimmt zu. Immer mehr Menschen nutzen ihre persönlichen Profile innerhalb sozialer Netzwerke, um ihren Hass zu verbreiten. Dies bedeutet im Rückschluss ebenfalls, dass sich auch nicht mehr davor gescheut wird, jenseits des Internets offen zu Hass und Gewalt aufzurufen. Der Einfluss von Hatespeech darf unter keinen Umständen unterschätzt werden, denn Onlinehass bildet auch den Nährboden für reale Übergriffe.

Es gilt sich gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus zu engagieren, insbesondere dort, wo der plurale, öffentliche und diskriminierungsfreie Raum gefährdet ist. Gleichzeitig gilt es die Meinungsfreiheit zu schützen und den Dialog zu suchen. Dieser kann - da müssen wir uns nichts vormachen - auch schmerzhaft sein. Aber gerade für die politische Bildung ist dieser Meinungsaustausch, diese Kontroversität fundamental. Natürlich gibt es auch für die politische Bildung klare Grenzen, die keineswegs auszuhalten oder gar zu tolerieren sind.

Oberste Aufgabe der politischen Bildung ist die Etablierung einer Debattenkultur. Eine Debattenkultur in der alle Herausforderungen der Gesellschaft zwar benannt werden, aber unaufgeregt und differenziert statt diffamierend und verkürzt.

Als politische Bildnerinnen und Bildner wollen wir nicht gegen angeblich ‚falsche‘ Meinungen polarisieren, keine Kampagnen und kein Aktionismus gegen oder für eine bestimmte Meinung, politische Einstellung oder Wertestellung betreiben. Im Gegenteil: Wir möchten bestärken und befähigen, am demokratischen Dialog und Streit im Netz teilzunehmen, eigene Anliegen und Meinungen zu vertreten und damit einen eigenen Teil zu leisten in der Etablierung einer Debattenkultur unter freiheitlich-demokratischen Grundsätzen.

Jede Einzelne und jeder Einzelner ist dabei gefordert. Denn die politische Bildung, der Staat und die Medien sind nicht allein für den demokratischen Dialog im gemeinsamen gesellschaftlichen Raum verantwortlich, sondern wir alle. Es zählt die Eigenverantwortung der Social Media User. Respekt, Empathie und die Fähigkeit, die Perspektive des Anderen einzunehmen, seien dabei nur beispielhaft aufgeführt.

Mit dieser Tagung haben wir ein Programm zusammengestellt, das ihre Kompetenzen im Umgang mit Hatespeech stärken und das sie in den Erfahrungsaustausch bringen möchte.

Hate Speech lässt uns über den Hass, über Diskriminierung und Rassismus nachdenken. Wir öffnen uns dem Themenfeld und der Bedarf nach Aufklärung ist gewachsen. Viele engagierte Einzelpersonen, Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Medien, viele zivilgesellschaftliche Institutionen und Vereine haben Initiativen und Projekte ins Leben gerufen, die sich diesem Themenfeld in einem intensiven und breiten gesellschaftlichen Diskurs stellen. Diese Tagung will Teil dieses Diskurses sein.

Ich hoffe, dass Sie im Verlauf der nächsten zwei Tage viele wertvolle Informationen und Erfahrungen sammeln und diese mitnehmen in Ihren Alltag und dort weiterbilden und den Dialog aufrechterhalten.

In diesem Sinne: an die Geräte, hoch die Köpfe und die Smartphones und nicht die Hände!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten